Täglich grüßt das Murmeltier – Wieder ein Novellierungsversuch des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes

von JOHANNES CHRISTOPHER REICHENBACH

Die Reformbemühungen rund um die CCS (Carbon Capture and Storage) Gesetzgebung sind wieder auf der Agenda, dieses Mal unter dem Stichwort des transformativen Klimaschutzrechts. Nach dem gescheiterten Entwurf der Ampel legt nun die Regierung Merz nach. Wieder flammt der Streit um CCS und Klimaschutz auf. Ein gutes Jahr nach der letzten Auseinandersetzung hier mit einer KSpG-Novelle stellt sich die Frage: Hat die Politik aus dem letzten Versuch gelernt? Oder wiederholt sich das Gesetzgebungskarussell und es heißt wieder „täglich grüßt das Murmeltier“?

CCS-Gesetzgebung – Ein Überblick

CCS ist in Deutschland bis heute nur durch das KSpG von 2012 geregelt. Das Gesetz erlaubt die Erkundung und den Betrieb von Kohlendioxidspeichern ausschließlich zu Forschungszwecken. Dies ist bis heute ein Symbol der Risikogesellschaft. Schon vor seiner Verabschiedung war der Weg dorthin steinig. Bereits 2008 entfachte eine erste Debatte, ausgelöst durch Impulse aus der Europäischen Union. Nach mehreren Entwürfen aus dem Wirtschafts- und Innenministerium sowie aus der Industrie brachte die Regierung Merkel 2009 schließlich einen gemeinsamen Entwurf ein. Er scheiterte mit dem Ende der Wahlperiode – ein Muster, dass die CCS-Gesetzgebung bis heute begleitet. Der folgende Bundestag konnte sich 2012 immerhin auf die Ermöglichung von CCS zu Forschungszwecken in Form des heute noch existierenden KSpG einigen.

Der Ampel-Entwurf als Aufbruch mit angezogener Handbremse

Die Regierung Scholz legte einen Gesetzentwurf zur Novellierung des KSpG vor, um den rechtspraktischen Stillstand bei der Anwendung von CCS zu beenden. Geplant war dabei vor allem, die Erkundung von Speicherstätten zu ermöglichen und Investitionsanreize für die Wirtschaft zu setzen. Die Speicherung sollte auf die ausschließliche Wirtschaftszone und den Festlandsockel beschränkt bleiben. Eine Onshore-Speicherung wäre jedoch erstmals über eine Opt-in-Klausel in § 2 Abs. 5 KSpTG (alt S. 8) über das jeweilige Landesrecht zulässig gewesen. Die damalige Koalition sprach von einer „pragmatischen und verantwortungsvollen Richtungsentscheidung“. Doch nach dem Koalitionsbruch und der Auflösung des Bundestages scheiterte das Vorhaben erneut am Diskontinuitätsprinzip. Für das KSpG ein Déjà-vu.

Was wir daraus gelernt haben (oder hätten können)

Zwar übte die CDU deutliche Kritik am Ampel-Vorschlag, doch zeitweise zeigte sich Merz offen, das Vorhaben mitzutragen (vorausgesetzt der damalige Bundeskanzler hätte die Vertrauensfrage früher gestellt).  Dieser mittlerweile nur noch rechtshistorische Vorschlag zeigt: Der Entwurf war grundsätzlich kompromissfähig. Es wäre damit zu erwarten gewesen, dass die damaligen Erkenntnisse aus dem begonnenen Verfahren in die neue Entwurfsfindung einfließen.

Die Hochstufung der Errichtung und des Betriebs von Kohlendioxidleitungen ins öffentliche Interesse (§ 4 Abs. 1 KSpTG (alt S. 9) wurde kontrovers aufgenommen. Dahingehend wird durch den Bundesrat entgegen einer Stellungnahme des Naturschutzrings gefordert, ein überragendes öffentliches Interesse festgestellt, um eine weitere Verfahrensbeschleunigung zu erreichen. Gleichzeitig wurde intensiv über die Gefahr eines „fossilen Lock-in-Effekts“ in der Form, dass fossile Strukturen perpetuiert werden, diskutiert. Vorgeschlagen war, § 33 KSpG durch einen § 33 Abs. 5 KSpTG (alt S. 16) zu ändern, um den Anschluss für Emissionen zu verweigern, die nach dem Stand der Technik (S.8) vermeidbar sind. Die Ausnahme, die CCS für Kohlekraftwerke ausschließt, sollte auf Gas ausgeweitet werden, da Gas-CCS ebenfalls fossile Abhängigkeiten verlängert und Ressourcen für erneuerbare Energien sowie grünen Wasserstoff bindet.

Gerade diese Debatte hätte die Grundlage bilden können, um einen neuen, tragfähigen Anlauf zu wagen und den regulatorischen Stillstand zu überwinden.

Der neue Merz-Entwurf als Rückschritt unter Modernitätsrhetorik

Die Ampel-Novelle verfolgte noch das Ziel, Kohlendioxidemissionen grundsätzlich zu vermeiden. CCS sollte nur dort eingesetzt werden, wo Emissionen technisch nur sehr schwer zu vermeiden sind. Der Bundestag war damals gut beraten, diese Ausnahme noch enger zu fassen: CCS als ultima ratio, nicht als industriepolitisches Instrument, sollte Leitmaxime der Stunde sein.

Die Regierung Merz schlägt dennoch einen anderen Kurs ein. Umweltverbände warnten früh, doch die neue Linie der Koalition weitet den technischen Einsatz massiv aus. Die Leitmaxime des Gesetzentwurfs (S. 2) lautet nicht mehr, Emissionen wo immer möglich zu vermeiden, sondern CCS zu kommerziellen Zwecken und in industriellem Maßstab zu ermöglichen. Schon der Koalitionsvertrag (S.5) kündigte an, CCS „für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors und für Gaskraftwerke“ zu öffnen. Damit wird eine Tür geöffnet, die die Ampel schon bewusst zu schließen versuchte.

Gerade die Einbeziehung der Gaskraftwerke zeigt, dass der Entwurf den normativen Zielrahmen des Klimaschutzgesetzes (§ 3 Abs. 1 und 2 KSG) verfehlt. Statt die auf Treibhausgasneutralität ausgerichtete Vorgabe wirksam umzusetzen, schafft er neue fossile Abhängigkeiten. CCS kann als rechtlich legitimiertes Instrument nur dort eingesetzt werden, wo Emissionen technisch unvermeidbar sind, etwa in der Zement-, Stahl und Abfallwirtschaft. Im Energiesektor wirkt es wie ein fossiles Trostpflaster. Der Gedanke, CCS als Brücke zu erneuerbaren Energien zu nutzen, ist angesichts der realen Kosten längst widerlegt. Der Entwurf verschiebt – de facto – Investitionen in fossile Strukturen, statt sich konsequent auf Dekarbonisierung auszurichten. Diese Vorgehensweise kollidiert ebenso mit dem staatlichen Transformationsauftrag, der sich aus dem Grundsatz des Umweltschutzes gem. Art. 20a GG sowie der durch das BVerfG im Klimabeschluss entwickelten Pflicht zur intertemporalen Freiheitssicherung durch Aufrechterhaltung eines Entwicklungsdrucks ergibt.

Aus rechtspolitischer Sicht wäre es vielmehr folgerichtig, den Schwerpunkt von einem Festhalten an fossiler Technologie weg und hin zur Infrastrukturverantwortung des Bundes zu lenken. Ein novelliertes KSpG muss demnach das Ziel verfolgen, insbesondere eine Kohlendioxid-Infrastruktur zu schaffen. Dies sollte nicht nur durch eine Namensänderung des Gesetzes (KSpTG (neu. S. 7)) erreicht werden. Der Klimawandel ist kein Projekt, das alleine durch die deutsche Brille gesehen werden sollte, sondern es ist ein Projekt, was wir sinnvoll und faktenbasiert international bestreiten sollten. Eine Umsetzung von grenzüberschreitenden Transport- und Speicherlösungen, wie „Northern Lights“ in Norwegen, sollte rechtlich wie politisch forciert werden.

Immerhin ist dahingehend ein Schritt getan, indem die Errichtung und der Betrieb von Kohlendioxidleitungen nun im überragenden öffentlichen Interesse liegen soll (§ 4 Abs. 1 KSpTG (neu S. 9)). Diese Einordnung folgt der aktuellen Linie der Gesetzgebung, wie sie bereits in § 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz angewandt wird. Dies sollte zu einer stärkeren Verfahrensbeschleunigung führen.

Ausblick

Im Sinne einer wirksamen und effizienten Kohlendioxidreduktion bleibt es Aufgabe des Bundestages, die Anwendung von CCS auf tatsächlich nach dem Stand der Technik unvermeidbare Emissionen zu beschränken. Erst dann lässt sich von einer klimapolitisch verantwortbaren Regulierungsstrategie sprechen. Der neue Novellierungsversuch darf sich nicht pauschal hinter Modebegriffen wie „Transformation“, „Innovation“ und „Resilienz“ verstecken. Er muss vielmehr ehrlich benennen, wo CCS notwendig ist und wo nicht. Nur dann ersparen wir uns als Gesellschaft die nächste Reformschleife. Sonst heißt es bald wieder: Täglich grüßt das Murmeltier.

 

Zitiervorschlag: Reichenbach, Johannes Christopher, Täglich grüßt das Murmeltier – Wieder ein Novellierungsversuch des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes, JuWissBlog Nr. 99/2025 v. 28.10.2025, https://www.juwiss.de/99-2025/

Dieses Werk ist unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 lizenziert.

CCS, Klimawandel, KSpG
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