von RALPH ZIMMERMANN
Nachdem bereits früher drastische politische Stellungnahmen einiger Professoren deutscher staatlicher Hochschulen Anlass waren, an dieser Stelle die rechtlichen Grenzen solcher Äußerungen auszuloten, lösten vergleichbare öffentliche Meinungskundgaben in jüngster Zeit ein erhebliches Echo aus (s. nur den Bericht bei LTO.de); im Zusammenhang mit ihnen wurde auch die Forderung nach disziplinarrechtlichen Reaktionen laut. Darum sollen die verfassungs- und beamtenrechtlichen Maßstäbe, an denen derartige Äußerungen zu messen sind, an dieser Stelle konkretisiert werden. Der Blick bleibt dabei weiterhin auf verbeamtete Professoren beschränkt, die nach wie vor die große Mehrheit an deutschen staatlichen Hochschulen bilden.
Verfassungsrechtliche Ausgangslage und ihre Bedeutung für das einfache Recht
Nur kurz zu erinnern ist an den bereits früher hier ausgeführten verfassungsrechtlichen Hintergrund: Beamten, und also auch verbeamteten Professoren, steht der Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG namentlich für Äußerungen im privaten Bereich zu – die demgegenüber speziellere Wissenschaftsfreiheit schützt nur Stellungnahmen im wissenschaftlichen Fach des Professors. Außerhalb des wissenschaftlichen Bereichs sind Professoren als Beamte aber auch ohne weitere Einschränkung an die durch Art. 33 V GG im Verfassungsrang geltenden hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gebunden. Zu ihnen gehören besondere, Dienstherrn wie Beamten wechselseitig bindende Treuepflichten. So hat der Beamte nach § 33 I BeamtStG jederzeit für den Staat und dessen verfassungsmäßige Ordnung einzutreten und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen. Daneben ist der Beamte zur Loyalität gegenüber seinem Dienstherrn, zu (auch politischer) Neutralität, Unparteilichkeit, einer nur am Gemeinwohl orientierten Diensterfüllung ohne Ansehen der Person sowie zur Beachtung der vom Grundgesetz errichteten „Werteordnung“ verpflichtet.
In Ausgestaltung dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe ist der Gesetzgeber befugt, die Grundrechte des Beamten durch Auferlegung der zur Erhaltung eines intakten Beamtentums unerlässlichen Pflichten einzuschränken. § 33 BeamtStG für Landes- und § 60 BBG für Bundesbeamte konkretisieren zum einen die Treuepflicht und erlegen ihnen zum anderen ein politisches Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot auf. Beides gilt, e contrario § 61 BeamtStG bzw. § 132 IX, X BBG, auch für beamtete Professoren. Diese Normen bilden eine Schranke (auch) der Meinungsfreiheit, die den Anforderungen des Art. 5 II GG genügt. Als meinungsbeschränkende Normen unterliegen sie aber auch der seit dem Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts anerkannten Wechselwirkungslehre, die an dieser Stelle in dreierlei Hinsicht Bedeutung gewinnt: Zum ersten ist – auf der Normebene – die Schrankenregelung ihrerseits freiheitswahrend im Lichte der Meinungsfreiheit auszulegen. Zum zweiten hat – auf der Normanwendungsebene – eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit einerseits, dem Rechtsgut, in dessen Interesse sie eingeschränkt wird, andererseits stattzufinden. Zum dritten wird die Auslegung einer Äußerung erfasst: Ziel dieser Auslegung muss es sein, den objektiven Sinn der Äußerung unter Beachtung ihres Kontextes zu ermitteln. Besonders bedeutsam ist das für die retrospektive staatliche Sanktionierung einer Äußerung. Hoheitliche Stellen dürfen nur dann die sanktionierbare Deutung einer Meinungskundgabe zugrunde legen, wenn sie zuvor schlüssig Deutungen ausgeschlossen haben, die eine Sanktionierung nicht trügen. Soweit § 33 BeamtStG und § 60 BBG aber Ausdruck hergebrachter Grundsätze des Berufsbeamtentums sind, verstärkt ihre verfassungsrechtliche Verankerung das Eigengewicht des einfachen Rechts auch gegenüber der Wechselwirkungslehre.
In diesem Licht: Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebot als Grenzen der Meinungsfreiheit
Dieser Hintergrund prägt das Verständnis des Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebots des Beamten: Weil es die Achtung vor dem Berufsbeamtentum erhalten und das Vertrauen in eine unparteiische, gerechte, gegenüber jedermann neutrale und gemeinwohlorientierte Amtsführung bewahren soll, hängt die Grenze, die es der Meinungsäußerungsfreiheit im Einzelfall setzt, von Art und Inhalt der Äußerung ebenso ab wie von der konkreten Stellung des Beamten und dem Bezug der Meinungskundgabe zu seinem Amt. Dabei nimmt der Grad an Mäßigung und Zurückhaltung, der einem Beamten abverlangt wird, mit steigender Nähe der Äußerung zu seiner dienstlichen Tätigkeit zu. Diese Nähe kann sich aus dem Kontext seiner Meinungsäußerung ebenso ergeben wie aus der meinungsunterstützenden Verwendung seiner Dienstbezeichnung oder einem Zusammenhang mit seinem eigenen dienstlichen Aufgabenkreis. Ämter mit einem umfangreichen und prominenten Aufgabenzuschnitt fordern demgemäß stärkere Mäßigung als solche mit eher beschränkten Kompetenzen.
Für den außerdienstlichen Bereich führt der besondere Wertgehalt der Meinungsäußerungsfreiheit hingegen zu einer Vermutung für die freie Rede, also für die Zulässigkeit von Äußerungen. Diese Vermutung findet sich aber dort widerlegt, wo Äußerungen eines Beamten strafbar oder aus anderen Gründen pflichtwidrig sind. Das kommt für außerdienstliches Auftreten des Beamten dann in Betracht, wenn es aus Sicht eines unvoreingenommenen Betrachters den Anschein erweckt und den Rückschluss erlaubt, er werde sein Amt nicht unparteiisch, politisch neutral oder allein am Gemeinwohl orientiert ohne Ansehen der Person wahrnehmen. Freilich ist bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes außerdienstliches Verhalten eines Beamten derartige Rückschlüsse auf die Amtsführung zulässt, Zurückhaltung geboten; es ist besonders aufmerksam daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit es einen Bezug zur dienstlichen Stellung und zu den Dienstaufgaben aufweist. Jedenfalls muss der Beamte auch außerhalb des Dienstes darauf bedacht sein, eine klare Trennung zwischen dem Amt und der Teilnahme am politischen Meinungskampf einzuhalten. Dies kann auch Einschränkungen insbesondere für den Stil der politischen Betätigung und die Wortwahl politischer Meinungsäußerungen bedeuten.
Als besonders prekär erweisen sich in diesem Lichte außerdienstliche Äußerungen eines Beamten, mit denen er, z. B. anknüpfend an die von Art. 3 III GG aufgeführten Merkmale, bestimmten Gruppen von Menschen pauschal oder überspitzt negative Eigenschaften attribuiert oder ihnen den berechtigten Gebrauch von Freiheitsrechten abspricht. Solche Äußerungen sind – je nach Wortlaut und Kontext – geeignet, den Anschein zu erwecken, der Beamte könne innerdienstlich sein Amt nicht ohne Ansehung der Person führen oder lasse die nötige politische Neutralität vermissen.
Mögliche disziplinarische Konsequenzen
Äußerungen, die im gerade beschriebenen Sinn die Grenzen des Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebots überschreiten, werfen die Frage nach einer möglichen disziplinarischen Sanktionierung durch die dafür zuständige Stelle auf.
Jedoch stellt das Beamtenrecht hohe Anforderungen an die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme: Ihr Anknüpfungspunkt kann allein ein Dienstvergehen sein, wobei außerdienstlich, d.h. ohne funktionale Verbindung zur Diensttätigkeit des Beamten begangene Pflichtverletzungen dies nur erfüllen, wenn sie in besonderem Maße geeignet sind, das Vertrauen in das Amt des Beamten oder das Ansehen des Beamtentums in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen (vgl. § 77 I 2 BBG, § 47 I 2 BeamtStG). Das Gesetz macht deutlich, dass nicht jedes achtungs- und vertrauenswidrige außerdienstliche Verhalten zugleich Dienstvergehen ist, sondern dass es wesentlich darauf ankommt, ob die Pflichtverletzung einen inneren und gesteigerten Bezug zu den dienstlichen Pflichten des Beamten aufweist. Selbst wenn ein Dienstvergehen in diesem Sinne vorliegt, müsste die zuständige Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen die Disziplinarmaßnahme unter Beachtung des Übermaßverbots aus dem Katalog des § 5 I BDG oder beispielsweise § 5 I SächsDG so zumessen, dass die Schwere des Dienstvergehens, der Grad des dadurch eingetretenen Vertrauensverlustes und das Maß der Schuld sowie das Persönlichkeitsbild des Beamten Beachtung finden (vgl. § 13 I BDG, § 13 I SächsDG).
Erreicht ein Mäßigungs- und Zurückhaltungsverstoß diese Schwellen nicht, verbleibt die Möglichkeit einer – unterhalb der Sanktionen des Disziplinarrechts liegenden (vgl. § 6 S. 2 BDG, § 6 S. 2 SächsDG) – Missbilligung durch den Dienstherrn und das weite Feld der (hochschul)politischen Reaktionen. Danach dürften sich, gerade bei nicht strafbaren politischen Meinungsäußerungen, die disziplar- und beamtenrechtlichen Handlungsmöglichkeiten der zuständigen Stelle zumeist auf den Ausspruch einer Missbilligung, allenfalls auf einen Verweis beschränken.
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