im Interview für die Law Clinic CAROLIN MÜLLER, LAURA THIMM-BRAUN, LISA SCHERER
Dieser Beitrag ist Bestandteil der Interviewreihe „Refugee Law Clinics: soziales Engagement als praktische Kritik an der universitären Juristenausbildung?“.
Euer Projekt ist umfassend interdisziplinär aufgestellt. Das gilt in personeller wie in fachlicher Hinsicht. Neben Jurastudierenden arbeiten auch Studierende aus anderen Fachrichtungen und Praktiker*innen mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen im Projekt mit. Welche Vorteile bringt so ein Patch-Work-Team für ein Projekt wie Eure Refugee Law Clinic? Welches Fachwissen bündelt sich bei Euch und wie macht Ihr das fruchtbar? Können gerade Studierende der Rechtswissenschaften durch den breiten personellen Zuschnitt auch etwas für Ihre spätere Praxis lernen?
Das vorrangige Ziel unserer interdisziplinären Ausrichtung ist es, allen Interessierten die Möglichkeit zu geben an der RLCL mitzuwirken. Alle die Lust haben, sollen die Möglichkeit bekommen mitzugestalten und sich für Geflüchtete zu engagieren. Mit unserer Arbeit wollen wir bereits tätige engagierte Leuten in diesem Bereich durch rechtlichen Input unterstützen und junge Menschen motivieren sich zu engagieren – das ist selten abhängig von der Fachrichtung, sondern vielmehr von der Einstellung.
Der tolle Nebeneffekt: Die Diversität unserer individuellen fachlichen Hintergründe bringt vor allem in der Vereinsarbeit viele verschiedene Ideen zusammen und gibt den mitwirkenden Jurastudierenden die Möglichkeit sich mit anderen Sichtweisen und Perspektiven einer Fragestellung auseinanderzusetzen. Zudem fördert der Austausch Flexibilität, Konfliktlösungsfähigkeiten und die Arbeit im Team, soft skills also, für die in der juristischen Ausbildung zwischen Vorlesungen, Arbeitskollegs und Bibliothek sonst kein Entfaltungsraum bleibt.
Die Flüchtlingsarbeit soll jedoch nicht als eine Spielwiese für angehende Juristen missbraucht werden – vor allem ist das Asylrecht nicht dafür prädestiniert, später damit viel Geld zu verdienen. Auch wenn sich angehende Juristinnen und Juristen Kenntnisse der praktischen Fallbearbeitungen durch die ehrenamtliche Rechtsberatung aneignen können: Rechtsberatung für Geflüchtete ist und bleibt ein Engagement aus Überzeugung.
Die Studierenden werden bei Euch zunächst ein Jahr lang ausgebildet, bevor sie beraten dürfen. Das wird inzwischen in den meisten Refugee Law Clinics so gehandhabt. Aber selbst wenn die Berater*innen, die bei Euch auch zur Hälfte keine Jurist*innen sind die Ausbildung durchlaufen haben, sehen sie sich mit der Aufgabe konfrontiert ihr Wissen immer wieder zu aktualisieren. Wie motiviert Ihr die Berater*innen dazu, diese autodidaktische Aufgabe neben ihren vielen anderen Aufgaben zu meistern und welche Unterstützung stellt Ihr zur Verfügung damit der autodidaktische Prozess am Laufen gehalten wird?
Unsere Beratung startete im April dieses Jahres. Daher ist die Problematik noch sehr neu. Um die Berater*innen bei dieser “autodidaktischen” Aufgabe zu unterstützen, organisieren wir Fortbildungen und Vorträge. Am 27.11.2015 fand in größerem Rahmen eine Veranstaltung zum Dublin-Verfahren statt. So können Berater*innen und Auszubildende sich weiterbilden, offene Fragen klären und bzgl. der aktuellen Gesetzesänderungen auf dem Laufenden bleiben. Durch Fördermittel sind wir zudem in der Lage Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen im Bereich Asyl- und Migrationsrecht für Fortbildungsvorträge zu gewinnen.
Nicht zu unterschätzen ist jedoch das Motivationsmoment unserer Mitglieder in Sachen Fort- und Weiterbildung durch die Beratungstätigkeit selbst: Je mehr man sich an Wissen und Kenntnisse aneignet, desto erfolgreicher kann unsere ehrenamtliche Rechtsauskunft den Betroffenen helfen. Und damit das nicht jeder für sich selbst tun muss, treffen sich die Berater*innen dreier Initiativen in Leipzig aller zwei Wochen zu “Austausch”-Plenen, in denen aktuelle Fälle und ihre Problematiken besprochen werden.
Euer Beratungsangebot ist jetzt schon sehr umfassend. Ihr beratet nicht nur in verschiedenen Erstaufnahme- und Gemeinschaftsunterkünften, sondern haltet – auf Anfrage – auch Vorträge/ Workshops vor Praktiker/innen und Interessierten der Gemeinde – und Sozialarbeit. Durch euer Ausbildungsprogramm schult ihr zudem engagierte Menschen aus anderen Initiativen im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Bei Euch herrscht also rege Betriebsamkeit.
Gerade eben habt Ihr das Ankommer. Perspektive Deutschland-Stipendium erhalten. Zeichnet sich hier eine ganz neue Karrierechance für Studierende ab – von der studentischen Beratung hin zum sozialen Unternehmen –und könntet Ihr Euch so etwas für Euch vorstellen? Immerhin habt Ihr schon einige Pläne in der Tasche, wie Ihr Euer Angebot noch ausweiten könnt.
Durch das Stipendium könnte es wirklich den Anschein machen, dass wir uns zu einem kleinen “Unternehmen” entwickeln. Darum geht uns aber gerade nicht. Wir verfolgen keine wirtschaftlichen Eigenzwecke. Das wird besonders an unserer gemeinnützigen Vereinssatzung deutlich. Auch dient die Refugee Law Clinic Leipzig nicht dazu, den Studierenden besondere Karrierechancen in Aussicht zu stellen.
Aber wir freuen uns natürlich über die Expertise, die mit der Kooperation des Social Impact Lab Leipzig durch unsere „Ankommerstipendium“ einhergeht und über die Möglichkeit, uns in vielen Bereichen weiterentwickeln und unsere Arbeit professionalisieren zu können. Vor allem durch eine verbesserte Organisation möchten wir uns in das national bestehende Law Clinic Network einbringen und dieses mit gemeinsamer Kraft und Engagement weiter vorantreiben.
Zudem ist es uns durch die Teilnahme am Projekt „Ankommer. Perspektive Deutschland“ perspektivisch möglich, unser Ausbildungsprogramm auf die Arbeitsmarktzugangs- und der Anerkennungsberatung ausweiten sowie ein Sprachmittler-Ausbildungsprogramm auf die Beine stellen.
Ziel ist es zum einen, die Qualität unseres Beratungsangebotes noch weiter zu verbessern und Geflüchteten damit eine bessere und schnellere Integration in unsere Gesellschaft zu ermöglichen. Zum anderen möchten wir unseren Sprachmittelnden, die uns bei unserer Arbeit unterstützen und dadurch oftmals eine Beratung erst möglich machen, besser auf ihren Einsatz vorbereiten und langfristig eine angemessene finanzielle Aufwandsentschädigung ermöglichen.
Die Refugee Law Clinic Leipzig bleibt somit auch langfristig ein gemeinnütziges Projekt – bietet jedoch jungen Jurist*innen eine großartige Vernetzungsmöglichkeit mit sozialen Unternehmungen für die spätere Karriere über das reine Ehrenamt hinaus.
Seht ihr im Modell der Law Clinics ein Konzept, das auch auf andere Rechtsgebiete ausgeweitet und regulär in den Studienalltag aller Studierenden integriert werden sollte? Seht Ihr hier ganz besondere Chancen oder gibt es bestimmte Risiken, die gegen eine solche Generalisierung sprechen?
Es bestehen bereits einige Legal Clinics auf anderen Rechtsgebieten. Diese sind oft noch mehr in den Studienalltag integriert, da sie – besonders im Mietrecht & Arbeitsrecht – Rechtsgebiete abdecken, die auch in jedem juristischen Studium abgedeckt werden. Der Wissenszugang ist folglich jeder*m offen. Demnach können vor allem angehende Jurist*innen mittels der Legal Clinic ihr rechtliches Wissen vertiefen und sich in Beratungssituationen üben.
Es ist jedoch nicht zu vergessen, dass die kostenlose Rechtsberatung für bedürftige Personenkreise Aufgabe des Staates ist und nicht durch ehrenamtliche Arbeit junger Menschen ersetzt werden darf. Durch das Phänomen der Legal Clinic – besonders Refugee Law Clinic – wird auf diesen Mangel aufmerksam gemacht. Wir wollen mit unserer Arbeit eine rechtliche Lücke schließen, die der Staat in unsere Gesellschaft entstehen lassen hat, aber unsere Forderung ist die Realisierung der nach europäischer Verfahrensrichtlinie gewährleisteten staatlichen kostenlosen Rechtsberatung für Geflüchtete.
Kontakt zur Refugee Law Clinic Leipzig: refugeelawclinic@uni-leipzig.de