Novellierung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes – Wie die Bundesregierung neue Wege im Klimaschutz gehen will

von JOHANNES CHRISTOPHER REICHENBACH

CCS (Carbon Capture and Storage) ist fester Bestandteil nationaler Klimaschutzbemühungen vieler Ländern. In Deutschland hingegen besteht noch immer ein faktisches CCS-Verbot, obwohl sich die Bundesregierung selbst das Ziel gesetzt hat, technologieoffen zur Klimaneutralität zu gelangen. Das will die Koalition nun endlich ändern – eine Novelle des KSpG soll her. Das neue KSpG schafft es, CCS wirtschaftlich nutzbar zu machen und dabei gleichzeitig Umweltschutzbedenken Rechnung zu tragen. Der Gesetzentwurf ist damit die langerwartete Richtungsentscheidung im deutschen Nachhaltigkeitsrecht.

Das KSpG

Das eingangs erwähnte KSpG ist ein Bundesgesetz aus dem Jahr 2012 und dient der Umsetzung der EU-Richtlinie 2009/31/EG in deutsches Recht. Gemäß § 1 Satz 1 KSpG soll das Gesetz einen Rechtsrahmen für eine unterirdische Speicherung von CO2 schaffen. Generell ist es dem öffentlichen Recht zuzuordnen und gestaltet rechtlich die CCS-Technologie aus.

Was ist CCS?

Der Begriff CCS ist derzeit nur wenigen geläufig. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, Kohlendioxid durch ein spezielles Verfahren dauerhaft in tiefen geologischen Formationen zu speichern und so vor dem Entweichen in die Atmosphäre zu bewahren. Somit können technisch CO2-Emissionen gespeichert werden, bevor diese in die Atmosphäre gelangen und dort umweltschädliche Auswirkungen entfalten.

Europäische Länder wie Norwegen und Dänemark setzen voll auf dieses Verfahren und treiben den Ausbau von CCS-Speichern voran. Deutschland hat sich in § 3 II KSG das Ziel gesetzt, bis 2045 klimaneutral zu wirtschaften. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint ein Ausbau von CCS-Speichern notwendig, um schwer und nicht vermeidbare Kohlendioxidemissionen an der Entweichung in die Atmosphäre zu hindern. Solche Anlagen nach zum Beispiel norwegischem Vorbild gibt es in Deutschland jedoch bis jetzt nicht. Die Gründe dafür liegen im bestehenden Recht.

Warum gibt es in Deutschland noch keine CCS-Speicher?

Nach derzeitiger Rechtslage ist die Durchführung von CCS und damit die Speicherung von Kohlendioxid rechtlich theoretisch möglich. In § 1 S. 2 KSpG und § 2 I, III, V KSpG wird jedoch klargestellt, dass dies nicht tatsächlich zur dauerhaften Errichtung von Speicherungsanlagen, sondern nur zur Erprobung eines solchen Speicherverfahrens genutzt werden darf. Dabei ist zu beachten, dass selbst die Anträge zur Erprobung solcher Speicher bis Ende 2016 hätten gestellt werden müssen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 KSpG). Daraus ergibt sich das Problem, dass CCS in Deutschland zwar theoretisch möglich, aber praktisch nicht umsetzbar ist. Aufgrund dessen existieren in Deutschland zurzeit keine CO2-Speicher. Zu beachten ist allerdings, dass das KSpG selbst eine Evaluation neuer Erkenntnisse alle 4 Jahre anordnet und ein solcher Bericht 2022 den Grundstein für die anstehende Novellierung legte.

Aktuelle Entwicklungen in Deutschland durch den Gesetzentwurf des Bundeskabinetts

Vor diesem Hintergrund und der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlichten Carbon Management Strategie hat das Bundeskabinett im Rahmen des Einleitungsverfahrens einen Gesetzentwurf zur Reform des KSpG beschlossen und in das weitere Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Rechtlich bedeutsam sind insbesondere die folgenden Neuerungen gegenüber der skizzierten aktuellen Rechtslage.

Die Erkundung geeigneter geologischer Formationen wird grundsätzlich ermöglicht (§ 2 Abs. 3 KSpG E) – dies allerdings nur offshore. Dies hat zur Folge, dass sofern geeignete und sichere Formationen gefunden werden können, die Errichtung von Speicherstätten rechtssicher beantragt und genehmigt werden kann. Mit dieser Neuerung wird ein Rahmen geschaffen werden, in dem die Wirtschaft den Einsatz von CCS evaluieren und materielle und finanzielle Ressourcen investieren kann, um CCS nicht nur zu Forschungszwecken, sondern auch wirtschaftlich einzusetzen. Erst so wird ein ausreichender Investitionsanreiz für die Industrie geschaffen.

Eine Onshore-Speicherung sollte weiterhin nicht durch Bundesrecht zugelassen werden. Angesichts der föderalen Strukturen in Deutschland soll das Gesetz jedoch die Möglichkeit vorsehen, dass die Bundesländer durch entsprechende Landesgesetze eigene Speicherstätten auf ihrem Gebiet zulassen können (§ 2 Abs. 5 KSpG E).

Die CCS-Technologie wird insbesondere von Klimaschützern kritisch gesehen. Dies wird damit begründet, dass die Speicherung zum einen nicht hinreichend sicher sei und zum anderen einen Anreiz biete, weiterhin nicht nachhaltig zu produzieren, indem das anfallende Kohlendioxid einfach gespeichert werden könne, anstatt dessen Ausstoß grundsätzlich zu verhindern. Auch diesen Bedenken trägt der Gesetzentwurf zum Teil Rechnung. So ist der Einsatz von CCS bei der Kohleverstromung ausdrücklich ausgeschlossen (§ 33 Abs. 5 Satz 1 KspG E). Weiter wird in § 44 Abs. 2 Nr. 3b KSpG E bestimmt, dass CCS nur bei schwer oder nicht vermeidbaren Emissionen eingesetzt werden soll. Somit profitieren vor allem die Stahl-, Zement- und Chemieindustrie, welche besonderen Herausforderungen bei der Verringerung Ihrer CO2-Produktion ausgesetzt sind, von der Formulierung der Novelle.

Bewertung der Gesetzesinitiative der Bundesregierung

CCS ist eine Technologie, die einen Beitrag zur Erreichung einer nachhaltigen Wirtschaft leisten kann. Vor diesem Hintergrund ist das derzeit bestehende faktische Anwendungsverbot nicht mehr nachvollziehbar. Es gibt zahlreiche Beispiele, wie Bemühungen zu mehr Klimaschutz mit einer zeitgemäßen rechtlichen Regelung von CCS vorangetrieben werden kann. Der aktuelle Vorstoß der Bundesregierung ist ein richtiger Schritt, um CCS auch tatsächlich und nicht nur theoretisch in Deutschland zu ermöglichen.

Es ist längst überfällig, den Unternehmen rechtssichere Investitionen in die Erkundung geeigneter geologischer Formationen zu ermöglichen, um so den Grundstein für eine wirtschaftliche Nutzung zu legen. Ohne einen solchen Rechtsrahmen wird es bei dem derzeitigen Stillstand der CCS-Entwicklung in Deutschland bleiben. Insofern kann der Gesetzentwurf nur begrüßt werden.

CCS darf jedoch nicht als Allheilmittel gegen den Klimawandel verstanden werden. Das Verfahren der geologischen Speicherung von Kohlendioxid sollte nur zur Speicherung tatsächlich schwer oder unvermeidbarer Emissionen zugelassen werden. Positiv hervorzuheben ist, dass der Gesetzentwurf diesem Umstand durch verschiedene Einschränkungen bei der Zulassung von CCS Rechnung trägt. Dabei ist dem Gesetzgeber zu empfehlen, die Formulierungen dennoch weiter dahingehend zu verschärfen, dass die Speicherung eine definierte Ausnahme für nicht vermeidbare Emissionen wird. Somit kann der Fokus weiter darauf gelegt werden, alles für eine grundsätzliche Vermeidung von Emissionen zu tun. In diesem Wege kann auch den Bedenken der Umweltverbände Rechnung getragen werden.

Mit der grundsätzlichen Zulassung dieser Technologie durch den Gesetzentwurf folgt die Bundesregierung der Rechtsprechung des BVerfG und der Grundsatzentscheidung des KSG hin zu einem effektiven und umsetzbaren Klimaschutz und geht einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaneutralität bis 2045. Die Bundesregierung ist mit diesem Gesetzentwurf auf dem richtigen Weg.

 

Zitiervorschlag: Reichenbach, Johannes Christopher, Novellierung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes – Wie die Bundesregierung neue Wege im Klimaschutz gehen will, JuWissBlog Nr. 54/2024 v. 16.08.2024, https://www.juwiss.de/54-2024/.

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Carbon Capture and Storage, Carbon Management Strategie, CCS, Johannes Christopher Reichenbach, Kohlendioxid-Speicherungsgesetz, KSpG
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