Von FABIAN BÜNNEMANN*
Die Diäten von Abgeordneten sind ein regelmäßig wiederkehrendes Streitthema. Vielfach wird den Abgeordneten bei der Festlegung ihrer Diäten „Selbstbedienung“ vorgeworfen. Denn als klassische Entscheidung in eigener Sache befinden sich die Abgeordneten stets in dem Dilemma, über ihre eigene Entschädigung, ihr eigenes „Entgelt“, selbst zu befinden. Zuletzt erhöhten sich etwa die Diäten der Thüringischen Landtagsabgeordneten rückwirkend zum 1. Januar 2015 um 166,00 Euro. In Thüringen geschieht dies ganz ohne parlamentarische Abstimmung und hitzige Debatten in der Öffentlichkeit. Denn Thüringen verfügt über eine landesverfassungsrechtlich verankerte Indexierung. Ein Ausweg aus den ewig gleichen Diätendebatten?
Die Pflicht zur Entscheidung in eigener Sache
Grundsätzlich begründet Art. 48 Abs. 3 GG hinsichtlich der Abgeordnetendiäten eine Pflicht zur Entscheidung in eigener Sache. Denn es lässt sich – so auch das BVerfG im sog. „Diätenurteil“ – in „einer parlamentarischen Demokratie (…) nicht vermeiden, dass das Parlament in eigener Sache entscheidet, wenn es um die Festsetzung der Höhe und um die nähere Ausgestaltung der mit dem Abgeordnetenstatus verbundenen finanziellen Regelungen“ geht. Allerdings verlangt das BVerfG in diesem Falle aufgrund des Demokratie- sowie Rechtsstaatsprinzips eine besondere Transparenz, da ansonsten eine wirksame Kontrolle der Parlamentsentscheidung nicht gewährleistet sei.
Aus diesem Transparenzgebot folgt in der Regel auch eine Pflicht zur jeweils selbstständigen Entscheidung in eigener Sache. Die Abgeordneten können sich vom „Fluch der Entscheidung in eigener Sache“ nicht etwa dadurch befreien, indem sie bspw. die Entscheidung an eine Expertenkommission delegieren. Ebenfalls unvereinbar mit dem Transparenzgebot ist eine Koppelung der Diäten an die Beamtenbesoldung. Denn die Abgeordnetenentschädigung verträgt keinerlei Annäherung oder Abhängigkeit von einer beamtenrechtlichen Gehaltsregelung.
Das Thüringische Modell
Seit den ausführlichen Debatten und dem sich daran anschließenden Volksentscheid in Thüringen im Jahr 1995 wird in der Literatur rege über die rechtliche Zulässigkeit einer Indexierung der Abgeordnetenentschädigung diskutiert. Nach der im Freistaat getroffenen Regelung verändert sich die Höhe der Grundentschädigung der Landtagsabgeordneten gem. Art. 54 Abs. 2 ThürVerf jährlich nach Maßgabe der allgemeinen Einkommensentwicklung. Dabei ist die allgemeine Anpassungsregel in der Landesverfassung, die genaue Ausgestaltung im Abgeordnetengesetz festgelegt. Einbezogen werden dabei sowohl die Veränderung der Bruttoeinkommen von abhängig Beschäftigten sowie von Empfängern von Arbeitslosengeld II (§ 26 Abs. 1 ThürAbgG). Hervorzuheben ist insbesondere, dass die Anpassung automatisch von statten geht, eine Entscheidung des Parlaments mithin obsolet ist. So teilt der Landtagspräsident lediglich jährlich die ermittelte Einkommensentwicklungsrate sowie die sich daraus ergebende Veränderung der Entschädigung dem Parlament sowie der Öffentlichkeit mit (§ 26 Abs. 3 ThürAbgG).
Eine solche Regelung führt zu einer transparenten, willkürfreien und konstanten, der wirtschaftlichen Lage entsprechenden, Anpassung der Abgeordnetendiäten. Eine dynamische Verweisung wie die Indexierung ist geeignet, um Prinzipien, die demokratisch einmal festgelegt werden, laufend den Verhältnissen der Gesellschaft anzupassen. Gleiches geschieht im Rahmen des Sozialversicherungssystems. Dabei hilft die dynamische Verweisung, nicht stets dieselben Probleme zu diskutieren, sondern vielmehr einen demokratisch gefundenen Konsens als Prinzip fixieren zu können. Die Indexierung führt darüber hinaus zu größerer Transparenz, indem die Anpassungsregel konkret festgelegt wird. Der Vorwurf von Willkür und „Selbstbedienung“, der regelmäßig den Diätenerhöhungen anhaftet, wird dabei durch eine transparente Berechnung vermieden. So folgt die Diätenanpassung stets der wirtschaftlichen Lage.
Verfassungsrechtliche Normierung
In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass immer mehr Bundesländer diesem Ansatz folgen (§ 5 Abs. 3 AbgG BW, § 5 Abs. 3 AbgG BY, § 6 Abs. 3 AbgG BE, § 5 Abs. 4 AbgG BB, § 6 AbgG HB, § 5 Abs. 3 AbgG HE, § 6 Abs. 4 AbgG NDS, § 15 Abs. 1, 2 AbgG NRW, § 5 Abs. 3 AbgG SN, § 28 Abs. 1 AbgG SH, § 6 Abs. 4 AbgG SAN). Auch der Bundestag nahm eine entsprechende Regelung ins AbgG auf (§ 11 Abs. 4 AbgG). Zwar enthalten all diese Regelungen Indexierungen, d.h. automatische Anpassungen i.d.R. an die allgemeine Einkommensentwicklung, verzichten jedoch – abgesehen von Thüringen und neuerdings Sachsen-Anhalt – auf den verfassungsrechtlich verankerten Automatismus. So müssen die Parlamente regelmäßig über die Beibehaltung der Regelung beschließen. Dies folgt aus der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Entscheidung in eigener Sache. Allein einer verfassungsrechtlichen Verankerung der Indexierung ist aber zuzugestehen, den Erfordernissen dieser Pflicht Genüge zu tun. Dies folgt bereits daraus, dass eine einfachgesetzliche Indexierung sehr leicht veränderbar ist, sodass abweichende Veränderungen der Abgeordnetendiäten möglich sind. Dies konterkariert jedoch wiederum den eigentlichen Zweck der Indexierung: Die transparente, willkürfreie und einer konstanten, der wirtschaftlichen Lage entsprechenden, Anpassung. Auch die immer gleichen Diätendebatten, in denen die Abgeordneten die Kritik an den Diätenanpassungen nicht nachvollziehen können während die öffentliche Meinung die aus den hohen Diäten resultierende Politikverdrossenheit anführt, kämen nur mittels der verfassungsrechtlichen Verankerung endlich zu einem Ende. Denn dann gäbe es eine transparente und automatisierte Anpassungsregelung an die wirtschaftlichen Verhältnisse, die auch die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen könnten.
Fazit
Das Modell der Indexierung von Abgeordnetendiäten hat in den letzten Jahren einen „Siegeszug“ in den deutschen Parlamenten angetreten. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings verzichten die meisten Landesparlamente und auch der Bundestag (noch) auf eine (landes-) verfassungsrechtlich verankerte Indexierung. Das grundsätzlich sinnvolle Indexierungsmodell bleibt so auf halber Strecke stehen. Denn die Parlamente müssen bei einer einfachgesetzlichen Regelung weiterhin regelmäßig über die Beibehaltung der Anpassungsregel abstimmen. Den Parlamenten ist daher mehr Mut zur verfassungsrechtlichen Verankerung der Indexierung zu wünschen.
*Fabian Bünnemann studierte von 2008 bis 2013 an der Ruhr-Universität Bochum und erlangte 2014 einen LL.M. im europäischen Recht. Seit September 2014 ist er Rechtsreferendar am LG Bochum. Zuletzt war er von Mai bis Juli an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer und hat sich dort schwerpunktmäßig mit dem Parlamentsrecht in den Ländern beschäftigt.