von FABIAN EICHBERGER und MAGDALENA GÖBEL
Mooting lehrt juristisches Arbeiten, wie es sich vor Beginn des Studiums wohl die meisten vorgestellt haben: Von Rhetorik über vertiefte Sachkenntnisse bis zum leidenschaftlichen Argumentieren für die eigene Partei wird den Teilnehmenden alles abverlangt. Die Integration in das Studium kommt trotz der bestehenden Strukturen mitunter zu spät und verläuft zu unstrukturiert. Wer die Juristenausbildung modern gestalten will, sollte neben der oftmals möglichen Anerkennung auf den Freischuss auch inhaltliche Anreize für Mooting schaffen, vorhandene Strukturen festigen und Synergien nutzen.
Der Bildungsauftrag
Im hamburgischen sowie auch in den meisten anderen Juristenausbildungsgesetzen (beispielsweise Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Thüringen) wird ausdrücklich erwähnt, dass zur juristischen Ausbildung auch Schlüsselqualifikationen wie Verhandlungsmanagement oder Rhetorik gehören. So wie das juristische Studium derzeit strukturiert ist, kann es einer praxisnahen Heranführung an diese Materien allerdings nur bedingt gerecht werden. Kurse hierzu widmen sich oft lediglich den theoretischen Grundlagen ohne die spezifische Schlüsselqualifikation praktisch einzuüben.Vor dem Hintergrund, dass die Schlüsselqualifikationskurse von vielen Studierenden besucht werden (müssen), kann dies in der Form eines interaktiven Kurses auch gar nicht geleistet werden, da eine nachhaltige Einübung der Fertigkeiten nur im kleinen Kreis Erfolg verspricht. Moot Courts sind als Simulation sowohl der schriftlichen als auch der mündlichen Phase eines Gerichtsverfahrens in kleinen Teams bestens geeignet, diese Ausbildungslücke zu schließen und dafür zu sorgen, dass angehende Juristinnen und Juristen bereits beim Einstieg ins Referendariat in dieser Hinsicht besser qualifiziert sind.
An den meisten Universitäten in Deutschland (unter anderem HU Berlin, Heidelberg, Erlangen-Nürnberg, Hamburg, Bucerius Law School) werden mittlerweile zahlreiche verschiedene Moot Courts angeboten, sodass für Interessierte nahezu jedes Rechtsgebiets eine passende Simulation vorhanden ist. Viele, vor allem nationale Moot Courts (Soldan, HanseMoot, BAG-ArbeitsrechtsMoot), erlauben außerdem die Teilnahme mehrerer Teams einer Universität, wodurch die Möglichkeit grundsätzlich allen offensteht, die sich der Herausforderung stellen wollen.
Mehr als nur Streitstände
Zwar gibt es unzählige Klischees, die scheinbar gegen die Teilnahme an einem Moot Court sprechen – unfassbar zeitaufwendig, erbarmungslos kompetitiv, mitunter wenig erfolgversprechend – wer sich aber traut, „in den Ring zu steigen“, der wird mit einer Art von juristischer Arbeit belohnt, die weit über die Wiedergabe der derzeit „herrschenden Meinung“ hinausgeht. Während man das Jurastudium auch gut als Einzelkämpfer bezwingen kann, ist man beim Moot Court angehalten, im Team zu arbeiten. Wer sich nicht darauf einlässt, den Mooting Partnern zu vertrauen und gleichermaßen Verantwortung zu übernehmen, dem stehen anstrengende Monate bevor. Wenn man sich dem Ganzen aber öffnet, hat man die Möglichkeit, die Synergien selbst zu erleben, die sich hinter der Phrase „Teamwork“ verbergen.
Daneben lernt man Durchhaltevermögen, das einem bereits in der Examensvorbereitung eine große Hilfe sein wird und die Fähigkeit, ein Argument von allen Seiten auf seine Überzeugungskraft zu testen – bestimmt nicht der schlechteste Lackmustest für angehende Juristinnen und Juristen.
Auch wer sich nach „hartem“ juristischen Wissen sehnt, wird belohnt: Denn bereitet man sich wochen- oder monatelang auf einem Gebiet vor, erlangt man – mitunter zur eigenen Überraschung – die Fähigkeit, auch mit Experten auf Augenhöhe zu diskutieren. Die Schriftsatzarbeit erlaubt zudem wissenschaftliches Arbeiten mit einem oftmals praxisnäheren Bezug als die gewöhnliche Hausarbeit und wer bei einem Moot Court einen Antrag gestellt hat, wird auch die ein oder andere prozessuale „Formalität“ in neuem Licht sehen.
Zuletzt bleibt natürlich die Fertigkeit, derer sich als „Königdisziplin“ wohl jeder bemächtigen will, der sich für einen Moot Court entscheidet: die Rhetorik. Neben rhetorischen Kniffen lernt man allerdings auch, wie wenig ein noch so versierter Vortrag wert sein kann, wenn man die Stimmung im Raum falsch einschätzt. Gerade wem es am Herzen liegt, wirklich überzeugen zu können und nicht nur Selbstdarstellung zu betreiben, sei das zusätzliche Engagement daher geraten.
Optimierungsmöglichkeiten
Woran liegt es dann aber, dass es dennoch nur ein Bruchteil der Studierenden ist, der sich letztendlich zur Teilnahme entscheidet? Zwar wird es bei freiwilligen Angeboten wohl immer nur die Minderheit bleiben, die sich dafür begeistern lässt, aber es gibt einige Schrauben, an denen zu drehen vielversprechend erscheint.
Gerade in den Anfangssemestern erscheint die Teilnahme an den großen, fremdsprachigen Moot Courts aufgrund des damit einhergehenden Arbeitsaufwands und der kompetitiven Atmosphäre erdrückend. Daher bietet es sich an, junge Studierende mit Formaten mit geringeren Einstiegshürden an das Mooting heranzuführen. Von Model United Nations über kleinere und deutschsprachige Moot Courts gibt es genug Foren, sich an „die große Bühne“ heranzutasten. Ein weiteres könnte beispielsweise die Ausrichtung von mehr fakultätsinternen Moot Courts sein – solche gibt es zwar bereits vereinzelt (StrafrechtsMoot – Leibniz Universität Hannover; Common Law Moot – Bucerius Law School), diese könnten aber noch besser und selbstverständlicher in das bestehende Curriculum integriert werden. Ein Mechanismus hierfür wäre möglicherweise die obligatorische Teilnahme an einem derartigen internen Moot Court, der an das Mooten heranführt und so unter Umständen Studierende dafür begeistern kann, die es auf freiwilliger Basis nicht probiert hätten. Untermauert werden könnten solch fakultätsinterne Moot Courts mit einem Kurs, der in die theoretischen Grundlagen der Verhandlungsführung und Schriftsatzerstellung einführt, sodass Praxis und Theorie sinnvoll verbunden würden. Hierfür und auch aufgrund der steigenden Anzahl an Moot Courts bietet es sich an, universitäre Mooting-Zentren zu schaffen, wie es sie dem Grunde nach an der HU Berlin und der Universität zu Köln bereits gibt. Neben der Betreuung einzelner Moot Courts sollten diese zukünftig die umfassende Integration von Moot Courts in das Studium übernehmen. Dadurch könnten mit vergleichsweise wenig Aufwand insgesamt Auswahlprozesse koordiniert und Synergien in der Vorbereitung etwa im Hinblick auf Rhetorik- und Schriftsatztraining teamübergreifend genutzt werden.
Die mündliche Examensprüfung als Kurz-Plädoyer?
Im Hinblick auf den späteren Arbeitsalltag und das Referendariat könnte man sich außerdem die Frage stellen, warum – wenn es schon einen Kurzvortrag im mündlichen Examen gibt – dieser nicht als Kurz-Plädoyer ausgestaltet ist, sondern als Vortrag im Gutachtenstil, der eher dem Vorlesen einer Klausurlösung gleicht. Um dies an die Realität des anwaltlichen Berufslebens anzupassen, wäre es sinnvoll, den Kurzvortrag in ein Kurz-Plädoyer umzugestalten. Dafür wäre keine große Veränderung der momentanen Regeln nötig, vielmehr bliebe es bei der Aufgabe, einen Sachverhalt in kurzer Zeit zu lösen, die Lösung innerhalb einer begrenzten Redezeit den Prüfern vorzustellen und deren Fragen zu beantworten. Mit wenig Aufwand könnte so sichergestellt werden, dass sich die spätere Berufspraxis auch bereits in der ersten Staatsprüfung widerspiegelt. Gleichzeitig würde erreicht, dass sich bereits während des Studiums mehr Studierende für Mooting oder den Erwerb von Schlüsselqualifikationen im Allgemeinen interessieren und einsetzen – und letztlich wäre eine Veränderung des Vortragsstils wohl sowohl für Prüflinge als auch die Prüfenden spannender.
Weiterführende Leseempfehlungen für Interessierte:
Antonin Scalia – Making Your Case
Ian Morley – The Devil’s Advocate
Veröffentlicht unter CC BY NC ND 4.0.