von RICO NEIDINGER
Die bayerische Staatsregierung hat sich am 7.3.2023 dazu entschlossen, eine Abschaffung der Altersgrenze für die Wählbarkeit zum Bürgermeister oder zur Landrätin auf den Weg zu bringen. Als Grund führt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an, dass angesichts der Debatte um eine flexible Verlängerung der Lebensarbeitszeit die Altersgrenze als „aus der Zeit gefallen“ erscheine. Tatsächlich sind Altersgrenzen immer wieder Gegenstand gerichtlicher Überprüfungen und politischer Debatten. Letzteres gilt aktuell insbesondere für den gegenteiligen Fall: Mindestaltersgrenzen im Wahlrecht. Insofern stellt sich die Frage, ob sich der Vorstoß als ein Beitrag zur Antidiskriminierung wegen des Alters oder vielmehr als eine Hypothek für die Generationengerechtigkeit erweist.
I. Ausgangslage in Bayern
Das bayerische Kommunalrecht bestimmt Bürgermeister als Beamte der Gemeinde (gleiches gilt für Landräte gem. Art. 31 LKrO) und unterscheidet grundsätzlich, orientiert an der Gemeindegröße, zwischen zwei Arten: den berufsmäßigen und den ehrenamtlichen Bürgermeistern (Art. 34 BayGO). Die Altersgrenze für Bürgermeister gilt nur für erstere sowie für Landräte und ergibt sich aus Art. 39 II 2 GLKrWG in Form einer Einschränkung des passiven Wahlrechts. Zum berufsmäßigen ersten Bürgermeister oder zur Landrätin kann nicht gewählt werden, wer am Tag des Beginns der Amtszeit das 67. Lebensjahr vollendet hat. Die Amtszeit beginnt gem. Art. 43 I GLKrWG am Tag nach der Feststellung des Wahlergebnisses, jedoch nicht vor Ablauf der Amtszeit der bisher das Amt innehabenden Person. Die Altersbeschränkung gilt für Wahlen seit 2020. Davor lag sie bei 65 Jahren.
Relevant ist damit das Alter zu Beginn der Amtszeit. Eine Bürgermeisterin oder ein Landrat kann damit grundsätzlich bis kurz vor Vollendung des 73. Lebensjahrs das Amt ausüben, da unter Abweichung von § 25 BeamtStG der Ruhestand erst nach Ablauf der sechsjährigen Amtszeit eintritt (Art. 21 KWBG). Die Regelung in Art. 39 II 2 GLKrWG stellt damit keine direkte Ruhestandsregelung dar.
II. Altersdiskriminierung
Aus diesem Grund kann die Frage, ob Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand in richtlinienkonformer Auslegung (vgl. Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2000/78/EG) überhaupt vom AGG erfasst sind, offenbleiben. Altersgrenzen für den Eintritt in eine Beschäftigung unterfallen unzweifelhaft dem AGG gem. § 7 I 1 i.V.m. §§ 1, 2 I Nr. 1, 24 Nr. 1 AGG und sind deshalb gem. § 8 AGG rechtfertigungsbedürftig.
Die Altersgrenze in Art. 39 II 2 GLKrWG war in ihren Vorläuferformen bereits zweimal Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle (BayVerfGHE 21, 83; 65, 268; bestätigt durch BVerfG NVwZ 2013, 1540). Das AGG wirkt als Bundesgesetz nach ständiger Rechtsprechung des BayVerfGH mittelbar über das Rechtsstaatsprinzip des Art. 3 I 1 BV auf den Prüfungsmaßstab des Gerichtshofs ein. Ein offen zu Tage tretender, inhaltlich als schwerwiegender, besonders krasser Eingriff in die Rechtsordnung zu wertender Verstoß gegen Bundesrecht, verletzt das Rechtsstaatsprinzip (m.w.N. BayVerfGHE 65, 268). Das Verfassungsgericht sah in der Altersbegrenzung wegen einer Rechtfertigung gem. § 8 AGG keinen offen zu Tage tretenden Verstoß. Als maßgebliche berufliche Anforderung erkannte der BayVerfGH das vom Gesetzgeber (LT-Drs. 16/9081, S. 14) angeführte Kriterium der Leistungsfähigkeit ausdrücklich an. Diese sollte während der gesamten Amtszeit gewährleistet werden, um Zwischenwahlen zu vermeiden. Das BVerfG stellt insofern ähnlich auf die „effektive Bewältigung der mit dem angestrebten Amt verbundenen Aufgaben“ ab (BVerfG a.a.O). Auch ein Eingriff in das allgemeine passive Wahlrecht (Art. 12 I i.V.m. Art. 14 I 1 BV) sah der BayVerfGH – unter Anerkennung eines Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Abwägung der kollidierenden Verfassungsgüter – mit dem Gebot der Gewährleistung einer effektiven und durch Kontinuität geprägten Verwaltung als gerechtfertigt an (BayVerfGHE 65, 268).
III. Verhältnis zu Mindestaltersgrenzen
Das bayerische Recht kennt aber nicht nur Altershöchstgrenzen sondern auch Mindestgrenzen, z.B. für das Amt des Ministerpräsidenten (Art. 44 II BV). Während die Rechtslage in Bayern bezüglich des Mindestalters für die passive Wahl zum Bürgermeister oder zur Landrätin mit 18 Jahren (Art. 39 I Nr. 2 GLKrWG) im Bundesvergleich recht liberal erscheint (Baden-Württemberg z.B. 25 Jahre, § 46 I GOBW), liegt das aktive Wahlrecht – als eines der wenigen Bundesländer – im Einklang mit Art. 7 I BV noch bei 18 Jahren (Art. 1 I Nr. 2 GLKrWG). Entsprechende Änderungsanträge der Grünen zur Absenkung des Wahlalters auf 16 hatte der bayerische Landtag zuletzt im Juni 2022 abgelehnt (LtProt. 18/118, S. 16387ff.). Aus Perspektive der Generationengerechtigkeit könnte deshalb die einseitige Aufhebung der Altersgrenzen für das passive Wahlrecht zur Bürgermeisterin oder zum Landrat eine einseitige Verschiebung zu Lasten der jungen Generation sein. Für diesen Blickwinkel spricht der Umstand, dass die Gruppe der älteren Wähler wegen des demografischen Wandels zahlenmäßig tendenziell überlegen ist. Auf Bundesebene liegt die Zahl der Wahlberechtigten in den Kohorten 18-34 Jahren (13.046.000) zusammen – wenn auch knapp – unter der Gruppe der ab 70-jährigen (13.263.000) (Bundeswahlleiter, S. 8).
Dennoch stellt sich die Frage, ob beide Altersgrenzen derart verknüpft werden sollten oder damit nicht vielmehr Äpfel mit Birnen verglichen werden. Das trifft jedenfalls auf die Beschränkung des aktiven Wahlrechts auf 18 Jahre zu – unabhängig davon, ob man diese Typisierung des Gesetzgebers im Ergebnis befürwortet, wofür neben der Konsistenz der Rechtsordnung auch entwicklungspsychologisch gute Gründe sprechen. Anders als bei der Altersgrenze für das passive Wahlrecht, handelt es sich beim Mindestalter um eine Zutrittsschranke zur Wahlteilnahme insgesamt. Darüber hinaus erscheint die Notwendigkeit für eine Typisierung hinsichtlich der Amtsfähigkeit rein zahlenmäßig weniger gewichtig. Bei 2056 Gemeinden und 71 Landkreisen können im Einzelfall vorkommende gravierende Leistungsabfälle bei den Amtswaltern unproblematisch mit dem Mittel der Dienstunfähigkeit gem. Art. 23 II KWBG bewältigt werden, auch wenn der EuGH die Verhinderung von Rechtsstreitigkeiten über die Fähigkeit eines Beamten gerade mit als Rechtfertigungsgrund für die Altersgrenze im Beamtenrecht ansieht (EuGH C-159/10, 160/10, Rn. 50). Auch aus demokratischen Gesichtspunkten scheint es naheliegender, die Entscheidung, ob eine 67-jährige noch für das Amt der Bürgermeisterin geeignet ist, dem Wählerwillen zu überlassen. Für Ministerpräsidenten oder Minister gibt es schließlich auch keine Altershöchstgrenze. Allerdings würde die Aufhebung der Altersgrenze für Bürgermeister und Landräte als kommunale Wahlbeamte (Art. 1 II KWGB) einen weiteren Baustein aus ihrer beamtenrechtlichen Verknüpfung lösen und sie weiter dem politischen Charakter ihres Amtes annähern. Nur am Rande sei erwähnt, dass es bei den politischen Führungsämtern in Bund und Länder mit der immer wieder aufkommenden Diskussion um eine Amtszeitbegrenzung – was eine faktische Altersgrenze darstellt – eine gegenläufige Debatte gibt.
IV. Fazit
Mit dem Vorstoß zur Abschaffung der Altersgrenze für die Wählbarkeit zum Bürgermeister oder zur Landrätin wird eine rechtfertigungsbedürftige Altersdiskriminierung ausgeräumt. Zwischen dieser und der Beschränkung des aktiven Wahlrechts auf das Mindestalter 18 besteht keine rechtliche Korrelation. Zwingend ist die Abschaffung gleichwohl nicht, wie die mehrfache Bestätigung durch die Rechtsprechung zeigt. Eigentlich kein Argument ist der zunehmende Mangel an Kandidierenden vor allem in kleinen Gemeinden, denn für ehrenamtliche Bürgermeister, d.h. in Gemeinden unter 5.000 Einwohner, findet die Altersgrenze in Art. 39 II 2 GLKrWG gar keine Anwendung. Anders sieht es ggf. aus, wenn – wie geplant – mit der Kommunalrechtsnovelle diese Schwelle auf 2.500 Einwohner abgesenkt wird. Interessanterweise soll diese Absenkung der Einwohnerschwelle wegen dem gestiegenen Umfang und der zunehmenden Komplexität der kommunalen Aufgaben erfolgen, was ein Argument des BayVerfGH zur Rechtfertigung der Altersgrenze war.
Abzuwarten gilt, ob der bayerische Gesetzgeber wie bei der letzten Anhebung der Altersgrenze 2012 einen so langen Übergangszeitraum wählt – damals waren es acht Jahre (§ 8 III G. v. 16.2.1012) –, um zu vermeiden, dass die Wiederwahl der derzeitigen Amtsträger beeinflusst wird (so die Begründung in LtDrs. 16/9081, S. 19). Da die Regelung schon damals nicht restlos überzeugte (vgl. Sondervoten in BayVerfGHE 65, 268), sollte darauf verzichtet werden.
Zitiervorschlag: Neidinger, Rico, Kommt es wirklich nicht aufs Alter an? Zur Aufhebung der Altersgrenze im bayerischen Kommunalwahlrecht, JuWissBlog Nr. 9/2023 v. 20.03.2023, https://www.juwiss.de/9-2023/.
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