Donald Trumps Gespür für Schnee: Grönland könnte bald amerikanisch sein

von MORITZ VON ROCHOW

Schon vor seinem Amtsantritt hat Donald Trump Gebietsansprüche auf Grönland angemeldet und hierfür auch militärische Gewalt und drakonische Wirtschaftssanktionen gegen Grönlands Kolonialmacht Dänemark nicht ausgeschlossen.

Ausweislich seines Pressestatements geht es dem US-Präsidenten primär um die Sicherheit der Vereinigten Staaten und der „Free World“. Anders als 1946 und 2019 , als die USA schon einmal versucht haben, Grönland zu kaufen, hofft Trump diesmal darauf, dass sich die Grönländer in freier Selbstbestimmung für einen Anschluss an die Vereinigten Staaten entscheiden werden. Der Zeitpunkt ist günstig gewählt, denn am 11. März wird das Grönländische Parlament neu gewählt. Elon Musk bekräftigte bereits: „If the people of Greenland want to be part of America, which I hope they do, they would be most welcome!”

Warum wird die Sicherheit des Westens in der Arktis gefährdet?

Während die Weltgemeinschaft mit Schrecken in die Ukraine starrt, spielt sich im (nicht mehr) ewigen Eis des hohen Nordens ein neuer kalter Krieg ab. Dort werden westliche Fischereischiffe inzwischen von der russischen Armee gewaltsam vertrieben – selbst aus amerikanischen Hoheitsgewässern. Im Rahmen der neuen russischen Sicherheitsdoktrin – „aktive Verteidigung“ – zeigt Russland weit im Westen des atlantischen und arktischen Ozeans zunehmend Militärpräsenz. Gleichzeitig modernisiert Russland seine Streitkräfte u.a. mit Langstreckenwaffen und baut und modernisiert massiv Militärbasen im Eis. Die Ausstattung der russischen Marine mit arktisnah stationierten Atom-U-Booten ermöglicht es, unbemerkt unter dem arktischen Eis hindurchzutauchen und durchzubrechen. Diese technische Überlegenheit hat Russland bereits mehrfach öffentlichkeitswirksam unter Beweis gestellt. Hierdurch gewinnen die russischen Streitkräfte an Agilität und Flexibilität, die ein rechtzeitiges Reagieren des Westens kaum mehr möglich machen. Die Relevanz der Arktis für die globale Sicherheitsarchitektur ist vom Westen lange unterschätzt worden. Insofern hat Trump strategisch Recht, diese offene Flanke schließen zu wollen.

Daneben birgt der Klimawandel in der Arktis großes wirtschaftliches Potential, welches Russland und China bereits zu nutzen beginnen: Wird die Nordwestpassage durchs Polarmeer eisfrei, lässt sich die Seeroute von der US-Westküste nach Europa um bis zu 5.000 km verkürzen. Die ebenfalls bald eisfreie Nordostpassage verkürzt den Seeweg von Shanghai nach Rotterdam sogar um bis zu 12.000 km und ist darüber hinaus piraten- und terroristenfrei. Russland betrachtet diese Seeroute als innere Gewässer, wohingegen die USA von einer internationalen Meerenge i.S.d. Art. 37 SRÜ ausgehen. Angesichts eines Mangels von über 80 Eisbrechern ist der Westen der russischen Marine in den arktischen Seegebieten deutlich unterlegen.

Auch Rohstoffe spielen in den Gewässern vor Grönland zukünftig eine Rolle: Russland, Kanada und Dänemark haben bereits Ansprüche auf den unterseeischen Lomonossow-Rücken bei der Festlandsockelkommission der Vereinten Nationen als erweiterten Festlandsockel angemeldet.

Hat Dänemark einen Rechtsanspruch auf Grönland?

Obwohl die um 900 n.Chr. von Erik dem Roten errichteten Wikingersiedlungen auf Grönland im 14. Jahrhundert wieder aufgegeben worden sind, gehört Grönland spätestens seit dem Kieler Friedensvertrag von 1814 zu Dänemark. Dass die dänischen Hoheitsansprüche ganz Dänemark umfassen, hat der Ständige Internationale Gerichtshof in seiner Ostgrönland-Entscheidung von 1933 verbindlich bestätigt. Das Selbstbestimmungsrecht der seit Jahrtausenden auf Grönland lebenden Indigenen spielte damals noch keine Rolle. Erst seit der UN-Generalversammlungsresolution 1514 aus dem Jahr 1967 begann sich international die Ansicht durchzusetzen, dass ehemalige Kolonialmächte, „dem Kolonialismus in allen seinen Erscheinungsformen rasch und bedingungslos ein Ende zu machen“ haben. Heute ist zumindest im kolonialen Kontext allgemein anerkannt, dass das Gebiet einer Kolonie einen von der Kolonialmacht verschiedenen Status genießt, der so lange fortbesteht, bis die Kolonie ihr Selbstbestimmungsrecht ausgeübt hat. Die Friendly Relations Declaration der Vereinten Nationen hält fest, dass neben der Gründung eines souveränen und unabhängigen Staates, die freie Assoziation mit einem anderen Staat oder die freie Eingliederung in einen solchen Staat Möglichkeiten der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts sind. Über den Kopf der Grönländer hinweg können die USA die Insel also nicht einfach kaufen. Aber würden die Grönländer bei einem Referendum vielleicht „schwach“ werden, wenn ihnen US-Milliardäre Millionenzahlungen und die amerikanische Staatsbürgerschaft anböten? Angesichts dessen, dass Grönland weniger Einwohner als Schwäbisch-Gmünd hat, wäre das ein überschaubares Investment in einen enormen geostrategischen Vorteil.

Der Wunsch der Grönländer auf Loslösung von Dänemark dürfte bei den am 11. März stattfindenden grönländischen Parlamentswahlen das zentrale Thema werden. Der Chef der Regierungspartei hat bereits angekündigt, mit Dänemark in Verhandlung über eine Beschleunigung des Unabhängigkeitsprozesses und die Modalitäten eines baldigen Referendums einzutreten. Nach einer Umfrage unterstützen 57,3% der Bevölkerung einen Anschluss Grönlands an die USA. Aktuelle Skandale über Elternkompetenz-Tests, in welchen noch heute grönländischen Eltern überproportional oft das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wird, trüben das Verhältnis zur Kolonialmacht ebenso wie die Entdeckung, dass zwischen den 60er und 90er Jahren tausenden minderjährigen grönländischen Mädchen gegen deren Willen Verhütungs-Spiralen eingesetzt worden sind, um die Vermehrung der Inuit einzudämmen.

Die USA als Verteidiger des grönländischen Selbstbestimmungsrechts?

Nach der ständigen Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs, handelt es sich beim Selbstbestimmungsrecht der Völker um eine Erga-omnes-Verpflichtung mit Ius-cogens Charakter. Die Verletzung solch einer Erga-omnes-Norm berechtigt alle Staaten zu verhältnismäßigen Gegenmaßnahmen gegenüber dem völkerrechtsbrüchigen Staat. Solche Gegenmaßnahmen dürfen allerdings keine Androhung oder Anwendung von Gewalt umfassen.

Damit wären Wirtschaftssanktionen gegen Dänemark, z.B. Handelszölle, völkerrechtlich zulässig, eine militärische Intervention hingegen nicht. Es gibt gleichwohl Präzedenzfälle: Beim Völkermord im Kosovo in den 90er Jahren haben die NATO-Staaten sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Kosovaren zur Rechtfertigung einer sog. humanitären Intervention berufen. Demselben Playbook folgte Russland bei der Annexion der Krim 2014 und dem Angriff auf den Donbass 2022. Die Ukraine habe zuvor – so Russland – das Selbstbestimmungsrecht der dort lebenden Russen verletzt. Ob eine humanitäre Intervention als ungeschriebene Ausnahme vom Gewaltverbot grundsätzlich anzuerkennen ist, ist nach wie vor umstritten. Wenn man sie anerkennt, muss ihr Anwendungsbereich allerdings auf extreme Fälle gravierender Menschenrechtsverletzungen beschränkt bleiben, also z.B. einen Genozid. Ungeachtet dessen, ob eine humanitäre Intervention grundsätzlich zulässig ist, liegen deren Voraussetzungen auf Grönland nicht vor: Dänemark hat sich keines Genozids an den Grönländern schuldig gemacht, sondern hat im Gegenteil deren Lebensstandard und Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten erheblich gesteigert. Grönland verfügt heute über ein eigenes Parlament, verwaltet sich weitgehend selbst und wird von Dänemark jährlich mit knapp 600.000.000€ unterstützt.

Müsste Deutschland Dänemark bei einem Angriff auf Grönland militärisch beistehen?

Militärische Beistandspflichten gegenüber Dänemark ruhen auf zwei Säulen: der NATO und der EU. Der Fall, dass ein NATO-Mitglied ein anderes angreift, ist im NATO-Vertrag nicht vorgesehen. Der Bündnisfall nach Art. 5 ist indes kein Automatismus. Vielmehr muss der NATO-Rat im Konsens, hierüber entscheiden, was ausgeschlossen ist, wenn der Aggressor selbst in der NATO ist. Inhaltlich verpflichtet der NATO-Vertrag einen Mitgliedsstaat nur dazu, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die er für notwendig erachtet. Dieser Pflicht könnte Deutschland bereits durch Sendung von 5.000 Helmen genügen.

Weiter reicht ihrem Wortlaut nach die Beistandsklausel des Art. 42 VII EUV, die auch vor Angriffen durch die USA schützen würde. Hiernach schulden die EU-Mitglieder „alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung.“, was nach herrschender Meinung auch militärische Maßnahmen umfasst. Problematisch ist allerdings, dass Grönland kein Unionsgebiet ist. Zum Schutz der heimischen Fischbestände vor europäischen Fangflotten trat Grönland nämlich 1985 aus der EWG aus. Der Wortlaut des Art. 42 VII EUV erfasst zwar jeden „bewaffneten Angriff auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates“, wozu auch Grönland als außereuropäisches Hoheitsgebiet Dänemarks gehört. Die Beistandsklausel ist jedoch teleologisch auf das Unionsgebiet zu reduzieren: Zum einen enthalten die Art. 198 ff. AEUV abschließende Sonderregelungen für die Assoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete im Allgemeinen und mit Art. 204 AEUV und Protokoll Nr. 34 für Grönland im Besonderen, die eine militärische Beistandspflicht nicht einschließen. Grönland hat sich gegen eine Unionsmitgliedschaft entschieden und dürfte somit auch nicht in den Genuss der europäischen Verteidigungsgemeinschaft kommen.

What’s next?

Zu einem amerikanisch-dänischen Krieg wird es wahrscheinlich nicht kommen. Die dänische Ministerpräsidentin hat bereits signalisiert, dass sie einem grönländischen Unabhängigkeitswunsch nicht im Wege stehen will. Trumps medienwirksam geäußertes Interesse an Grönland hat aber schon einiges positives bewirkt: Einerseits freuen sich die Grönländer, dass Dänemark durch diesen Weckruf endlich beginnt, seine Kolonialgeschichte aufzuarbeiten. Andererseits schenken die europäischen Verteidigungsministerien der offenen NATO-Nordflanke nun endlich die nötige Aufmerksamkeit.

Zitiervorschlag: von Rochow, Moritz, Donald Trumps Gespür für Schnee: Grönland könnte bald amerikanisch sein, JuWissBlog Nr. 14/2025 v. 07.02.2025, https://www.juwiss.de/14-2025/

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Donald Trump, Geopolitik, Grönland, NATO, Selbstbestimmung
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