von JAKOB KNAPP und MELIH ESMER
Ein wenig Bericht, aber vielmehr Reflexionen zum Workshop Legal:Inter:Faces: Ein „Netzwerk Quartäre Jurist:innenbildung“ als Antwort auf die Herausforderungen der Digitalgesellschaft?
Quartäre, also zusätzlich in einer anderen Disziplin aus- bzw. weitergebildete Juristen sind Außenseiter in der methodenkonservativen deutschen Rechtswissenschaft. Grund ist auch deren Status als Professionswissenschaft. Im Zuge der engen Theorie-Praxis-Verklammerung gehen (Rechts-)Wissenschaftssystem und Rechtssystem als Phänomen sozialer Wirklichkeit oft nahtlos ineinander über. Auch der im akademischen System tätige Jurist nimmt als Dogmatiker grundsätzlich eine Teilnehmer- und gerade keine Beobachterperspektive in Bezug auf das Recht ein. Zwar verfolgt auch die Rechtswissenschaft ein Erkenntnisinteresse. Allerdings fehlt es ihren Ergebnissen, aufgrund eines von der Texthermeneutik als Methode vorausgesetzten subjektiven Vorverständnisses, grundsätzlich an Reproduzierbarkeit. Das ist wohl Gemeinplatz. Das Gefühl, das einem in diesem Zusammenhang oft beschleicht: „law might be more life than science“ (so Katharina Isabel Schmidt), wird damit zwar ins Gedächtnis zurückgerufen. Die Debatte um die wissenschaftstheoretische Einordnung der Jurisprudenz soll hier aber nicht wieder aufgewärmt werden. Zielführender und interessanter scheinen – anknüpfend an die mittlerweile zehn Jahre alten Forderungen des Wissenschaftsrates nach einer „Öffnung der Rechtswissenschaft in das Wissenschaftssystem“ und der noch älteren von Nils Petersen nach einer „empirischen Wende“ – Fragen u.a. nach dem notwendigen Umfang und den Grenzen interdisziplinären Arbeitens innerhalb der Rechtswissenschaft und in diesem Zusammenhang die Fragen nach der Erforderlichkeit einer Generation quartärer Juristen sowie den durch Dynamiken der Digitalisierung hervorgerufenen neuen Herausforderungen und Chancen für eine interdisziplinär informierte Rechtswissenschaft.
Framing
Nun fanden sich kürzlich rund 25 dieser Außenseiter auf Einladung von Hanjo Hamann und Norbert Paulo im Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld (kurz ZIF) zusammen, um eben diesen Fragen nachzugehen. Auch wenn keineswegs in einer auch nur näherungsweisen Deutlichkeit geäußert, aber doch immerhin gelebt, traf man sich dort mit nicht weniger als dem hehren Ziel, Impulse für eine neue juristische Wissenschafts- und Ausbildungskultur zusammen zu tragen.
Zur Annäherung an mögliche Antworten griff man weit überwiegend auf anekdotische Evidenz zurück. Rechtfertigung für dieses Vorgehen dürfte die kleine Grundgesamtheit ernsthaft interdisziplinär arbeitender Juristen in der deutschen Rechtswissenschaft sein. In diesem Zusammenhang sollten auch autobiografische Hintergründe ausnahmsweise mit im Vordergrund stehen. Beabsichtigt war, die Werdegänge hinter juristischer Schnittstellenforschung aufzudecken, den Protagonisten also ein Gesicht zu geben. Die Aufspaltung des Begriffs Inter:Faces innerhalb des Workshoptitels ist insoweit weniger (Redaktions-)versehen als Absicht.
Quartäre Juristen – Außenseiter um des Außenseiterdaseins willen?
Den angedeuteten Außenseiterstatus belegt eine Untersuchung des Gastgebers Hanjo Hamann zu Demographie, Institutionalisierung und Lehrstuhldenomination der deutschen Zivilrechtslehre. Nur 5,2 % der Zivilrechtslehrer halten danach eine interdisziplinäre Qualifikation (AcP 221 (2021), 287, 307).
Wer aber sind diese Außenseiter und was treiben sie, wie wurden sie überhaupt zu Außenseitern und was motiviert sie, Außenseiter zu bleiben?
Wer und Was?
Die Teilnehmer bildeten das gesamte akademische Spektrum ab: Zweitstudierende, Promovierende, Postdocs, Juniorprofessoren sowie Lehrstuhlinhaber. Ebenso vielfältig sind die von ihnen gewählten Anknüpfungspunkte für ihre interdisziplinäre Forschung. Der nachfolgende Versuch einer Kartographierung ist sehr holzschnittartig und lässt die ganze Vielfalt allenfalls erahnen.
Rechtswissenschaftliche Schnittstellenforschung kann ansetzen am Kern klassischer Rechtswissenschaft als Professionswissenschaft. Quantitative Methoden können bspw. beitragen zur empirischen Fundierung der Rechtsdogmatik und der Sichtbarmachung ihrer Grenzen (wann findet ein Übergang zu konturlosen und formelhaften Topoi statt?). Exemplarisch zu nennen sind korpuslinguistische Untersuchungen zum Arbeitnehmerbegriff von Friedemann Vogel et al. sowie die Arbeiten innerhalb des Projektes „Leibniz Linguistic Research into Constitutional Law“.
Sie kann aber auch eher in der Peripherie stattfinden und fällt dann regelmäßig in den Bereich der Rechtspolitik. Bezweckt ist häufig die wissenschaftliche Fundierung oder Absicherung von Rechtssätzen. Einerseits wird untersucht, ob sich voraussichtlicher/tatsächlicher Regulierungsoutput und normative Zielvorstellung decken. Dies geschieht in großem Umfang unter der Überschrift (Behavioral) Law and Economics. Solche Ansätze können natürlich in gewissem Umfang auch schon im Rahmen der Rechtsanwendung sowie Ausbildung oder Auswahl einer Dogmatik relevant werden, nämlich bei der Frage, ob eine bestimmtes Auslegungsergebnis mit Sinn und Zweck einer Rechtsnorm oder eines Normkomplexes bzw. Rechtsinstituts vereinbar ist. Andererseits kann interdisziplinäre Forschung hier einen Beitrag zur Ermittlung der für die Entwicklung neuer oder zur kritischen Reflexion alter Rechtssätze relevanten normativen Maßstäbe liefern (vgl. auch die Empfehlungen des Wissenschaftsrates, S. 27). Ein Beispiel dafür lieferte Lando Kirchmair. Er stellte das Forschungsprojekt „Emergency-VRD„“ vor. Ein mit Virtual Reality-Technologie ausgestatteter Audi A6 wird verwendet, um moralische Dilemmata wie das Trolley-Problem zu simulieren. Dadurch sollen ethische Programmierungsoptionen automatisierter und autonomer Fahrzeuge ausgemacht werden, die Grundlage rechtlicher Regulierung sind bzw. werden sollen. Welche Relevanz die Ergebnisse solcher Studien in Zukunft haben sollen und wie sie sich zur Idee der Menschenwürde verhalten, bleibt aber offen. Sie mögen derzeitige Vignettenstudien zu eben diesen Fragestellungen aber zumindest ergänzen.
Ferner kann im Rahmen der Schnittstellenforschung auch eine holistische Beobachterperspektive auf das Recht(-ssystem) als solches eingenommen werden. Corinna Coupette und Dirk Hartung teilten bspw. ihre Vorstellung von Recht als komplexes adaptives System, welche die Referenten mathematisch zu modellieren versuchen. Dabei handelt es sich um Systeme, die aus einer Vielzahl von Elementen (hier: Institutionen wie Gerichte und Parlament; einzelnen Akteuren wie Richter, Anwälten, Verwaltungs- und Ministerialbeamten; Normen und übergeordneten Prinzipien; Instrumenten wie Urteilen und Regulierung) bestehen, welche miteinander interagieren (hier: Verhandlungen, Gerichtsprozesse und Gesetzgebungsverfahren) und durch Rückkopplungsmechanismen (hier: Rechtsmittel und -behelfe sowie Normenkontroll- und Vorlageverfahren) voneinander lernen und sich adaptieren. Eine zentrale Steuerungseinheit existiert nicht, vielmehr bilden sich auf den unterschiedlichen mikroskopischen Ebenen Prozesse der Selbstorganisation aus. Geringfügige Änderungen in der Netzwerkstruktur können zu Kaskadeneffekten im gesamten System führen. Methodische Zugänge zur Erforschung bilden hier insbesondere die juristische Netzwerkforschung und Legal Data Science.
Wie?
Serendipität und Kontingenz ließen sich als Konstanten in den Lebensläufen der Teilnehmer ausmachen. Stets gepaart mit Momenten der Eigeninitiative, wie den Besuch fachfremder Seminare, initiativer Bewerbungen oder Auslandsaufenthalten, die den Stein ins Rollen gebracht haben; ungewiss war jedoch immer und bleibt, wo er wieder zur Ruhe kommt.
Warum?
Schnell kristallisierte sich heraus: Es bedarf einigen Mutes und Eigenengagements zum Aufbau weiterer Expertise, und es ist im Ergebnis eine selbst zu tragende (Hoch-)Risikoentscheidung für die eigene Karriere. Eine Institutionalisierung ernstzunehmender Weiterbildungsangebote hat bislang nur in wenigen Fällen stattgefunden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang wohl die Max-Planck-Institute mit rechtswissenschaftlichen Schwerpunkten. Darüber hinaus findet eine Anerkennung durch die Fakultäten derzeit selten statt. Karriereoptionen ergeben sich weniger wegen, sondern vielmehr trotz interdisziplinärer Ausrichtung.
Es müssen also andere Beweggründe existieren. Pascal Langenbach räumte ein: „irgendwann gefällt man sich einfach selbst in der Außenseiterrolle“. Kämpft der Außenseiter aber als edler Ritter für eine gute Sache oder doch nur gegen Windmühlen? Dies ist abhängig von der Richtigkeit der zu Grunde gelegten Prämisse, es brauche quartär ausgebildete Juristen, die eigenständig ernstzunehmende interdisziplinäre Forschung betreiben. Wäre eine ideale Welt womöglich eine Welt perfekter Arbeitsteilung: Der Jurist würde eine Frage aufwerfen, dessen Beantwortung er einfach der einschlägigen Disziplin auftrüge, dessen Ergebnisse er dann schlicht rezipiere.
In der Realität stößt man aber schnell auf unüberwindbare Hürden aufgrund unterschiedlicher Sprachspiele, mangelnden Interesses anderer Disziplinen an aufgeworfenen Fragestellungen und fehlender Sensibilität anderer Disziplinen für die feinen Irrungen und Wirrungen des Rechts. Exemplarisch: Vier Wirtschaftswissenschaftler entwickelten im Rahmen einer Untersuchung von Zusammenhängen zwischen der Ausprägung von Kapitalmärkten und der Qualität von Rechtsordnungen, insb. mit Blick auf den Aktionärsschutz, den sog. „antidirector rights index“. Der Index wurde zur Grundlage hunderter empirischer Arbeiten. Die getroffenen rechtlichen Annahmen vereinfachten aber zu stark oder waren fehlerhaft. Erst eine in der Sprache der Finanzökonometrie formulierte Replik des Gesellschaftsrechtlers Holger Spamann deckte diese Fehler und Ungenauigkeiten auf und zeigte, dass erzielte Ergebnisse nach der Korrektur regelmäßig nicht replizierbar und abgeleitete Thesen nicht haltbar sind.
Darüber hinaus erfordert aber meist schon die schlichte Rezeption von Forschung anderer Disziplinen zwingend ein vertieftes Verständnis, um implizit getroffene Wertentscheidungen und biases zu erkennen.
Abgrenzung vom interdisziplinär experimentierenden Vulgärjuristen
Was ist aber mit den von den rechtswissenschaftlichen Fakultäten vorgehaltenen sog. Grundlagenprofessuren, findet hier nicht bereits interdisziplinäre Arbeit statt? Grundlagenprofessuren übernehmen nach wohl allgemeiner Wahrnehmung eine eher dienende Funktion. Was wohl auch in den Juristenausbildungsgesetzen angelegt ist: „Die Prüfung soll zeigen, dass der Prüfling das Recht mit Verständnis erfassen und anwenden kann und über die hierzu erforderlichen (…) philosophischen, insbesondere auch ethischen, geschichtlichen, psychologischen und gesellschaftlichen Grundlagen verfügt“ (exemplarisch § 2 Abs. 2 JAG NRW). Von praktischen Fragen der Rechtsanwendung entkoppelte Grundlagenprofessuren sind daher die Ausnahme. Entsprechend kritisiert Thomas Gutmann: „man tanzt permanent auf zwei Hochzeiten zugleich“. Dies führe dazu, dass Forschung in der Bezugsdisziplin häufig eher hobbymäßig nebenbei – gewissermaßen im Safe Space – betrieben werde und dort im Ergebnis nicht anschlussfähig sei. Eine Sonderstellung räumte er allerdings den Rechtshistorikern ein.
Das hehre Ziel: Impulse für eine neue juristische Wissenschafts- und Ausbildungskultur
Zur Rolle der Digitalisierung
Zwar räumte direkt zu Beginn Katharina Isabel Schmidt mit der Vorstellung auf, der Ruf nach mehr Interdisziplinarität in der Rechtswissenschaft sei neu und ausgelöst durch die Digitalisierung. Die Frage nach einem Zu-Eigen-Machen des Wirklichkeitswissens anderer Disziplinen, also nach einem interdisziplinären Austausch, stelle sich die Jurisprudenz seit mindestens 110 Jahren; mit Gründung der deutschen Freirechtsschule. Dessen Anhänger seien getrieben gewesen von der Sorge, dass das Recht hinter dem Leben zurückfällt.
Trotzdem einigte man sich im Verlauf des Workshops darauf, dass die Digitalisierung zumindest neue Dynamiken bereithielte. Immerhin ist sie selbst eine höchst regulierungsrelevante, aber ohne Perspektivenvielfalt auch schwer zu erfassende Querschnittsmaterie. Vielmehr noch eröffnet sie aber neue, insbesondere datengetriebene Forschungsmethoden: „Law as Data“.
Ausbildung und Lehre: Brauchen wir eine MIT School of Law?
Diese Dynamiken hätten den typischen Jurastudenten bislang aber nicht ereilt, konstatierte Michael Beurskens auf Basis eigener Umfrageergebnisse. Schon einfachste digitale Hilfsmittel würden von Studenten nicht genutzt. Dies habe dann später zur Folge, dass juristische Arbeitskraft vielfach fehlalloziert sei. Ob eine Aufnahme in die Liste der zu erwerbenden Schlüsselqualifikationen durch den Landesgesetzgeber (exemplarisch § 7 Abs. 2 JAG NRW) daran etwas ändert, dürfe bezweifelt werden. Schließlich bleibe der NRW-Landesgesetzgeber schon einer Erklärung darüber schuldig, was Inhalt einer „digitalen Kompetenz“ sein solle und wie sie sich zu einer etwaigen „analogen“ Kompetenz verhielte.
Auch interdisziplinäre Arbeit findet im Jurastudium praktisch kaum Platz. Sobald sich entsprechende individuelle Interessen des Studenten zu entwickeln beginnen, lässt die Examensvorbereitung oft keinen Raum mehr, um diese auszuleben. Trotz dieser Realität, an der in näherer Zukunft wohl kein Weg vorbeiführen wird, wurde die Integration interdisziplinärer Methoden in das Curriculum weitgehend befürwortet. Als taugliche Anknüpfungspunkte wurden vielfach der universitäre Schwerpunktbereich oder integrierte Bachelormodule ausgemacht. Der dort derzeit vielfach gelehrte „hochspezialisierte Sondermüll“, so Thomas Gutmann, könne gleichermaßen oder gar besser im Rahmen der anschließenden praktischen Ausbildung vermittelt werden, wodurch zugleich neue Ressourcen für angemessen ausgestattete reine Grundlagenprofessuren frei würden.
Dennoch riefen einige in Erinnerung, dass es nicht um die Ausbildung interdisziplinärer Eliten gehen könne, vielmehr müsse auch hier das richtige Maß interdisziplinär informierter juristischer Ausbildung gefunden werden. Entscheidend sei die Schulung von Fähigkeiten zur fächerübergreifenden Kollaboration bzw. Entwicklung einer gemeinsamen Sprache, bspw. durch fakultätsübergreifende Projektarbeit in Kleingruppen und Seminaren. Dies biete auch einen entscheidenden Vorteil im Rahmen der zukünftigen, praktischen Tätigkeit: Es erleichtere schließlich die Erfassung komplexer Lebenssachverhalte.
Der Ausbau und die wissenschaftliche Fundierung dieser Kompetenzen ist dann eine Frage der persönlichen Präferenzen. Hier sollten die juristischen Fakultäten mehr Freiheiten schaffen; die Öffnung für kumulative Qualifikationsarbeiten könnte ein erster Schritt sein. In diesem Rahmen könnte interdisziplinäre Arbeit auch durch die Anerkennung von Publikationen in anderen Disziplinen sowie von Mehrfachautorenschaften gefördert werden.
Forschungs- und Publikationsinfrastruktur: Nowhere to go?
Getrieben von der Suche nach einer „Heimat“ für die eigene Forschung (Computational Legal Studies und Legal Data Science) ging Corinna Coupette der Frage nach, welche Publikationskultur eine digital arbeitende Rechtswissenschaft benötigt.
Nachdem sie zunächst die Unterschiede in Aufbau und Struktur von Veröffentlichungen ihrer eigenen Forschung (Code und Daten angereichert mit Tabellen, Abbildungen und interpretierendem Text) gegenüber klassischen rechtswissenschaftlichen Publikationen (Text angereichert mit Fußnoten) visualisierte, erörterte sie Anforderungen an eine neue Publikationsinfrastruktur: (i) Digital First, (ii) ordentliche Qualitätskontrolle durch rigorosen Reviewprozess und (iii) Transparenz des gesamten Workflows, um Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit zu gewährleisten. Über den Forderungen schwebt die Idee von einer Open Science Kultur auch in der Rechtswissenschaft. Entsprechende Bestrebungen stecken derzeit aber in den Kinderschuhen und gehen über vereinzelte, aber zunehmende Open Access Initiativen kaum hinaus.
Ein weiterer Anhänger der Open Science Idee ist Seán Fobbe. Durch Veröffentlichung seiner von ihm verwendeten Forschungsdaten (Urteile) zu möglichst offenen Lizenzen in dem digitalen Repositorium Zenodo versucht er, einen persönlichen Beitrag zum Kampf gegen die von ihm (erneut) ausgerufene „Replication Crisis“ in der quantitativen Rechtswissenschaft zu leisten. Ferner plädierte Fobbe dafür, durch Formen des Literate Programming den Zugang zur Fachcommunity auch für interessierte, aber unerfahrene Neueinsteiger möglichst niedrigschwellig zu gestalten.
Kann das jetzt also weg oder nicht?
Die hier ausschnittsweise präsentierten Forschungsansätze und -methoden halten nicht nur eine Menge neuer wertvoller Erkenntnisse für die dogmatische Rechtswissenschaft bereit. Sie haben auch eine neue Kunstform hervorgebracht, die sog. Legal Data Art. Und was Kunst hervorbringt, das gehört wohl auf keinen Fall weg, sondern vielmehr gefördert.
Abb. 1-3: Verschiedene Gesetzbücher (BGB, ZPO, UrhG) als Graphen modelliert aus Coupette/Hartung, Ausstellung „Legal Data Art 2022“, Bucerius Law School.
Auch die Community der Außenseiter selbst muss dazu ihren Beitrag leisten. Es darf nicht nur nach Schuld bei den vermeintlichen Entscheidungsträgern gesucht werden. Sie hat für Sichtbarkeit beim Nachwuchs Sorge zu tragen. Beispielsweise könnte ein zukünftiges Netzwerk Legal:Inter:Faces Veranstaltungen organisieren und die Vielgestaltigkeit der Rechtswissenschaft abbilden, indem Informationen zu relevanten Persönlichkeiten gebündelt auf einer Webseite im Internet hinterlegt werden und eine Übersicht über eingängliche Texte zu unterschiedlichen interdisziplinären Ansätzen erstellt wird. Vielleicht kann eine stärkere Sichtbarkeit in Zukunft auch dazu beitragen, dass eine Reflexion der eigenen Disziplin im Studium vermehrt Platz findet, was aktuell – vielleicht auch des Selbstschutzes wegen – zu unterbleiben scheint.
Zitiervorschlag: Knapp, Jakob/Esmer, Melih, Ist das (Rechts-)Wissenschaft; oder kann das weg?, JuWissBlog Nr. 62/2022 v. 04.11.2022, https://www.juwiss.de/62-2022/.
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