von PATRICK SIKORA
Nach über sechs Monaten Verhandlungen im Rahmen der Euro-Gruppe wurden erste Fortschritte zu zentralen Merkmalen des Eurozonen-Budgets erzielt. Viele Fragen sind jedoch noch offengeblieben. Das „Ob“ und „Wie“ der Verankerung im geltenden unionsrechtlichen Rahmen ist eine zentrale Problemstellung, auf die der vorliegende Blog-Beitrag mit einem eigenen Gestaltungsvorschlag antwortet. Parallel zum anstehenden Euro-Gipfel werde ich am kommenden Freitag meine Ideen beim JuWissDay 2019 konkretisieren.
Das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ließ die Wirtschafts- und Währungsunion im Wesentlichen unberührt, obwohl ihre strukturellen Unzulänglichkeiten bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung evident waren. Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise hat eine spezifisch europäische Dimension entwickelt, die immer noch geeignet erscheint, den Fortbestand des Euro in Frage zu stellen. Während die justizielle Bewertung der kurzfristigen Krisenreaktionen (insbesondere Griechenland-Paket und ESM) abgeschlossen ist und mittelfristige Maßnahmen sich noch in gerichtlicher Prüfung befinden (insbesondere Anleihekäufe des ESZB und Bankenunion), gilt es konstruktiv die langfristige Perspektive in den Blick zu nehmen, um die Eurozone als Kern der Union nachhaltig zu stabilisieren.
Im Fokus der Reformbestrebungen steht die Etablierung eines „Haushaltsinstruments für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit“, des sogenannten Eurozonen-Budgets. Der Euro-Gipfel beauftragte am 14.12.2018 die zuständigen Minister/-innen, das oben genannte Instrument zu entwickeln. Die zugehörige Schlusserklärung enthält insbesondere folgende Vorgaben:
- Das Eurozonen-Budget wird nach dem in den Verträgen festgelegten Verfahren auf Grundlage des einschlägigen Kommissionsvorschlags angenommen.
- Die Euro-Länder geben jedoch Kriterien und strategische Leitlinien vor.
- Das Instrument soll Teil des EU-Haushalts sein, wobei Kohärenz mit anderen EU-Politiken zu wahren ist.
- Sein Umfang wird im Rahmen des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) festgelegt.
Unausgesprochen, doch politisch unausweichlich kommt zum einen die Vorgabe hinzu, dass das Eurozonen-Budget von den Mitgliedern des Währungsraums zu finanzieren ist. Es erscheint ausgeschlossen, dass Nicht-Euro-Länder zur Finanzierung eines Instruments bereit sind, das für sie unzugänglich sein soll. Zum anderen stellt die fehlende Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Änderung des Lissaboner Vertragswerks eine weitere implizite Prämisse dar.
Vor diesem Hintergrund lassen sich drei miteinander verknüpfte Problembereiche identifizieren. Auf der Einnahmenseite ist zunächst zu klären, wie die mitgliedstaatlichen Beiträge für das Eurozonen-Budget erhoben werden. Zum Zweiten gilt es die Ausgabenseite primärrechtskonform zu gestalten, wobei hier die Suche nach einer geeigneten Rechtsgrundlage im Vordergrund steht. Schließlich ist drittens eine Verbindung zwischen Beitragserhebung und Mittelverwendung herzustellen.
Zur Bewältigung der skizzierten Problemlage erscheint eine dreigliedrige Gestaltungsvariante europarechtlich vorzugswürdig und im Hinblick auf die Vorgaben des Euro-Gipfels zielführend:
- Die Einnahmen würden in Anwendung eines gem. Art. 311 Abs. 3 AEUV novellierten Eigenmittelbeschlusses (EMB) erhoben. Im bestehenden System lässt sich etwa ein „Eurozonen-Aufschlag“ gut integrieren, der aus einem erhöhten Satz für Mehrwertsteuer- und/oder Bruttonationaleinkommen-Eigenmitteln bestehen könnte.
- Aufgrund des im unionalen Haushaltsrecht geltenden Universalitätsprinzips (Art. 6 EMB 2014) sollte in einer interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Rat, Parlament und Kommission festgeschrieben werden, dass der dem Aufschlag entsprechende Betrag im MFR als Ausgabenposten für die Eurozone kategorisiert und bei der Haushaltsplanung entsprechend veranschlagt wird.
- Auf der Ausgabenseite ist ein Instrument zur Steigerung von Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit für das Währungsgebiet primärrechtskonform zu entwickeln. Mangels passender Sondervorschriften für die Eurozone (aktuell nur Art. 136 bis 138 AEUV) müsste zum Aufbau eines solchen Programms auf allgemeine Rechtsgrundlagen wie Art. 174 ff. AEUV und Art. 179 ff. AEUV zurückgegriffen werden. Dank der Weite seines Wortlauts und mangels einschlägiger (restriktiver) Rechtsprechung könnte insbesondere Art. 175 Abs. 3 AEUV zum Einsatz kommen.
Neben der Eignung allgemeiner Rechtsgrundlagen für exklusive Eurozonen-Instrumente sind zudem das Verfahren der Mittelvergabe, die zu erfüllenden Voraussetzungen und damit verknüpft die Vereinbarkeit mit Art. 125 AEUV zu erörtern. Insoweit wird der noch in der politischen Diskussion befindliche Mechanismus der makroökonomischen Mittelverwendung einzubeziehen sein.
Mit Blick auf die kontinuierlichen Fortschritte der Euro-Gruppe ist der JuWissDay 2019 das ideale Format, um die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion in den Blick zu nehmen und den europarechtlichen Diskurs zur konkreten Ausgestaltung des Eurozonen-Budgets zu initiieren.
Zitiervorschlag: Patrick Sikora, Verankerung des Eurozonen-Budgets im Lissaboner Vertragswerk, JuWissBlog Nr. 65/2019 v. 18.6.2019, https://www.juwiss.de/65-2019/
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