von MARIA WERSIG
Geschlechtsneutral formulierte Gesetzestexte sind inzwischen selbstverständlich Standard. Trotzdem kommen Sozialleistungen für Eltern nicht ohne Vorstellungen darüber aus, wie eine Familie aussieht und wie Eltern sich die Sorgearbeit teilen bzw. teilen sollten. Während in der sozialen Wirklichkeit die Hauptzuständigkeit für die Betreuung nach der Geburt bei der Mutter liegt, adressiert das Elterngeld seit seiner Einführung im Jahr 2007 auch Partner*innen (in der Regel Väter) und strebt Veränderungen dieser sozialen Wirklichkeit an.
Vor kurzem wurden im Bundestag nun erneut Änderungen beim Elterngeld beschlossen, die die Verhältnisse zum Tanzen bringen sollen (die Neuregelungen gelten für Geburten ab dem 1.7.2015). Das „Elterngeld Plus“ verändert die bisherigen Regeln des Teilelterngeldbezuges und gewährt bei einer „partnerschaftlichen Aufteilung“ der Betreuungs- und Erwerbsarbeit zwischen „Vätern und Müttern“ einen „Partnerschaftsbonus“ in Form von zusätzlichen Monaten des Leistungsbezuges. Grund genug, sich zu fragen, wie sich dieses neue gesetzgeberische Ziel der „Partnerschaftlichkeit“ in die bisherige Leistungssystematik einfügt und welche Leitbilder und Familienmodelle dem Elterngeld zugrunde liegen.
Leitbilder und Realität des Elterngeldes bisher
Das im Jahr 2007 eingeführte Elterngeld war ein Kompromisspaket, das sich an zwei sehr unterschiedlichen Familientypen orientierte: dem beruflich integrierten Arbeitnehmer*innenpaar und der traditionellen Einverdienerehe. Beide profitierten von dem neuen Modell gegenüber dem Bundeserziehungsgeld in starkem Maße, während arbeitslose Eltern oder Eltern in Ausbildung weiterhin deutlich schlechter stehen. Das Elterngeld ist eine Lohnersatzleistung mit einem Mindestbetrag von 300 Euro. Es wird für maximal 14 (statt vorher 24) Monate gezahlt und seit 2011 beim Bezug von Leistungen nach dem SGB II voll angerechnet (von 2007 bis einschließlich 2010 war der Mindestbetrag von 300 Euro anrechnungsfrei).
Gleichzeitig hielt der Gesetzgeber am Modell der zeitweiligen vollen Erwerbsunterbrechung eines Elternteiles bzw. beider Elternteile nacheinander fest. Der unausgesprochene Regelfall ist, dass die Mutter zwölf Monate betreut und der Partner/die Partnerin dann ggf. noch zwei Monate hinzufügt. Einem Elternteil stehen maximal zwölf Monate Elterngeld zu.Hinzu kommen die sogenannten Partnermonate, zwei zusätzliche Monate Elterngeldbezug, die verfallen, wenn nicht der andere Elternteil sie in Anspruch nimmt, § 4 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 1 BEEG (diese Regelung ist allerdings beschränkt auf Eltern, von denen zumindest eine Person eine Erwerbstätigkeit ausübt).
Bei der Einführung des Elterngeldes warb eine große Plakatkampagne der Bundesregierung mit dem Motiv „Krabbeln lerne ich bei Mama, laufen dann bei Papa“. Zwar können Eltern das Elterngeld auch gleichzeitig beziehen oder auch gleichzeitig in Teilzeit arbeiten und Elterngeld beziehen. Diese Option war bisher aber finanziell besonders unattraktiv, denn bei gleichzeitiger Teilzeitarbeit und Betreuungstätigkeit beider Eltern endete der Elterngeldanspruch bereits nach sieben Monaten. Damit hatten die Eltern im Ergebnis weniger Geld als bei sukzessiver Elternzeit ohne Teilzeitarbeit. Die verkürzte Bezugsdauer (gegenüber dem Bundeserziehungsgeld) des Elterngeldes wurde mit der Notwendigkeit der Förderung eines schnellen Wiedereinstiegs in den Beruf begründet, weil lange Erwerbsunterbrechungen Nachteile für Mütter im Berufsleben bedeuten.
Gleichzeitig wurde mit dem Betreuungsgeld eine Geldleistung für diejenigen Eltern eingeführt, die auf die Inanspruchnahme einer öffentlich geförderten Betreuungseinrichtung (bzw. Tagespflege) verzichten. Das Betreuungsgeld wurde damit begründet, dass es Anerkennung und Unterstützung der Erziehungsleistung von Eltern bezwecke und eine „Förderlücke“ der Unterstützung der ausschließlich privaten Betreuung im Kleinkindalter schließe. Da auch das Betreuungsgeld beim Bezug von Leistungen nach dem SGB II angerechnet wird, ist die gezollte Anerkennung für diese Familien zumindest nicht durch einen Einkommenszuwachs spürbar. Auch das Betreuungsgeld kommt demnach Einverdienstfamilien und Zweiverdienstfamilien zugute, die die Betreuung privat organisieren können.
Im Ergebnis sind Elterngeld und Betreuungsgeld Leistungen, die sich an sehr heterogene Adressatenkreise wenden, sie werden auch mit zum Teil gegenläufigen Zielen begründet. Während das Elterngeld im politischen Diskurs mit der Notwendigkeit der Steigerung der Geburtenrate, der finanziellen Absicherung von Eltern nach der Familiengründung sowie dem beruflichen Wiedereinstieg begründet wurde, soll das Betreuungsgeld die Eltern unterstützen, die eine staatlich geförderte Betreuungsleistung nicht in Anspruch nehmen. Viel bleibt unausgesprochen: Das „12+2-Monate“ Modell kann natürlich auch anders aufgeteilt werden, eine Gleichverteilung der Elterngeldmonate als gesetzlicher Regelfall oder auch nur eine Ausweitung der Partnermonate scheint im derzeitigen politischen Diskurs undenkbar.
Das traditionelle Modell erfreut sich bei den Elterngeldbeziehenden großer Beliebtheit – Mütter beziehen in neun von zehn Fällen das Elterngeld für zwölf Monate, 77 Prozent der Väter, die das Elterngeld in Anspruch nehmen, tun dies für die zwei Monate, die sonst verfallen. Beim Betreuungsgeld ist gerade nicht die Nichterwerbstätigkeit Voraussetzung für den Bezug der Leistung, in der sozialen Wirklichkeit sind aber Auswirkungen auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern wahrscheinlich.
„Elterngeld Plus“ und „Partnerschaftsbonus“
Das „Elterngeld Plus“ ermöglicht die Verdoppelung der Elterngeldbezugsdauer bei maximal der Hälfte der Leistungshöhe. Warum für diese Form der Leistung, bisher in der Praxis schlicht Teilelterngeld genannt, im Gesetz ein neuer Begriff geprägt werden musste, kann wohl eher die PR-Abteilung des BMFSFJ erklären als das fachlich zuständige Referat.
Die Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist, dass Eltern in Teilzeit mit dem „Elterngeld Plus“ nicht mehr einen vollen Monat Elterngeld verbrauchen, sondern nur noch einen halben Monat. Während bisher bei gleichzeitiger Teilzeitarbeit und Elterngeldbezug beider Eltern nach sieben Monaten der Anspruch endete (die 14 Elterngeldmonate waren aufgebraucht)1, könnten diese Eltern das gleiche Modell nun für 14 Monate praktizieren und danach bei Anspruch auf den „Partnerschaftsbonus“ noch weitere 4 Monate ausdehnen.
Der sogenannte Partnerschaftsbonus (Anspruch auf 4 weitere Monate „Elterngeld Plus“) soll gewährt werden, wenn beide Eltern
- gleichzeitig
- für vier aufeinander folgende Lebensmonate des Kindes
- zwischen 25 und 30 Stunden arbeiten.
Die ökonomische Benachteiligung des Modells der gleichzeitigen Teilzeitarbeit gegenüber dem „Vollzeitausstieg“ wurde somit beendet. Alleinerziehende können die „Partnerschaftsbonusmonate“ ebenfalls in Anspruch nehmen, wenn sie alleinerziehend im Sinne des Steuerrechts (§ 24b Abs. 1 und 2 EStG) sind und nicht mit dem anderen Elternteil in einem Haushalt wohnen.
„Partnerschaftlichkeit“ als neues Leitbild?
Wie fügt sich das „Elterngeld Plus“ in das bisherige Leistungsgefüge ein, welches Leitbild repräsentiert es? Festzustellen ist zunächst, dass es den bisherigen Modellen des Vollzeitausstiegs ein Alternativmodell der Teilzeitarbeit zur Seite stellt. Mit der Betonung der Förderung von „Partnerschaftlichkeit“ wird gegenüber dem „12+2-Modell“ eine weitere Alternative präsentiert. Wie realistisch ist aber dieses Modell?
Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Elterngeldmonate ist auch nach dem neuen Modell begrenzt. Wenn Vollzeitausstieg und Teilzeitarbeit kombiniert werden sollen (Monate des Mutterschutzes nach der Geburt gelten außerdem als Elterngeldmonate der Mutter), sinken die Kombinationsmöglichkeiten für Elternpaare erheblich. Denkbar ist zum Beispiel Folgendes: Nach der Geburt nimmt ein Elternteil 6 Monate, der andere Elternteil 2 Monate volles Elterngeld in Anspruch. Danach arbeitet ein Elternteil wieder Vollzeit, der andere Elternteil beansprucht für 12 Monate „Elterngeld Plus“ und arbeitet in Teilzeit. Direkt im Anschluss arbeiten beide für 4 Monate Teilzeit und erhalten die „Partnerschaftsbonusmonate“ des „Elterngeld Plus“. Möchte der zweite Elternteil statt 2 aber auch 6 Monate Elterngeld in Vollzeit beziehen, verbleiben als Teilelterngeldmonate 4 reguläre Monate für ein Elternteil und die 4 Partnerschaftsbonusmonate, wenn beide in Teilzeit arbeiten.
Die „Partnerschaftsbonusmonate“ sind so restriktiv ausgestaltet, dass die Inanspruchnahme eher gering bleiben wird. Der Teilzeitkorridor ist mit 25-30 Stunden knapp bemessen und er muss von beiden Eltern in vier aufeinander folgenden Lebensmonaten des Kindes realisiert werden. Für alleinerziehende Eltern, die Erwerbstätigkeit und Sorgearbeit allein bewältigen müssen, ist die Anforderung dieses Teilzeitkorridors mit einer erheblichen Belastung verbunden, sie sind gegenüber Paareltern benachteiligt. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass Teilzeitarbeit beiden Eltern (bzw. dem alleinerziehenden Elternteil) arbeitgeberseitig erst ermöglicht werden muss. Darauf besteht aber nur in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten ein Anspruch (§ 15 Abs. 7 BEEG, zu arbeitsrechtlichen Verbesserungsvorschlägen vgl. die Stellungnahme des Deutschen Juristinnenbundes zum „Elterngeld Plus“).
Im Ergebnis bietet das „Elterngeld Plus“ trotz des schönen Namens nicht das „Plus“ an Flexibilität, das es Eltern verspricht. Eine Alternative der Förderung von mehr „Partnerschaftlichkeit“ wäre die Veränderung der Regeln der Bezugszeiträume. Die derzeitigen „Partnermonate“2 könnten beispielsweise ausgeweitet werden. Der Teilzeitkorridor sollte realen Bedürfnissen und Möglichkeiten angepasst und auf 20 bis 30 Stunden erweitert werden. Auch würde sich eine flankierende Änderung des Anspruches auf Arbeitszeitreduktion anbieten.
Fazit
Das „Elterngeld Plus“ ist ein wichtiger Schritt, aber nicht der große Wurf. Die Symbolkraft der Einführung der „Partnerschaftsbonusmonate“ sollte sicher nicht unterschätzt werden, allerdings wurde die Ausgestaltung (sicher auch aus fiskalischen Gründen) so gewählt, dass die Hürden der Umsetzung für Eltern eher hoch sind. Im Ergebnis ist die neue Leistung ein neues Element im derzeitigen bunten Strauß der Sozialleistungen für Eltern, die sich an unterschiedlichen Leitbildern orientieren.
- Vgl. kritisch Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, 2007, S. 116 ff.; Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMFSFJ 2006; sowie BSG v. 15.12.2011, Az: B 10 EG 1/11 R, SGb 2012, 154 [↩]
- Leider wurde mit der aktuellen Reform auch der Begriff der „Partnermonate“ in das BEEG aufgenommen, der das 12+2 Modell sprachlich verfestigt, obwohl andere Aufteilungsalternativen der Elterngeldmonate denkbar sind [↩]
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Ich denke auch, dass das Eltergeldplus ein ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist, um Familien ein Stück entgehen zu kommen. Dennoch muss sich auch in Zukunft noch einiges mehr ändern. Das Thema sollte mit dieser Einführung nicht einfach beiseite geschoben werden.