Flughafen-Blockaden und Polizeieinsätze – zur Heranziehung der „Letzten Generation“ für die Kosten

von DANIEL MÜLLER

Protestaktionen der „Letzten Generation“ zielen wiederholt auf Behinderungen des öffentlichen Verkehrs ab, so auch auf Flughäfen. Neben der strafrechtlichen Einordnung des Handelns der Aktivisten sowie der Beurteilung polizeilicher Maßnahmen stellt sich die Frage, ob Aktivisten für die Kosten herangezogen werden können, die aufgrund von Polizeieinsätzen entstanden sind (sog. Sekundärebene). Der vorliegende Beitrag untersucht, welche rechtlichen Grundlagen hierfür bestehen. Deutlich wird, dass die Aktionen der „Letzten Generation“ auf dem Berliner und Münchener Flughafen auch auf der Sekundärebene nicht folgenlos bleiben müssen.

Die Flughafen-Blockaden der „Letzten Generation“

Zwischen November 2022 und Mai 2023 kam es zu mehreren Protestaktionen von Aktivisten der „Letzten Generation“ auf den Flughäfen Berlin und München, wie LTO berichtete. Im November 2022 verschafften sich mehrere Aktivisten Zugang zum Sicherheitsbereich des BER, wodurch der Flugbetrieb beeinträchtigt wurde. Zwei Wochen später gelang es einigen Aktivisten, auf dem Münchener Flughafen ein Rollfeld zu besetzen. Am selben Tag drangen Aktivisten in das Gelände des BER ein, ohne jedoch bis zu den Rollfeldern zu gelangen. Bei einer weiteren Aktion im Mai 2023 drangen Personen in das Gelände des BER ein und besprühten ein Privatflugzeug mit Farbe. Bei diesen Aktionen wurden Beamte der Bundespolizei tätig und nahmen mehrere Aktivisten in Gewahrsam. Für die entstandenen Kosten stellte die Bundespolizei entsprechende Gebührenbescheide gegen einzelne Aktivisten aus.

Das BPolG enthält keine Rechtsgrundlage für eine solche Kostentragung. § 19 Abs. S. 1 BPolG a.F. wurde zwar als Rechtsgrundlage für Einsatzkosten im Zusammenhang mit den sog. Castor-Transporten angesehen (etwa OVG Schleswig). Eine vergleichbare Regelung über die Kostentragung findet sich im aktuellen BPolG jedoch nicht mehr. Auch die landesrechtlichen Vollstreckungsvorschriften dürften nicht einschlägig sein, da die Bundespolizei im Rahmen ihrer eigenen Aufgabenerfüllung tätig wurde.

Vielversprechender erscheint die Besondere Gebührenverordnung des BMI für individuell zurechenbare öffentliche Leistungen in dessen Zuständigkeitsbereich (BMI-BGebV).

Die BMI-BGebV als taugliche Rechtsgrundlage

Um als Rechtgrundlage für die Gebührenbescheide infrage zu kommen, müsste die Verordnung verfassungsmäßig sei. Zum Erlass der BMI-BGebV ist das BMI aufgrund von § 22 Abs. 4 S. 1, Abs. 1 S. 2, 3 i.V.m. § 1 BGebG ermächtigt. Diese Vorschriften regeln den Erlass von Gebührenverordnungen für bestimmte Leistungen im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Bundesministerien und damit Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung. Verfassungsrechtlich dürfte eine derartige Übertragung auf den Verordnungsgeber nicht zu beanstanden sein.

Auch die Verordnung selbst dürfte mit höherrangigem Recht vereinbar sein. Sie enthält einen umfassenden Katalog an Verwaltungsleistungen, für die Gebühren erhoben werden können. Diese sind genau und unter Nennung der jeweiligen Rechtsgrundlage benannt. Einen allgemeinen Auffangtatbestand, der mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot nicht vereinbar wäre, gibt es nicht.

Was die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Gebührentatbestände betrifft, kommt dem Verordnungsgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich insoweit auf eine Vertretbarkeits- bzw. Evidenzkontrolle. Zwar ließe sich argumentieren, dass es an Härtefallklauseln oder Ausnahmetatbeständen in der Verordnung fehlt. Doch kann die Behörde bereits nach § 9 Abs. 5 BGebG im Einzelfall von der Gebührenerhebung absehen sowie Ermäßigungen gewähren.

Einzelne Maßnahmen auf der Primärebene

Als Anknüpfungspunkt für die Inanspruchnahme der „Letzten Generation“ kommen auf der Primärebene diverse Maßnahmen in Betracht, die sich nach den Vorschriften des BPolG und des VwVG richten. Hierzu zählen nach Abschnitt 1 Nr. 1.1.1 der Anlage zur BMI-BGebV Polizeieinsätze zur Abwehr einer Gefahr nach § 14 BPolG, die durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Schaffung einer Gefahrenlage veranlasst wurden. Die Gefahrenabwehr ist der Bundespolizei nicht grundsätzlich, sondern nur zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben zugewiesen. Zu diesen zählen nach § 4 BPolG Maßnahmen die Luftsicherheit, welche sich nach den Vorschriften des LuftSiG richtet. Weitere Gebührentatbestände bestehen darüber hinaus nach Abschnitt 2 Nr. 1.4, 2.2 der Anlage zu BMI-BGebV für Vollstreckungsmaßnahmen (insbesondere unmittelbarer Zwang nach § 12 VwVG), im gestreckten Verfahren (§ 6 Abs. 1 VwVG) oder im Sofortvollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG). Dagegen dürften die Gebührentatbestände in Abschnitt 1 Nr. 7 der Anlage zur BMI-BGebV ausscheiden, da die Platzverweisung nach § 38 BPolG durch die Spezialvorschrift des § 5 Abs. 2 LuftSiG verdrängt wird.

Sperrwirkung des Versammlungsrechts?

Problematisch wäre eine Heranziehung auf Grundlage der BMI-BGebV, wenn zugunsten der Protestaktionen die Sperrwirkung des Versammlungsrechts greifen würde. Dieses würde auf der Primärebene die allgemeinen Befugnisse des BPolG und des VwVG verdrängen. Hierauf gestützte Maßnahmen könnten dann auf der Sekundärebene nicht als Kostengründe herhalten. Dagegen sprechen jedoch mehrere Gründe.

Im Ausgangspunkt können die Aktionen der Letzten Generation zwar versammlungsrechtlichen Schutz genießen. Zu differenzieren wäre dabei zwischen der Blockade der Rollfelder (als Versammlung unter freiem Himmel) und sonstigen Aktionen im Flughafengebäude. Hinsichtlich der Blockade der Rollfelder des BER dürfte bereits die Einschränkung des § 20 VersFG BE für den Flughafen als privatrechtlich betriebene Verkehrsfläche greifen. Insoweit wäre fraglich, ob die Versammlung aufgrund eines entgegenstehenden Interesses des Flughafenbetreibers überhaupt rechtmäßig durchgeführt werden durfte. (Im BayVersG gibt es keine vergleichbare Regelung. Doch auch dieses dürfte nach verfassungskonformer Auslegung jedenfalls keinen uneingeschränkten Schutz für das Besetzen der Rollfelder vermitteln.)

Doch selbst wenn man – was fraglich erscheint – im Bereich der Rollfelder von versammlungsrechtlich geschützten Aktionen ausginge, würde das nicht bedeuten, dass ein Rückgriff auf die Befugnisse nach BPolG, VwVG und LuftSiG per se ausgeschlossen ist: Denn der Grundsatz der Polizeifestigkeit der Versammlung greift zeitlich nur so lange, wie eine Versammlung i.S.d. VersFG BE bzw. des BayVersG vorliegt. Sollte die Blockade auf den Rollfeldern also wirksam aufgelöst worden sein, endet damit auch die Sperrwirkung des Versammlungsrechts. Der Rückgriff auf die allgemeinen polizeilichen Befugnisse ist anschließend möglich, wenn sich die Teilnehmer nicht in angemessener Zeit entfernen. Gleiches gilt mit Blick auf die Blockaden im Flughafengebäude. Diese unterliegen zwar nicht dem Vorbehalt des § 20 VersFG BE, können aber dennoch aufgelöst werden.

Demnach wären jedenfalls nach Beendigung der Blockaden die Vorschriften des BPolG bzw. des VwVG maßgeblich mit der Folge, dass die hierauf gestützten Maßnahmen als Grundlage für die Kostenbescheide der Bundespolizei in Betracht kommen.

Ausblick

Im Ergebnis kommt es für die Heranziehung von Maßnahmen nach BPolG und VwVG nach Maßgabe der BGebV-BMI auf die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen an. Entscheidend ist daher insbesondere die ermessensfehlerfreie Ausübung der Befugnisse im Einzelfall. Die Heranziehung scheitert aber nicht daran, dass die BMI-BGebV als solche unbestimmte Gebührentatbestände enthielte oder in sonstiger Weise rechtswidrig wäre. Auch die Sperrwirkung des Versammlungsrechts dürfte nach Auflösung der Versammlungen nicht zugunsten der Adressaten greifen und einen Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht ausschließen.

Eine Inanspruchnahme der Aktivisten der Letzten Generation durch die Bundespolizei nach Maßgabe der BMI-BGebV ist daher möglich.

Zitiervorschlag: Müller, Daniel, Flughafen-Blockaden und Polizeieinsätze – zur Heranziehung der „Letzten Generation“ für die Kosten, JuWissBlog Nr. 57/2023 v. 22.09.2023, https://www.juwiss.de/57-2023/.

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