von SIMONE KUHLMANN
Wer zukünftig aus einem Risikogebiet kommend in Deutschland in bestimmte Regionen in den Urlaub fahren möchte, benötigt seit Ende Juni einen negativen Corona-Test. Andernfalls sind Hotels und andere Beherbergungsbetriebe gehalten, den Reisenden abzulehnen. Was als Konzept für Urlaubsreisen begonnen hat, könnte bald auch Konzept für andere Freizeitaktivitäten sein. Zugang zum Konzert oder zu sonstigen Veranstaltungen könnte es dann bspw. nur noch mit einem negativen Corona-Test geben.
Beherbergungsverbot bei fehlendem negativen Corona-Test
Aufgrund des jüngsten Infektionsgeschehens in Gütersloh haben neben Ländern wie Bayern, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern kurzerhand auch die Länder Baden-Württemberg und Brandenburg ein Beherbergungsverbot für Personen erlassen, die aus einem Gebiet mit 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner:innen kommen. Ausgenommen von diesem Verbot sind Personen, die über ein max. 48 Stunden altes ärztliches Zeugnis verfügen, welches bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 vorliegt. Als hinreichendes ärztliches Zeugnis gilt dabei ausschließlich ein sog. PCR-Test (Polymerase-Kettenreaktion), der auf vorhandenes Erbgut des Virus testet. Positive Antikörper- oder Antigen-(Schnell-)Tests genügen hingegen nicht.
Die dahinterstehende Idee ist nicht gänzlich neu. Bereits Ende April sind unter dem Stichwort „Covid-19-Pass“ und „Immunitätsausweis“ – auch auf europäischer Ebene – schon vergleichbare Ideen diskutiert worden. Anders als bei der jetzigen Konzeption ging bzw. geht es dabei allerdings nicht um den Nachweis, nicht mit SARS-CoV-2 infiziert zu sein, sondern um den Nachweis der Immunität gegen das Virus basierend auf nachgewiesenen Antikörpern. Die Idee konnte sich allerdings u.a. aufgrund der Tatsache, dass nach wie vor unklar ist, ob und wie lange Patienten nach einer überstandenen Infektion überhaupt immun sind, vorerst nicht durchsetzen.
Das falsche Versprechen von Sicherheit
Auch das jetzige Abstellen auf einen negativen Corona-Test ist eine trügerische Angelegenheit, die falsche Sicherheit verspricht. Denn abgesehen von der Tatsache, dass das jeweilige Testergebnis stark von der Art und dem Zeitpunkt der Probenentnahme abhängt – ist das Virus doch je nach Erkrankungsphase eher im Rachenraum oder nur im Lungensekret nachweisbar –, stellt ein solcher Corona-Test max. eine Momentaufnahme dar. So kann eine Person aufgrund der Inkubationszeit von bis zu 14 Tagen zwar virusfrei getestet sein, aber einige Tage später dennoch das Virus verbreiten. Vor allem bei Urlaubsreisen, die üblicherweise über mehrere Tage andauern, kann daher ein 48 Stunden vor Anreise angefertigter PCR-Test nur teilweise Sicherheit gewährleisten.
Problematisch sind zudem die Kosten für die Corona-Tests sowie die für ein solches Konzept notwendigen Testkapazitäten. Vor allem wenn sich zur Ferienzeit aufgrund des Infektionsgeschehens vor Ort viele Personen zeitgleich auf Corona testen lassen müssen, um in den Urlaub reisen zu können, bedarf es hoher Testkapazitäten, um die gesetzlich vorgeschriebene 48-Stunden-Frist für einen gültigen Nachweis überhaupt wahren zu können. Hinzu kommen die Kosten von 60-200 EUR pro Test. Da die Krankenkassen diese bislang nur in medizinisch veranlassten Fällen übernehmen, werden Urlaubsreisende – abgesehen von Personen, die in Bayern gemeldet sind und für die das Land seit dem 1. Juli die Kosten übernimmt – diese in der Regel selbst tragen müssen. Vor allem, wenn das Konzept aktueller, negativer Corona-Test als Zugangsvoraussetzung Schule macht und auch für den Zutritt zu Veranstaltungen wie Konzerten oder zum Arbeitsplatz Realität werden würde, wäre dies rechtlich fragwürdig. Denn mehr noch als sonst würden dann das individuelle finanzielle Leistungsvermögen über die Teilhabe am kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Leben entscheiden.
Dennoch: Keine unzulässige Beschränkung der Reisefreiheit
Trotz dieser bestehenden Kritik dürften die ergangenen Beherbergungsverbote bei fehlendem negativen Corona-Test rechtlich wenig zu beanstanden sein. Insbesondere verletzen die Verbote nicht das in Art. 11 Abs. 1 GG verbriefte Recht auf Freizügigkeit. Zwar wird durch sie das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnung zu nehmen, beeinträchtigt. Gleichwohl wird dies angesichts der drohenden Gefahren für Leib und Leben anderer Beherbergungsgäste sowie weiterer möglicher Kontaktpersonen, aber auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Folgen, die eine eingeschleppte Corona-Infektion für den jeweiligen Beherbergungsbetrieb aber auch für das gesamte Urlaubsgebiet mit sich bringen würde, hinzunehmen sein. Denn eine Infektion, die durch einen Urlaubsgast verursacht werden würde, hätte mit Sicherheit die Schließung des Beherbergungsbetriebs zur Folge, könnte aber im schlechtesten Fall sogar lokal wieder zu einem begrenzten Lockdown führen.
Um derartige Szenarien zu verhindern, gestattet Art. 11 Abs. 2 GG explizit die Beschränkung der Freizügigkeit, wenn dies zur Verhinderung der Ausbreitung schwerer übertragbarer Krankheiten (sog. Seuchengefahr) erforderlich ist. Zu diesen schweren Krankheiten zählt unzweifelhaft auch das neuartige SARS-CoV-2. Eine Infektion mit dem Virus kann besonders im Fall eines schweren Verlaufs zu teils irreversiblen Organschäden bis hin zum Tod führen, auch weil erfolgsversprechende Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten nach wie vor noch weitestgehend fehlen. Nicht umsonst ist SARS-CoV-2 daher in die Liste der gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG meldepflichtigen Krankheiten aufgenommen worden. Dabei lässt sich eine Ausbreitung des Virus aufgrund seiner Übertragung über Tröpfchen bzw. Aerosole und des Fehlens eines Impfstoffs derzeit sinnvoll nur durch Kontaktvermeidung zu infizierten Personen verhindern.
Die Beherbergungsverbote bei fehlendem negativen Corona-Test stehen zudem nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen Vorteilen für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung, aber auch für das wirtschaftliche und soziale Leben. Insbesondere fehlt es trotz der Tatsache, dass diese Tests lediglich eine Momentaufnahme wiedergeben und daher keine 100prozentige Sicherheit gewähren, nicht an deren Geeignetheit. Denn aus rechtsstaatlicher Sicht ist es bereits ausreichend, wenn die abstrakte Möglichkeit besteht, dass das gewählte Mittel wenigstens das verfolgte Ziel fördert. Letzteres wird man dem Beherbergungsverbot für nicht negativ auf das SARS-CoV-2 getestete Personen kaum absprechen können, zumal dem Gesetzgeber vom BVerfG ein weites Prognoserecht bzgl. der Mittelwahl zugestanden wird. Denn selbst wenn die Tests nicht vollständig ausschließen, dass negativ getestete Personen zum Zeitpunkt der Reise doch infektiös sind, lässt sich durch die Tests doch zumindest verhindern, dass bislang unerkannt mit Corona Infizierte den Virus weiterverbreiten und das wirtschaftliche und soziale Leben ggfs. wieder heruntergefahren werden muss. Abgesehen davon sind die Beherbergungsverbote in ihrer jetzigen Ausgestaltung ausschließlich auf Personen beschränkt, die aus einem sog. Risikogebiet anreisen, also einem Gebiet, wo die Zahl der Neuinfektionen pro Tag laut dem Robert-Koch-Institut den kritischen Wert überschreitet. Damit ist der Eingriff in die Freizügigkeit von vornherein auf begründete Fälle begrenzt, wobei die dem Einzelnen aufgrund eines einmalig zu erbringenden Negativ-Tests entstehenden Nachteile mit Blick auf die damit verfolgten Ziele, insb. den Gesundheitsschutz der Bevölkerung sicherzustellen, ohnehin hinzunehmen sein dürften.
Zitiervorschlag: Simone Kuhlmann, Corona-Pandemie: Urlaubsreisen nur noch mit negativen Corona-Test?, JuWissBlog Nr. 101/2020 v. 09.07.2020, https://www.juwiss.de/101-2020/.
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