von JONAS BOTTA und SARAH HARTMANN
Am ersten Tag der diesjährigen JTÖR kamen gut 20 Doktorand:innen und Habiltand:innen an der Uni Hamburg zusammen, um den Arbeitskreis „Digitales“ zu gründen. Er soll zukünftig als Forum für alle Nachwuchswissenschaftler:innen dienen, die sich in ihrer Forschung und/oder Lehre mit Fragen des Öffentlichen Rechts der Digitalisierung auseinandersetzen.
Das Öffentliche Recht der Digitalisierung
Ein Fachgebiet so schillernd wie schwer eingrenzbar: Von den digitalen Dimensionen des (nationalen und europäischen) Grundrechtsschutzes über das Datenschutzrecht, KI-Regulierung, Plattformrecht, Verwaltungsdigitalisierung, Informationsfreiheits- und Informationszugangsrecht, Medienregulierung und Medienwirtschaftsrecht, E-Health, Telekommunikationsrecht bis hin zur IT-Sicherheit und/oder kritischer Infrastruktur (kein Anspruch auf Vollständigkeit). Diese Rechtsgebiete sind – ganz im Sinne des Themas der 63. JTÖR – überdurchschnittlich geprägt von Intra- und Interdisziplinarität sowie Internationalität.
Erster inhaltlicher Schwerpunkt: ChatGPT
Wie die anfängliche Vorstellungsrunde zutage brachte, waren zahlreiche Fakultäten aus ganz Deutschland und Österreich vertreten (u.a. Freiburg, Graz, Hamburg, Münster, Speyer und Wien) und auch die gegenwärtig verfolgten Forschungsprojekte der Teilnehmenden decken das gesamte zuvor genannte Themenspektrum des „Digitalen“ ab. Neben einem abstrakten Überblick über das Öffentliche Recht der Digitalisierung stand eine konkrete Technologie im Vordergrund: ChatGPT und seine Auswirkungen auf die rechtswissenschaftliche Lehre und Forschung.
Ein Impulsvortrag setzte sich kritisch mit den Einsatzmöglichkeiten von derzeit verfügbaren Large-Language-Models (LLM) zur Anfertigung juristischer Gutachten und wissenschaftlicher Fachtexte auseinander. Entgegen der zahlreich formulierten Befürchtungen hinsichtlich Täuschungen in Abschlussarbeiten und Autonomieverlusten in der Forschung zeigt die Technologie in diesen Bereichen schnell ihre Limitationen. Eigene Versuche der Vortragenden sowie erste Veröffentlichungen durch oder mit ChatGPT erstellter Fachbeiträge zeichnen sich durch Oberflächlichkeit und Mangel an verbindlichen Aussagen und Wertungen aus. Meist zieht sich der Bot auf den inhaltsleeren Standpunkt zurück, das jeweils betrachtete Thema oder Problem sei „eine komplexe Angelegenheit“, die weiterer Betrachtung bedürfe. Auch den Gutachtenstil beherrscht das Programm selbst unter Anleitung nicht. Erwähnung fand zudem die derzeit noch diffuse Regulierungslage bezüglich der Programme.
Die anschließende Diskussion befasste sich u.a. mit dem Phänomen der „Halluzination“ – dem freien Erfinden von Daten – durch Chatbots, die aktuell (noch?) eines der größten Hindernisse für den professionellen Einsatz der Anwendungen darstellt. Viele Teilnehmende hielten dies für eine in naher Zukunft bedeutungslose Kinderkrankheit von LLMs, während andere Stimmen den Zusammenhang zwischen der von den Programmen geforderten „Kreativität“ und den Halluzinationen als ihrer notwendigen Folge betonten. Daneben berichteten einige Teilnehmende vom Umgang ihrer jeweiligen Institutionen mit der neuen Technologie. Einigkeit bezüglich des Handlungsbedarfs scheint fakultät- und universitätsübergreifend zu herrschen. Die Maßnahmen konzentrieren sich wohl überwiegend auf Anpassungen der Prüfungsordnungen mit dem Ziel, die Nutzung KI-generierter Texte in Prüfungsleistungen zu untersagen. Die Teilnehmenden zweifelten die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zum Teil an und äußerten darüber hinaus den Wunsch nach konstruktivem Umgang mit der Technologie.
Wir sind gekommen, um zu bleiben.
Im Titel der Veranstaltung – „Auftakttreffen“ – klingt bereits die Hoffnung auf zukünftige Gelegenheiten zum Austausch und zur Vernetzung an. Neben einer Maillingliste (Eintragung unter https://listserv.uni-muenster.de/mailman/listinfo/arbeitskreis-digitales), kam auch die Idee eines regelmäßigen Onlineformats (z.B. einer Vortrags- oder Workshopreihe) auf. Hierfür sind wir noch auf der Suche nach Organisator:innen, die sich bei Interesse gerne bei uns melden können. Außerdem ist angedacht, schon in 2024 eine erste eigene Tagung in Speyer durchzuführen (weitere Informationen folgen). Diese soll eine umfassendere Möglichkeit für das gegenseitige Kennenlernen und den inhaltlichen Diskurs bieten und steht allen digitalaffinen Nachwuchswissenschaftler:innen offen. Zudem soll es im Rahmen der nächsten JTÖR wieder ein Treffen des AK Digitales geben. Wir sind gekommen, um zu bleiben.
Zitiervorschlag: Botta, Jonas und Hartmann, Sarah, Auftakttreffen des AK Digitales, JuWissBlog Nr. 47/2023 v. 08.08.2023, https://www.juwiss.de/47-2023/
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