von MARVIN KLEIN
Am 06. Juli 2023 trat das „Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften“ in Kraft. Das Gesetz verspricht – wie der Titel es schon verrät – mehr Digitalisierung im Bauleitplanverfahren. Ob hiermit der große „digitale Wurf“ erreicht wird, soll in diesem Beitrag untersucht werden.
Einführung in die Problemlage
Die baurechtlichen Baugenehmigungsverfahren dauern zu lange, sind zu kompliziert und kosten zu viel Geld – so das ständige Mantra von Politik und der Bauwirtschaft. Dass der Bundes- und die Landesgesetzgeber es daher wieder und wieder mit baurechtlichen Novellen probieren, ist nicht sonderlich verwunderlich, da die rechtlichen Anforderungen des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts entscheidende Kosten- und Zeitfaktoren bei der Verwirklichung von Bauvorhaben sind. In der Diagnose sind sich alle am Baugeschehen Beteiligten sowie die in den Parlamenten vertretenen Parteien wohl einig. Die Frage ist jedoch, welche Änderungen hersollen, um die gewünschte Verschlankung des Genehmigungsverfahrens zu erreichen?
Obschon unterschiedliche Auffassungen über das notwendige Maß an baurechtlicher Rücksichtnahme, Kostenreduktion aber auch Anpassung der baurechtlichen Anforderungen an die Bedürfnisse des Klimaschutzes bestehen, gibt es eine Lösung, die so modern und kostengünstig klingt, dass diese wieder und wieder beschworen wird. Das Zauberwort heißt: Digitalisierung!
Bereits im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien kommt der Begriff Digitalisierung 63 mal vor und auch im Kapitel Bauen und Wohnen wird die Digitalisierung der Bauleitplanverfahren zur Kostensenkung des Wohnungsaus angekündigt. Dieses Versprechen soll durch das im Juli 2023 in Kraft getretene „Gesetz zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften“ gehalten werden.
Internetveröffentlichung als Feigenblatt der Digitalisierung
Die Novelle setzt bei der sog. 2. Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung an und nimmt nominell ein Systemwechsel für die rechtsförmige und formelle Auslegung nach § 3 Abs. 2 S. 1 BauGB vor. In der bisher geltenden Fassung erfolgte die Auslegung der Entwürfe der Bauleitplanung samt Begründung in Papierform. Der Auslegungsort war durch die Gemeinden frei wählbar; ausgelegt wurde aber regelmäßig an der Dienststelle des Stadtplanungsamt (so z.B. für die Stadt Köln das Stadthaus Deutz). Zusätzlich mussten die Unterlagen nach § 4a Abs. 4 S. 1 BauGB im Internet eingestellt und über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich gemacht werden.
Zukünftig fällt die örtliche Auslegung als Regelfall der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 S. 1 n.F. weg. Stattdessen sind die Entwürfe der Bauleitpläne sowie die Begründung im Internet zu veröffentlichen; die Unterlagen sind ferner nach § 3 Abs. 2 S. 5 2. Hs. BauGB n.F. (ehemals § 4a Abs. 4 S. 1 BauGB) auch über ein zentrales Internetportal des Landes zugänglich zu machen. Das Land NRW nutzte hierfür seit längerem bereits das länderübergreifende UVP-Portal.
Mit dieser Online-Publikation fällt jedoch das analoge Auslegungsverfahren nicht zwangsläufig weg. Ergänzend zur Internet-Bekanntmachung müssen zukünftig eine oder mehrere andere leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten, etwa durch öffentlich zugängliche Lesegeräte oder durch eine öffentliche Auslegung, eingerichtet werden. Hierbei handelt es sich um einen bürgernahen Kompromiss zwischen dem Bedürfnis an schnellem digitalem Zugang zu den Planungsunterlagen und der Rücksichtnahme auf derjenige Personengruppen, die über keinen Internetanschluss verfügen oder aus technischen oder persönlichen Gründen nicht nutzen können oder wollen. Auch diese Personengruppen haben ein Recht, sich an der örtlichen städtebaulichen Entwicklung zu beteiligen.
Im Übrigen sind zukünftig auch die Internetseite oder Internetadresse, auf denen die Unterlagen veröffentlicht werden nebst weiteren Informationen vor Beginn der Veröffentlichungsfrist ortsüblich bekannt zu machen, wobei nach § 3 Abs. 2 S. 5 BauGB der Inhalt der Bekanntmachung im Internet einzustellen ist.
Zwar ist mit dem neuen Regelwerk die Auslegung in Papier nicht mehr in jedem Fall zwingend vorgeschrieben, denn die Gemeinden können sich zwischen verschiedenen Formen der Veröffentlichung neben der Online-Publikation entscheiden, doch erfolgt damit in den meisten Fällen keine wesentliche Änderung für die Bürgerinnen und Bürger. Entgegen aller politischen Bekundungen kann ein „Mehrwert“ in diesen Änderungen nicht gesehen werden. Stattdessen spiegelt der Gesetzgeber ein „Mehr“ an Digitalisierung vor, den es effektiv nicht gibt.
Elektronische Beteiligung als Regelfall
Nicht viel anders sieht es mit der Möglichkeit der Beteiligung im Rahmen der Bauleitplanung aus. Nach der bisherigen Rechtslage war eine bestimmte Form von Stellungnahme nicht vorgeschrieben. Die Stellungnahme konnte in schriftlicher, elektronischer Form, zur Niederschrift der Gemeindeverwaltung oder sogar mündlich erfolgen. Mangels formeller Vorgaben für die Stellungnahmen war es den Bürgerinnen und Bürgern möglich, in einfacher und flexibler Weise ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen und damit gehört zu werden. Doch wie sieht es unter der Novelle aus?
Aus § 3 Abs. 2 S. 4 2. HS Nr. 2 BauGB n.F. ergibt sich, dass Stellungnahmen zukünftig in elektronischer Form übermittelt werden sollen; lediglich bei Bedarf können Stellungnahmen auf anderem Weg abgegeben werden. Bei Lektüre dieser Anforderungen könnte man womöglich ins Stocken geraten. Warum sollte die Stellungnahme nur noch in elektronischer Form abgegeben werden können? Schließt man hiermit nicht effektiv auch diejenigen Personen aus, für die man im Rahmen der Auslegung der Unterlagen gerade andere erreichbare Zugangsmöglichkeiten verpflichtend festgeschrieben hat? Die Antwort hierauf liegt in der Abweichungsmöglichkeit „bei Bedarf“. Nach der Gesetzesbegründung steht der Bedarf im Zusammenhang mit den anderen Zugangsmöglichkeiten zur Publikation der Unterlagen. Hierdurch wird deutlich, dass der Bedarfsfall auch für diejenigen Personen greift, die das Internet aus verschiedenen Gründen nicht nutzen wollen oder können. Hinzu kommt, dass nach der Gesetzesbegründung die Stellungnahme den Bedarfsfall nicht begründen braucht. Obschon somit nominell die elektronische Beteiligung als Regelfall statuiert wird, werden hierdurch keine rechtlichen Barrieren zur Beteiligung hochgezogen. Im Ergebnis bleibt auch hier alles beim Altem.
Abschließende Bewertung
Die Novelle beinhaltet neben den hier thematisierten Anpassungen noch einige Besonderheiten, wie die elektronische Beteiligung und Stellungnahmefrist der Behörden nach § 4 Abs. 2 S. 2 und S. 4 BauGB n.F, weitere Privilegierungen von Solarenergie sowie die Verkürzung der Genehmigungsfrist in § 6 BauGB auf einen Monat. Nimmt man nur die Aspekte der Digitalisierung in Blick, kann man leider von keinem großen Wurf sprechen. Zu wünschen wäre mehr digitale Infrastruktur wie etwa eine bundeslandübergreifende Plattform zur Darstellung von Planaufstellungsverfahren sowie bestehende Bauleitplanung und eine einheitliche Kommunikationsgrundlage der Behörden über eben diese Plattform. Die hier dargestellten Änderungen der Bürgerbeteiligung haben jedoch – nach derzeitiger Einschätzung – keinen großen Effekt und dürften nur den Schein von mehr Digitalisierung tragen. Da die Regierung bereits eine große Novelle des BauGB angekündigt hat, bleibt abzuwarten, welche Änderungen zukünftig unter dem Topos der Digitalisierung eingeführt werden.
Zitiervorschlag: Klein, Marvin, Die Digitalisierung der Bauleitplanung – ändert sich überhaupt was?, JuWissBlog Nr. 46/2023 v. 02.08.2023, https://www.juwiss.de/46-2023/
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