Warum so wenig Mut bei der Verpackungsgesetzgebung?

von MAXIMLIAN TSCHIRNHAUS

Am 11.02.2025 ist die Verordnung (EU) 2025/40 über Verpackungen und Verpackungsabfälle in Kraft getreten. Sie ist Teil des „Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft – Für ein sauberes und wettbewerbsfähiges Europa“ und soll im Einklang mit dem Green Deal stehen. Ist es denn wirklich ein großer Schritt? Oder ist es nur eine Maskerade, die tatsächliche Problemlösungsansätze verdeckt?

Größe der Herausforderung

Bereits in den ersten Erwägungsgründen wird die Dringlichkeit einer strengen Regelung deutlich: Der Primärrohstoffverbrauch für Verpackungen macht 40% des Kunststoffes und 50% der in der EU verwendeten jeweiligen Rohstoffe aus. Verpackungen bilden 36% des Siedlungsabfalls und sind selten wiederverwendbar oder nur schlecht zu recyceln.

Bei der Betrachtung der Sachlage sollte eindeutig sein, dass der bisherige Pfad der zurückhaltenden rechtlichen Einhegung und Vorgaben von möglichen Rohstoffen zu Verpackungszwecken nicht die gewünschte Wirkung erreicht. Im Gegenteil im Jahr 2022 wurden gerade einmal knapp über 50% der Verpackungskunststoffe in Deutschland recycelt.

Lösbarkeit der Probleme

Die aufgezeigten Probleme des mangelhaften Recyclings scheinen zumindest rechtlich, wenn schon nicht technisch lösbar. So ist durchaus bekannt, welche Stoffe für eine schlechte Recyclingquote verantwortlich sind: Additive, PA- und PVDC-Schichten, PE-X-Komponenten, Silikonkomponenten, nicht-thermoplastische Elastomere und viele weitere. Dabei handelt sich um Stoffe, die zur Wärme-/Kälteisolierung, als Schutz vor Oxidation oder als Dichtungen genutzt werden.

Einiges lässt sich nicht verhindern. Für Verpackungen, insbesondere bei Lebensmitteln, sind bestimmte Eigenschaften erforderlich, auch um sie vor Umwelteinflüssen zu schützen und das Verderben zu verhindern. Es fällt bei einem Blick in die Verordnung auf, dass sie zwar stark ausdifferenziert und umfangreich regelt, was alles in Zukunft geschehen soll und, richtigerweise, auch was zur Verhinderung von Gesundheitsschädigungen nicht gestattet ist (siehe dazu beispielhaft Art. 5 Abs. 5 und Erwägungsgrund 20). Auch die Überprüfung der Möglichkeit des Einsatzes biobasierter Rohstoffe (Art. 8) ist zu unterstützen.

Das reicht aber noch nicht. Es besteht eine unbefriedigende Melange aus nach wie vor erlaubten problematischen Stoffen, welche sich vermeiden lassen, und Regelungen, die nicht zweckhaft sind. Beispielhaft zu nennen sind schwarze Kunststoffe, die besonders schlecht recyclebar sind und das bereits durch die Richtlinie 2019/904 eingebrachte Verbot von Einwegkunststoffen, welches zwar ein richtiger Gedanke war, aber nicht die gewünschte Wirkung hat. Denn weiterhin sind Kunststoffanteile enthalten. So bestehen viele Strohhalmarten, im Gegensatz zu der allgemeinen Überzeugung, immer noch zum Teil aus Kunststoffen, beispielsweise um sie wetterfest zu machen, und sind gesundheitlich nicht unbedenklich. Zudem ist die Ökobilanz von Einwegpapiertüten nicht besser als von auf erdölbasierenden Kunststofftüten. Die Sinnhaftigkeit der Regelungen zur Verminderung von leichten Kunststofftragetaschen nach Art. 34 der Verordnung ist zumindest in Frage zu stellen. Auf den ersten Blick haben diese Tatsachen nichts gemein. Dabei sind einerseits Regelungen, wie die erwähnte über Kunststofftragetaschen, welche nicht die ökologische Wirkung haben, die es im Verpackungsbereich bräuchte und andererseits ein Problem der schlechten Recyclebarkeit bekannt, dem sich rechtlich durchaus leicht begegnen ließe.

Darüber hinaus stellt sich eine Grundsatzfrage: Sind bestimmte rechtliche Maßnahmen, wie beispielsweise das Verbot von Einwegkunststoffen in bestimmten Alltagsgegenständen, wirklich zielführend oder ist es nicht eher so, dass das Littering, das achtlose Entsorgen von Abfällen im öffentlichen Raum und der freien Natur, oder die Ausfuhr von Verpackungsabfällen in nicht EU-Staaten eine größere Rolle spielt als die tatsächliche Anzahl von kunststoffbasierten Einweggegenständen? Und selbst wenn Abfall nur noch in OECD-Staaten ausgeführt wird, siehe beispielsweise Art. 40 Verordnung (EU) 2024/1157 wird es dann besser?

Was hält den Gesetzgeber ab?

Dennoch bleibt man, auch als Verbraucher, fragend zurück, wenn man vergleichsweise leichte Regelungsmöglichkeiten zu bekannten Problemen betrachtet. Warum handelt der Gesetzgeber so zurückhaltend?

Die Vorgabe von gesetzlichen Leitlinien zur langfristigen Planung ist für Unternehmen unverzichtbar. Es ist aber vorstellbar, dass die Interessen von Verbänden bei der Gesetzgebung, wenn nicht durch direkte Einflussnahme, so zumindest indirekt, eine Rolle spielen.

Man nehme an, man würde das Inverkehrbringen dunkler Kunststoffe im Bereich der Verpackungen untersagen und im gleichen Zuge nur recyclebare Kunststoffe im Sinne eines geschlossenen Rohstoffkreislaus, bei dem aus dem produzierten Gegenstand die Primärrohstoffe wieder zurückgewinnen werden könnten (cradle to cradle), einsetzen dürfen, würde sich der Verpackungsmarkt deutlich verändern, insbesondere der Farbeinsatz bei Verpackungen wäre ohne Weiteres nicht mehr derselbe und würde deutlich auf die Verbraucherentscheidungen Einfluss nehmen. Die Art und Weise der Regelung, die nicht eine tatsächliche Problemlösung liefert, sondern nur an oberflächlichen Stellschrauben dreht, hat demnach auch eine präventive Motivation, um den Verpackungsmarkt nicht vollständig auf den Kopf zu stellen oder Veränderungsprozesse zumindest zu verlangsamen.

Fazit

Sicherlich ist es eine gute Entscheidung, auch das Feld der Verpackungen weiterhin anzugehen. Die Frage bleibt, welche Regelungen tatsächlich erforderlich wären. Man wünscht sich zumindest eine entschiedenere Herangehensweise an die tatsächlichen Problematiken, wie Littering und Ausfuhr von Abfällen und nicht nur einen gesetzgeberischen Aktionismus, der so wirken soll, als könne man alle umweltbezogenen Herausforderungen der Verpackungsindustrie und des Verpackungsver- sowie -gebrauchs an der vermeintlichen Wurzel lösen. Dabei gäbe es Möglichkeiten wie das Verbot von dunklen Kunststoffen zu Verpackungszwecken oder das weitgehende Verbot des Einsatzes bestimmter Kunststoffarten, die nicht recyclebar sind, um tatsächlich an der Wurzel anzusetzen.

Die folgenden Ausführungen reflektieren ausschließlich persönliche und ausdrücklich nicht berufliche Ansichten

Zitiervorschlag: Tschirnhaus, Maximilian, Warum so wenig Mut bei der Verpackungsgesetzgebung?, JuWissBlog Nr. 27/2025 v. 07.03.2025, https://www.juwiss.de/27-2025/

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