Refugee Law Clinic Köln

im Interview für die RLC MAXIMILIAN OEHL

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Dieser Beitrag ist Bestandteil der Interviewreihe „Refugee Law Clinics: soziales Engagement als praktische Kritik an der universitären Juristenausbildung?“.

Ihr habt in diesem Jahr beim Deutschen Engagementpreis den fünften Platz belegt. Das muss großartig sein, zu sehen, dass eine Idee, die als kleine studentische Initiative gestartet ist auf einmal so viel positive Aufmerksamkeit erfährt. Rechtswissenschaftliche Fakultäten und Jurastudierende sind nicht unbedingt dafür bekannt, sich aktiv und erfolgreich in zivilgesellschaftliche Belange einzumischen. Erfahrungen mit der eignen Selbstwirksamkeit werden im Studium häufig nicht gefördert und die Studierenden werden noch zu oft in eine passiv-rezipierende Rolle gezwängt, obwohl sie offensichtlich auf professionellem Niveau so gute Projekte wie eine Law Clinic gestalten können. Ist es an der Zeit, den Studierenden im Studium mehr solcher Freiräume zu schaffen und welche Rolle kommt oder käme den Professor*innen bei einem solchen Ansatz zu?

Nach unserer eigenen Erfahrung herrscht bei vielen Jura-Studierenden das Bedürfnis, das theoretisch Erlernte bereits zu Zeiten des Studiums auch praktisch anzuwenden. Allzu oft bleibt das, was im Hörsaal vermittelt werden soll, lebensferne Materie, bei dem der A mit dem B kontrahiert oder der X den Y bestiehlt. Ein Großteil der Studierenden, darunter viele, die sich auch in der RLCC engagieren, hat das Jura-Studium jedoch durchaus aus sehr idealistischen bzw. pragmatischen Gründen aufgenommen – etwas, das sich in diesem Falle nicht ausschließt. Viele wollen die Gesellschaft, in der sie leben, mitgestalten und daher die „Sprache“ des Rechts lernen – um strukturelle Veränderungen im Rechtsstaat richtig artikulieren und somit systemgerecht anstoßen zu können. Vor diesem Hintergrund würden die Universitäten mit der Schaffung der angesprochenen Freiräume letztlich eine ungemeine Nachfrage befriedigen und zugleich dafür sorgen, dass das Streben nach gesellschaftlichem Engagement weiter angeregt wird. Die Universität stellt so ihren gesellschaftlichen Auftrag auf eine noch sehr viel breitere Basis: sie bereichert die Gesellschaft neben Wissensvermittlung und Forschung auch mit gelebtem Engagement. Entsprechend wären Professor*innen als Motivatoren, Anleiter und Berater des studentischen Engagements gefragt. Je mehr es ihnen gelänge, diese Zielsetzung auch in Forschung und Lehre zu verfolgen, desto größer wäre der Mehrwert nicht nur für die universitäre Gemeinschaft, sondern auch für die Adressaten des Engagements.

Euer Konzept legt sehr viel Wert auf die Förderung von Schlüsselqualifikationen. Viele juristische Fakultäten fördern nach wie vor Schlüsselqualifikationen lediglich punktuell in Blockkursen oder jedenfalls nur sehr kurzfristig und bieten diese Kurse in der Regel additiv also neben dem regulären Curriculum an. Könnt Ihr den Mehrwert beschreiben, den ihr in einer langen und kontinuierlichen Förderung der Qualifikationen seht in Verbindung mit einem bestimmten Rechtsgebiet und könnt Ihr auch beschreiben, welche Effekte diese Förderung auf die teilnehmenden Studierenden haben?

Es ist richtig, dass wir – dank der Kooperation mit dem Prüfungsamt der Juristischen Fakultät in Köln – für die Teilnehmer unserer Vorlesung, welche sich danach auch in der Beratung engagieren, einen sog. Schlüsselqualifikationsschein anbieten können, welcher nach der Prüfungsordnung obligatorisch ist. Im Hinblick auf diese universitäre Qualifikation freuen wir uns, dass die Tätigkeit der RLCC auch auf gewisse Weise in das Curriculum der Universität eingegliedert ist. Mittelfristig würden wir uns jedoch freuen, wenn sich diese Verbindung noch weiter intensivierte. Im Idealfall könnten unsere Berater dann im Zuge ihres Engagements auch „anrechenbare“ Studienleistungen erbringen. Schlüsselqualifikationen im Sinne von sog. soft skills sind freilich für unseren Beratungsalltag extrem wichtig. Der Umgang mit den Mandanten erfordert eine bewusste, wache Geisteshaltung und Sensibilität für zwischenmenschliche Dynamiken und Emotionen. Allgemeine Aussagen hinsichtlich der „Effekte“, die eine Beratungstätigkeit in der RLCC auf die Berater hat, sind als solche schwierig zu treffen, da diese regelmäßig von einem sehr subjektiven Erleben begleitet sein werden. Grundsätzlich kann man jedoch davon ausgehen, dass die Beratungsarbeit mit Menschen aus fremden Kulturen den eigenen Horizont erheblich weitet und insbesondere Kommunikationsfähigkeiten schult – nicht nur im rational-sprachlichen, sondern gerade auch im emotionalen Bereich.

Ihr habt viele Kooperationspartner*innen beziehungsweise Unterstützer*innen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Ihnen und müsst Ihr viel Überzeugungsarbeit leisten, um beispielsweise die Anwält*innen in das Projekt einzubinden? Entstehen aus der Zusammenarbeit der Praktiker*innen und der anderen Kooperationspartner*innen mit den Studierenden auch weitergehende berufliche Chancen für die Studierenden, die Ihr mit Beispielen unterfüttern könnt?

Grundsätzlich brauchte es wenig Überzeugungsarbeit, um Anwälte, Professoren und andere Volljuristen für unsere Tätigkeit zu begeistern. Viele freuten sich, auf diese Art und Weise an dem Projekt beteiligt zu sein und sahen es als eine Art späte „Wiedergutmachung“ dafür an, dass ein vergleichbares Engagement zu ihrer Studienzeit an der Universität noch nicht vorzufinden war. Die Zusammenarbeit mit den einzelnen Beiräten läuft sehr unterschiedlich, wobei wir uns jedoch an unserem „Beiratskonzept“ orientieren, welches insbesondere die „Anleitung“ nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz sicherstellt. Hierzu gehören regelmäßige Konsultationen mit dem Beirat, Schulungsveranstaltungen, Supervisionstreffen u.v.m. Viele unserer aktuellen und ehemaligen Berater absolvieren Praktika oder Referendarstationen in den Kanzleien unserer anwaltlichen Beiratsmitglieder, nicht wenige streben nach dem Ende ihrer juristischen Ausbildung selbst eine Tätigkeit im Migrationsrecht an. Und auch jene, die sich später in eine ganz andere inhaltliche bzw. wissenschaftliche Richtung entwickeln wollen, haben durch ihre Tätigkeit bei der RLCC jedenfalls entscheidende Praxiserfahrungen gewonnen, die ihnen sicherlich auch im Berufsleben zugute kommen werden.

Seht ihr im Modell der Law Clinics ein Konzept, das auch auf andere Rechtsgebiete ausgeweitet und regulär in den Studienalltag aller Studierenden integriert werden sollte? Seht Ihr hier ganz besondere Chancen oder gibt es bestimmte Risiken, die gegen eine solche Generalisierung sprechen?

Unserer Ansicht nach ist das Bestreben, das Studium praxisorientierter zu gestalten, zu begrüßen. Law Clinics können hierbei ein wichtiger Bestandteil sein und den Studierenden die eigentliche juristische Tätigkeit lebensnah vermitteln. Insofern muss das Konzept nicht auf das Migrationsrecht beschränkt bleiben, was die zahlreichen Beispiele etwa von zivilrechtlich ausgerichteten studentischen Rechtsberatungen verdeutlichen. Für uns als Refugee Law Clinic steht besonders im Vordergrund, unsere Beratung Menschen anzubieten, die anderweitige keinen bzw. nur einen sehr beschränkten Zugang zu Rechtsdienstleistungen haben und sich darüber hinaus in einer herausfordernden persönlichen Situation befinden. Für uns ist es insofern wichtig, einen gesellschaftlichen Beitrag gerade dort zu leisten, wo er besonders gebraucht wird. Dieser Aspekt sollte bei der Konzipierung einer Law Clinic berücksichtigt werden – ansonsten besteht die Gefahr, lediglich ein kostenloses Konkurrenzprojekt zu bestehenden professionellen Rechtsberatern zu werden. An dieser Stelle darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass es letztlich auch das Ziel einer RLC nur sein kann, sich selbst überflüssig zu machen. Denn grundsätzlich sollte der Rechtsstaat allen ihm unterworfenen Subjekten die Möglichkeit an die Hand geben, sich effektiv für die Wahrung eigener Rechte einzusetzen. Dies erfordert gerade bei Menschen aus fremden Kulturen die fachmännische Beratung durch einen Rechtskundigen vor Ort. Die Lücke, die aus dem Mangel einer entsprechenden Finanzierung seitens des Staates entsteht, zu schließen ist insofern eine der zentralen Zielsetzungen der RLCC.

Kontakt zur Refugee Law Clinic Köln: info@lawcliniccologne.com

 

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