Im Auftrag der Medienfreiheit: Das Veto zum polnischen Mediengesetz – und wie steht es um Deutschland?

von ANTONIA HAGEDORN

Am 27. Dezember 2021 legte der polnische Präsident Andrzej Duda sein Veto gegen ein umstrittenes Mediengesetz ein, welches das Aus für den letzten regierungskritischen Sender TVN24 bedeutet hätte. Paradox erscheint vor diesem Hintergrund das gesetzgeberische Ziel, die Medienfreiheit in Polen vor drittstaatlichen Investoren zu bewahren. Aus nationaler Perspektive stellt sich die Frage, wie mit Dudas Verweis auf ähnliche Regelungsmechanismen in anderen Europäischen Staaten, allen voran Deutschland, umzugehen ist. Die erhebliche Kritik am polnischen Gesetzesvorhaben bietet Anlass, sich den nationalen Investitionsprüfmechanismus im Medienbereich näher vor Augen zu führen.

Das polnische Mediengesetz

Für einen Vergleich des deutschen Investitionsprüfregimes mit dem polnischen Gesetzesvorhaben soll dessen Gegenstand zunächst aufgezeigt und in das politische Geschehen eingeordnet werden. Jenes verbietet generell das Halten von mehr als 49 % der Anteile an einem Medienunternehmen von Investoren mit einer Zentrale oder mit einem Wohnsitz außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes beziehungsweise mit einer Abhängigkeit von solchen Unternehmen. Zwar ist diese Obergrenze schon seit einiger Zeit im polnischen Rechtsrahmen implementiert, nunmehr sollten jedoch Schlupflöcher geschlossen werden, indem auch mittelbare Beteiligungen drittstaatlicher Investoren über eine unionsansässige Tochtergesellschaft zu unterbinden bezweckt werden. Von dieser Gesetzesänderung sieht sich derzeit allein das über eine niederländische Tochtergesellschaft am regierungskritischen Nachrichtensender TVN24 beteiligte amerikanische Unternehmen Discovery betroffen.

Nach zahlreichen Protesten und einem Scheitern des polnischen Gesetzesvorhabens im August dieses Jahres an der parlamentarischen Opposition wurde es im Dezember 2021 verabschiedet. Deutsche Medien kritisieren, dass nun die Vereinigten Staaten neben China und Russland zu »Feinden« im Lichte der Medienfreiheit zählten und die amerikanische Botschaft äußerte sich »zutiefst beunruhigt« über die geschwächte Medienfreiheit in Polen. Nach Ansicht der Europäischen Kommission belegten jene Entwicklungen erneut Polens Einstellung zu demokratischen Werten und Rechtsstaatlichkeit; im Anschluss an eine Verabschiedung des Gesetzes wollte sie es auf seine Unionsrechtskonformität überprüfen. Auch im polnischen Senat, welcher von der Opposition kontrolliert wird, waren der juristische Dienst und weitere Rechtsexperten der Auffassung, die beabsichtigte Regelung verstoße in zahlreichen Punkten gegen die nationale Verfassung, gegen Verträge der Europäischen Union sowie gegen ein Handelsabkommen Polens mit den Vereinigten Staaten.

Vermutlich auch in Reaktion auf diese erhebliche Kritik sowie auf die Proteste im eigenen Land verweigerte Präsident Duda einige Tage nach dem Parlamentsbeschluss seine Unterzeichnung des Gesetzes, welches nun lediglich noch mit einer Dreifünftelmehrheit im Parlament zustande kommen könnte. Im Wesentlichen begründete Duda seine Ablehnung damit, Beschränkungen ausländischer Direktinvestitionen dürften nicht auf bestehende Verträge Anwendung finden, um das Abkommen Polens mit den Vereinigten Staaten zu wahren. Er verwies auf andere Länder der Europäischen Union wie Deutschland, die über ähnliche Investitionskontrollvorschriften verfügten, auch er messe dem Schutz der freien Medien vor feindlichen Investoren große Bedeutung bei. Indes sah der Präsident aktuell wichtigere Probleme Polens wie die COVID 19-Pandemie oder die Inflation. Die amerikanische Regierung wertete sein Veto als »positives Signal«.

Der deutsche Rechtsrahmen im Vergleich

Spätestens der eigens vom polnischen Präsidenten gezogene Vergleich zu deutschen Investitionskontrollvorschriften bietet Anlass für eine Auseinandersetzung mit dieser Kritik aus nationaler Perspektive. Geht es zunächst um die zu kurzfristige Einberufung der Parlamentssitzung betreffend das polnische Mediengesetz, dann erscheinen negative Bemerkungen unter demokratischen Gesichtspunkten nachvollziehbar. Hinsichtlich des Gesetzesentwurfes selbst lässt sich eine entsprechende Aussage hingegen nicht derart unproblematisch treffen. Auf den ersten Blick sind einige Parallelen zum deutschen Investitionsprüfmechanismus erkennbar, welcher im Außenwirtschaftsgesetz normiert und durch die Außenwirtschaftsverordnung eine nähere Konkretisierung erfährt. Auch das polnische Gesetz wird mit dem Schutz der staatlichen Sicherheit, konkret der Medienfreiheit, begründet, zu deren Gewährleistung die Rechte der Betroffenen eingeschränkt werden. Eben dieser Zielkonflikt besteht im nationalen Recht, wird auch hier die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 und Var. 2 GG verankerte Presse- und Rundfunkfreiheit deutscher Medienunternehmen eingeschränkt. Beide Mechanismen sollen gleichermaßen insbesondere vor chinesischen Einflussnahmen schützen, sie richten sich grundsätzlich aber unterschiedslos gegen drittstaatliche Investoren wie beispielsweise aus den Vereinigten Staaten. Fragwürdig erscheinen mithin Zweifel an der Betroffenheit des amerikanischen Unternehmens Discovery durch den polnischen Gesetzesentwurf. Diese Beschränkungsoptionen ausländischer Direktinvestitionen aus Drittstaaten bestimmt im Übrigen auch die seit Oktober 2020 geltende europäische Screening Verordnung, welche alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Einrichtung eines Investitionsprüfmechanismus unter anderem insbesondere auch in Art. 4 Abs. 1 Buchst. e) zum Schutz der Freiheit und Pluralität der Medien auffordert.

Bleibt man an dieser Stelle jedoch bei einem Vergleich des polnischen Vorhabens mit dem deutschen Regime, welches in jüngerer Vergangenheit ganz erheblich verschärft worden ist, dann zeigen sich einige Differenzen. Insofern wird man berücksichtigen müssen, dass die politische Ausgangslage in beiden europäischen Staaten eine gänzlich andere ist. In Polen veranschaulichen zahlreiche Ereignisse eine stetige Gleichschaltung von Medien zugunsten der Regierung, welche sich in Deutschland freilich nicht vernehmen lässt. Zudem liegt die Vermutung nahe, dass sich das polnische Vorhaben – wenn auch konkret nicht so bezeichnet – in diesem Fall zumindest ganz vordergründig gegen das regierungskritische Unternehmen TVN24 richtet, welches von seiner amerikanischen Mutter Discovery beherrscht wird; eine ähnliche Konstellation in Bezug auf Kritiker der deutschen Regierung ist demgegenüber nicht abzusehen. Allein auf Discovery findet der »rückwirkende« Charakter des Vorhaben Anwendung, welcher sich im Wesentlichen dadurch auszeichnet, dass das polnische Vorhaben auf bereits bestehende Verträge Anwendung findet. Demgegenüber ist die in § 4 Abs. 1 Nr. 4, 4a, § 5 Abs. 2 AWG i.V.m. § 59 Abs. 1 AWV normierte Untersagungs- und Anordnungsbefugnis im nationalen Recht auf den in § 14a Abs. 1 AWG genannten Zeitraum beschränkt. In diesem Zeitraum ist das schuldrechtliche Rechtsgeschäft gem. § 15 Abs. 2 AWG (bedingt) wirksam, wohingegen der dingliche Vollzug ausweislich § 15 Abs. 3 Satz 1 AWG schwebend unwirksam bleibt; eine dem polnischen Gesetz vergleichbare Vertrauensgrundlage ist damit also noch nicht gegeben. Zwar ermöglicht der deutsche Mechanismus gem. § 56 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55a Abs. 1 Nr. 6 AWV grundsätzlich die Prüfung bereits ab dem Erwerb einer zehnprozentigen Beteiligung an Medienunternehmen. Diese Regelungen beziehen sich ebenfalls gem. § 56 Abs. 5 AWV auf mittelbare Erwerbe drittstaatlicher Investoren über unionsansässige Tochtergesellschaften. Eine Schließung dieser Schlupflöcher erscheint für sich genommen zweckmäßig, um einen effektiven Schutz der verfolgten Ziele gewährleisten zu können. Jedoch ist eine verfahrensabschließende Untersagung im nationalen Investitionsprüfregime keinesfalls zwingend, wohingegen das polnische Vorhaben generell und unabhängig einer behördlichen Prüfung Mehrheitsbeteiligungen unterbindet.

Obwohl also einige Parallelen des allseits so stark kritisierten Vorhabens zum nationalen Investitionsprüfmechanismus erkennbar sind, lassen sich auch ganz wesentliche Differenzen erkennen. Als bedeutendster Aspekt ist wohl die beabsichtigte Wirkung des polnischen Gesetzes auf bereits vorhandene Unternehmensbeteiligungen herauszugreifen, welche sich de facto allein an den amerikanischen Investor Discovery richtet. Vor diesem Hintergrund ist der am Gesetzesentwurf geäußerten Kritik zuzustimmen.

Also kein Grund zur Sorge?

Trotz dieser Unterschiede gilt es zu bedenken, dass ein Schutz der Medienfreiheit mit sehr scharfen Beschränkungsmöglichkeiten auch schnell in sein Gegenteil umgekehrt werden kann, mögen die Ziele noch so gewichtig sein. In diesem Zusammenhang erscheint unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes insbesondere hinterfragungsbedürftig, ob eine zehnprozentige Beteiligung an einem Medienunternehmen überhaupt so starke Eingriffe in die Eigentums- und Unternehmensfreiheit, insbesondere aber in die im Lichte der Demokratie besonders schützenswerten Presse- und Rundfunkfreiheit, zu rechtfertigen vermag. Die skizzierten Reaktionen auf das polnische Gesetzesvorhaben zeigen erfreulicherweise auf, dass Beschränkungen ausländischer Direktinvestitionen in Medienunternehmen sehr wohl Grenzen unterliegen, oberhalb derer öffentlich geäußerte Bedenken vehement werden (können). An welcher Stelle die Schwelle zur rechtlichen Zulässigkeit jener nationalen Regelungen überschritten wird, ist eine andere Frage, welche im rechtswissenschaftlichen Diskurs größere Beachtung finden sollte.

 

Zitiervorschlag: Antonia Hagedorn, Im Auftrag der Medienfreiheit: Das Veto zum polnischen Mediengesetz – und wie steht es um Deutschland?, JuWissBlog Nr. 2/2022 v. 11.1.2022, https://www.juwiss.de/2-2022/.

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Antonia Hagedorn, ausländische Direktinvestitionen, Außenwirtschaftsrecht, Medienfreiheit, Medienunternehmen
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