Messer- und Waffenverbotszonen scheinen in Mode gekommen zu sein. Nachdem sie lange nur an wenigen, überaus kriminalitätsbelasteten Orten eingerichtet wurden, greifen immer mehr Länder auf das Instrumentarium der Verbotszone zurück, um anlasslose Personenkontrollen zu ermöglichen. Hierdurch sollen insbesondere Affekttaten mit entsprechenden Gegenständen reduziert werden. Ob Verbotszonen aber wirksam Abhilfe schaffen können, muss ernstlich bezweifelt werden.
Allein im letzten Monat kam es sowohl in Köln als auch in Düsseldorf zu mehreren tödlichen Auseinandersetzungen, bei denen es auffällige Parallelen gab: Stets waren Messer im Einsatz, die Taten geschahen in beliebten „Party“-Gegenden, die Tatzeit lag in den Abend- oder Nachtstunden. Handlungsbedarf sah deshalb Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul, der Anfang Dezember 2021 die Einführung von drei Waffenverbotszonen in Köln und Düsseldorf auf den Weg brachte. Die Regelung soll zum 21. Dezember 2021 in Kraft treten. Zustimmung erhielt der Minister nicht nur von den Verwaltungsspitzen beider Städte, sondern etwa auch vonseiten des Kölner Polizeipräsidenten, der sich die Einführung einer Messerverbotszone „als weiteren Baustein für mehr Sicherheit“ offenbar gut vorstellen kann. Die politische Zustimmung darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich gegenüber dem geplanten Vorgehen auch rechtliche Bedenken formulieren lassen.
Behörden in der Begründungspflicht
Die rechtliche Grundlage für Messerverbotszonen – § 42 Abs. 6 Bundeswaffengesetz (WaffG)– wurde erst im vergangenen Jahr überarbeitet und maßgeblich erweitert. Seither dürfen die Landesregierungen per Rechtsverordnung bestimmte öffentliche Orte und Einrichtungen zu jenen Messerverbotszonen erklären. Diese Befugnis können Landesregierungen auch auf die zuständige oberste Landesbehörde übertragen; diese kann ihre Befugnis durch Rechtsverordnung weiter übertragen, § 42 Abs. 6 S. 3 WaffG. Die Verbotsermächtigung erstreckt sich auf Waffen im Sinne des § 1 WaffG sowie auf Messer mit feststehender oder feststellbarer Klinge mit einer Klingenlänge über vier Zentimeter. Im Unterschied hierzu fallen Klappmesser oder Teppich- und Kartonmesser, bei denen sich die Klinge nicht mechanisch feststellen lässt, nicht unter die Regelung. Dass hingegen etwa Besteckmesser, Apfelschäler sowie Angler- und Rettungsmesser unter die Verbotsermächtigungsnorm fallen, mag widersprüchlich wirken. Angesichts der dem Gesetzgeber zuzubilligen Einschätzungsprärogative dürfte darin allerdings noch keine unzulässige Pauschalierung zu sehen sein.
Für die Einrichtung einer Verbotszone müssen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Verbot zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit an Gebäuden und Flächen mit öffentlichem Verkehr, Veranstaltungsorten oder Plätzen erforderlich ist. Für die anzustellende Gefahrenprognose kommt es auf bestehende Lageerkenntnisse, sowie die voraussichtliche Häufigkeit von Schadensfällen unter Verwendung von Waffen und Messern und auf das Gewicht der Schadensfolge an. Dass ein bloßer Gefahrenverdacht nicht auszureichen vermag, stellte das sächsische Oberverwaltungsgericht unlängst in Bezug auf die Leipziger Gefahrenzone fest. Vielmehr bedarf es hinreichender Anhaltspunkte, dass eine abstrakte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gegeben ist. Eine abstrakte Gefahr liegt vor, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit typischerweise Gefahren für ein polizeiliches Schutzgut entstehen. Der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad hängt dabei von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Von einem Gefahrenverdacht ist dagegen auszugehen, wenn sich Schadensmöglichkeiten deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können. Ergibt die Prognose, dass mit einer Gefahrenlage nur an bestimmten Wochentagen oder zu bestimmten Uhrzeiten zu rechnen ist (etwa nachts und insbesondere am Wochenende in „Party-Hotspots”), darf sich das Verbot auch nur auf diese Zeiten erstrecken. Messerverbotszonen dürften demnach nur an echten Kriminalitätsschwerpunkten rechtssicher umzusetzen sein.
Hoher Preis für vermeintliche Sicherheit
Schenkt man den Berichten aus den Innenministerien und Polizeibehörden Glauben, so handelt es sich bei den Messerverbotszonen um ein effektives Instrument der Gefahrenprävention. Dass die Auswirkungen einer Waffenverbotszone jedoch insgesamt eher als gering einzuschätzen sind, zeigt eine aktuelle Studie der Universität Leipzig. Die begutachtete Waffenverbotszone in der Leipziger Innenstadt habe zwar dazu beigetragen, dass in der Öffentlichkeit begangene Angriffe reduziert wurden, auf das übrige Kriminalitätsgeschehen könne dagegen kaum positive Auswirkungen festgestellt werden.
Zudem räumt die Befugnis zu anlasslosen Kontrollen den ausführenden Polizeibeamt:innen große Spielräume ein, welche missbraucht werden können. Es steht zu befürchten, dass Kontrollen aufgrund ethnischer Zugehörigkeit (sog. Racial Profiling) erfolgen könnten. Die Grenze zwischen zulässigem und typisierendem Vorgehen, welches sich auf bestehende Lageerkenntnisse stützt, und unzulässiger Diskriminierung, lässt sich nicht immer klar ziehen. Typisierendes Vorgehen verfolgt das grundsätzlich legitime Ziel, die Kontrollen auf denjenigen Personenkreis zu beschränken, von dem nach den vorliegenden Lageerkenntnissen potenziell die Begehung bestimmter Straftaten zu erwarten ist. Damit wird umgekehrt auch dem weiteren legitimen Ziel gedient, solche Personengruppen, die nach den vorliegenden Lageerkenntnissen nicht relevant sind, von den Eingriffsmaßnahmen möglichst zu verschonen.
Dies darf jedoch nicht zur Folge haben, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihrer Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, ihres Glaubens oder ihrer religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Personengruppen müssen deshalb umso strenger sein, je mehr die zur Unterscheidung führenden personenbezogenen Merkmale an die in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale anknüpfen. Um dieser unzulässigen Art von Vorauswahl der zu kontrollierenden Personen entgegenzuwirken, muss der erhebliche polizeiliche Ermessenspielraum eingedämmt werden. Genügen sollte nicht nur der reine Aufenthalt im Gefahrengebiet; vielmehr ist zu fordern, dass objektive Anhaltspunkte einen Bezug der betroffenen Person zu der von dem jeweiligen Ort ausgehenden Gefahr belegen.
Die anlasslosen Kontrollen in Verbotszonen stehen exemplarisch für ein in Bezug auf viele gefahrenabwehrrechtliche Befugnisse auftretendes Problem. Da Menschen in zentralen Entscheidungspositionen aus Gesellschaft, Politik und Wirtschaft nur selten Adressaten entsprechender Kontrollen sind, nehmen sie die sehr weit in das Vorfeld verlagerten Kompetenzen der Polizeibeamt:innen nicht als störend war. Wenn dagegen, wie im Zuge der Corona-bedingten Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, tatsächlich breite Beschränkungen erfolgen, stoßen diese schnell auf gesellschaftlichen Widerstand. Die Erweiterung polizeilicher Eingriffskompetenzen, die in erster Linie zu Lasten von (ethnischen) Minderheiten geht, führt aber ebenfalls zu einer schleichenden Aushöhlung des freiheitlich konzipierten Rechtsstaats. Sollten sich Landesregierungen für die Einrichtung neue Verbotszonen entscheiden, müssen diese Bedenken angemessene Berücksichtigung finden.
Zitiervorschlag: Franziska Ellmauer, Trügerische Sicherheit, JuWissBlog Nr. 116/2021 v. 16.12.2021, https://www.juwiss.de/116-2021/.
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