Übernahme-Untersagungen auf Basis der AWV: stumpfe Drohung oder scharfes Schwert?

Von CHRISTOPH LUDWIG

Nicht nur die kurzzeitig in den Medien diskutierte mögliche Übernahme des Tübinger Pharmaunternehmens hat die Regelungen der Investitionskontrolle im Außenwirtschaftsrecht in den Fokus gerückt. Auch große Anteilskäufe an der Lufthansa sind dahingehend von Relevanz. Zwar gab die Bundesregierung zu erkennen, dass sie CureVac durch das Außenwirtschaftsrecht schützen wollte. Allerdings ist zweifelhaft, ob dies mittels der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) überhaupt möglich gewesen wäre. Nachdem die dortigen Untersagungsmöglichkeiten vorgestellt wurden, wird deren Praktikabilität anhand der genannten Beispiele untersucht.

Untersagungsmöglichkeiten nach der AWV

Die auf Basis von § 4 Abs. 1 Nr. 4 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) durch die Bundesregierung erlassene AWV regelt neben der auf militärische Aspekte bezogenen sektorspezifischen Kontrolle in den §§ 55 – 59 AWV die mögliche Untersagung des Erwerbs von Unternehmensanteilen. Diese sektorübergreifende Kontrolle lässt sich wiederum differenzieren. Einerseits kann schon das Überschreiten der Schwelle von 10 % der Unternehmensanteile ausreichen, wenn das fragliche Unternehmen als besonders kritisch angesehen wird und deshalb von den Regelbeispielen des § 55 Abs. 1 S. 2 AWV erfasst wird. Fällt es hingegen unter die allgemeine Regelung des § 55 Abs. 1 S. 1 AWV, so ist nach § 56 Abs. 1 Nr. 2 AWV der Erwerb von mindestens 25% der Anteile notwendig. In diesen Fällen kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Einvernehmen mit der Bundesregierung diesen Erwerb untersagen oder Anordnungen erlassen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn nach dem Erwerb die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik nicht mehr gewährleistet wäre. Bekannt erscheinen diese Begriffe zunächst aus dem klassischen Ordnungsrecht. Allerdings sind diese, ob der Betroffenheit der unionsrechtlich gewährleisteten Kapitalverkehrsfreiheit, im Lichte des Art. 65 Abs. 1 lit. b ) AEUV auszulegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasst dies unter anderem die Sektoren der Energieversorgung und Telekommunikation.

Untersagungsmöglichkeiten im Bereich der medizinischen Forschung

Das Gerücht, dass die Vereinigten Staaten CureVac kaufen wollten, um diese exklusiv dort zu vertreiben, war wohl wenig gehaltvoll. Allerdings wäre die Untersagung eines solchen Vorhabens – nicht nur außenpolitisch –nur schwer möglich gewesen. Es ist schon unklar, ob ein medizinisches Forschungsunternehmen wie CureVac eine „Kritische Infrastruktur“ im Sinne des § 55 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AWV darstellt. Im Falle des Vorliegens dieses Regelbeispiels würde eine Vermutung für die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sprechen. Zwar fallen die Geschäfte von CureVac unter § 6 der Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz (BSI-KritisV), welcher den medizinischen Sektor regelt. Allerdings ist nach den öffentlich zugänglichen Daten nicht davon auszugehen, dass die relevanten Umsatzschwellen von 90 Millionen Euro überschritten werden. Somit liegt kein Regelbeispiel vor, und die Gefährdung der Schutzgüter wird nicht vermutet. Zudem ist CureVac keine Kritische Infrastruktur, sodass eine Überprüfung nur beim Erwerb von mehr als 25 % der Anteile in Betracht kommt.

Allerdings verbleibt noch die weiter gefasste Grundnorm des § 55 Abs. 1 S. 1 AWV. Die oben genannte Beispiele lassen sich allgemein als Bereiche umschreiben welche – insbesondere in Krisenfällen – strategisch relevant sind. Die Versorgung mit medizinischen Mitteln zur Verhinderung oder Verlangsamung einer Epidemie wie im Fall CureVac fällt hierunter.

Jedenfalls wären die Handlungsoptionen des BMWi durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip begrenzt. Hauptgefahr bei einem Verkauf in die Vereinigten Staaten wäre gewesen, dass ein möglicher Impfstoff gegen das SARS-CoV-2 Virus vorrangig oder gar nur dort vertrieben worden wären. Dem hätte man jedoch auch dadurch begegnen können, dass eine dahingehende Anordnung erlassen wird, mögliche Forschungsergebnisse (möglicherweise gegen ein marktübliches Entgelt) auch in Deutschland und dem Rest der Welt zu lizensieren. Hier zeigt sich, dass das deutsche Außenwirtschaftsrecht für einen solchen Fall adäquate Maßnahmen vorsieht.

Untersagungsmöglichkeiten im Bereich der Luftfahrt

Etwas anders stellt sich die Situation in Bezug auf die Lufthansa AG dar. Ihre Relevanz für die deutsche Wirtschaft ergibt sich aus ihrem Status als einzig verbliebene deutsche Airline von internationalem Renommee im Personen- und Frachtverkehr. Ihr musste in Folge des weitgehend eingestellten (Personen-)Luftverkehrs deutliche Verluste hinnehmen. Zwischenzeitlich hat ein deutscher Investor seine Anteile an der Lufthansa auf 10 % erhöht. Die AWV hätte einer solchen Beteiligungserhöhung seitens eines Investors aus einem Drittstaat wenig entgegenzusetzen gehabt. Als „Kritische Infrastruktur“ im Sinne des § 55 Abs. 1 S. 2 Nr.1 AWV gelten nach § 8 Abs. 3 iVm Anhang 7 der BSI-KritisV im Bereich des Luftverkehrs nur die Betreiber von Anlagen, welche mit dem Luftverkehr im Zusammenhang stehen. Airlines selbst sind hiervon nicht erfasst. Auch das LuftVG beinhaltet keine dahingehenden Vorschriften. Zwar ließen sich mit Blick auf § 55 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AWV Argumente finden, weshalb gewisse Anteilserwerbe an der Lufthansa die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnten: Wenn dies schon bei den Softwarelieferanten denkbar ist, dann müsste dies auch erst Recht für die Airline selbst gelten. Allerdings wären in diesem Fall nicht genügend Anteile erworben worden: Eine Kontrolle wäre erst ab 25% der Anteile möglich gewesen. Daher schützt die AWV im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davor, dass ausländische Investoren bis zu 24,99% an der Lufthansa kaufen könnten.

Verbesserungsvorschläge de lege ferenda

Im Großen und Ganzen ist das deutsche Außenwirtschaftsrecht für zahlreiche Szenarien gewappnet – allerdings auch nicht für alle. Kürzlich wurde der erste Referentenentwurf für eine AWG-Novelle veröffentlicht. Deren Hauptzweck ist die Umsetzung der am 11. Oktober 2020 in Kraft tretenden VO (EU) 2019/452. Diese schafft einen Rahmen für eine gesamteuropäische Kooperation im Rahmen der Investitionskontrolle. Das AWG wird durch terminologische Anpassungen auch verschärft: Der Maßstab für das Ergreifen von Maßnahmen wird nicht mehr die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sein, sondern deren „voraussichtliche Beeinträchtigung“. Ebenso sollen auch gesamteuropäische Interessen in die Betrachtung einbezogen werden. Hierdurch fallen mehr Transaktionen in den Anwendungsbereich der Transaktionskontrolle. Zudem wird deren Beschränkung erleichtert.

Parallel zum AWG wird auch die AWV reformiert. In diesem Zusammenhang soll auch der Bereich der Biotechnologie als Kritische Infrastruktur etabliert werden. Allerdings sollte der Gesetzgeber den Fall der Lufthansa zum Anlass nehmen, auch die Kontrolle über die Logistik- und Verkehrungsunternehmen selbst – und nicht nur deren Software-Zulieferer – im Inland zu behalten. Denn nur so lässt sich verhindern, dass Investoren oder Regierungen aus Drittstaaten entscheiden, ob und in welchem Maße die Bundesrepublik mit Flügen oder überlebenswichtigen Impfstoffen oder Medikamenten versorgt wird. Zwar können solche Verschärfungen auch negative Auswirkungen auf Investitionsströme aus Drittstaaten kommen. Die Corona-Pandemie bietet auch Anlass zu Überlegungen, globalisierte Produktionsschritte wieder nach Europa zurückzuverlagern. Trotzdem erscheint eine Verschärfung des Instruments der Investitionskontrolle vor dem momentanen Hintergrund unausweichlich.

Zitiervorschlag: Christoph Ludwig, Übernahme-Untersagungen auf Basis der AWV: stumpfe Drohung oder scharfes Schwert?, JuWissBlog Nr. 34/2020 v. 24.3.2020, https://www.juwiss.de/34-2020/

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Außenwirtschaftsrecht, COVID-19, CureVac, Investitionskontrolle
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