Der Wissenschaftsrat empfiehlt: Die juristischen Fakultäten sollen Konzepte „Juristischer Bildung“ entwickeln

von NORA RZADKOWSKI

Bild_Nora_RzadkowskiWas kann unter „Juristischer Bildung“ verstanden werden? Um sich dieser Frage zu nähern, geht der Beitrag Anregungen aus der Bildungstheorie nach und versucht Wege aufzuzeigen, wie Bildung in juristischen Lehr-/Lernveranstaltungen ermöglicht werden kann. Der Beitrag endet mit einem Plädoyer gegen „Juristische Bildung“ als Feiertagskonzept und für einen Widerstreit in Lehre und Studium: Lerninhalte müssen aufgebrochen und ihr Sinn verhandelt werden.

Der Wissenschaftsrat fordert, dass die juristischen Fakultäten „Konzepte für eine breit angelegte und umfassend verstandene ‚Juristische Bildung‘ entwickeln [sollten], mit denen die Vermittlung von Kontext- und Grundlagenwissen systematisch gestärkt, die Methodenkompetenz zur Erfassung von strukturellen und systemischen Zusammenhängen gefördert und zum Ausgleich das Studium von Detailwissen entlastet wird“ (S. 57). Statt Norm- und Applikationswissen zu vermitteln, sollten Reflexionskompetenz und Kritikfähigkeit der Studierenden gefördert werden. Ich habe mich mit der Empfehlung des Wissenschaftsrats in einem Vortrag auseinandergesetzt, den ich auf der Jahrestagung des Zentrums für rechtswissenschaftliche Fachdidaktik Ende März in Hamburg gehalten habe. Einige meiner Überlegungen möchte ich vorstellen.

Wofür steht der Bildungsbegriff? – Anregungen aus der Bildungstheorie

In Zeiten von Bologna, in denen die Rede von „Kompetenzen“ und „Learning Outcomes“ ist, überrascht es, dass der Wissenschaftsrat auf den Bildungsbegriff zurückgreift. Es ist unklar, ob der Wissenschaftsrat sich bewusst gegen den derzeitigen Mainstream positioniert oder die Kompetenzdebatte in der Rechtswissenschaft noch nicht angekommen ist. Ich denke, dass der Bildungsbegriff tragfähig ist, den Sinn des Jura-Studiums neu zu diskutieren. Dafür muss er aber zeitgemäß interpretiert werden, denn unproblematisch ist er nicht. In den 1960er Jahren wurde die Kritik am Bildungsbegriff immer lauter: Der Bildungsbegriff verschleiere den ungleichen Zugang zur Bildung und sei zu vage und vieldeutig, um empirisch operationalisiert werden zu können. Eine weitere Herausforderung erfuhr der Bildungsbegriff durch die postmoderne Kritik an Vernunft, Autonomie, Harmonie, Ganzheit und Fortschritt – allesamt Leitbegriffe, die mit der Idee der Bildung aufs engste verbunden sind.

Was bleibt übrig vom Bildungsbegriff? Die postmoderne Bildungstheorie hält daran fest, dass Bildung sich in der Wechselwirkung von Ich und Welt ereignet. In Frage gestellt wird die Vorstellung von Bildung als lineare, auf Ganzheitlichkeit und Autonomie zielende Entwicklung. Der Anlass für Bildungsprozesse wird verstärkt im Fremden gesehen, das mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht erfasst werden kann und nach Transformationen des Selbst- und Weltverhältnisses verlangt.

Bildungserlebnisse im Jura-Studium

„Juristische Bildung“ steht damit nicht für bestimmte Inhalte; sie fragt nach qualitativen Veränderungen im Verhältnis von Person und Inhalt. Unter „Juristischer Bildung“ verstehe ich die zeitlich in den Verlauf des Studiums fallenden Transformationen des Selbst- und Weltverhältnisses, die einen fachlichen Bezug zur Rechtswissenschaft aufweisen. Dieses weite Verständnis kann auch einen inhaltlich motivierten Studienabbruch als juristischen Bildungsprozess erfassen. „Juristische Bildung“ steht für die Frage, welche neuen Perspektiven die Rechtswissenschaft für Studierende eröffnen kann.

Ich denke, dass Bildungsprozesse im Jura-Studium sehr selten sind. Ein Bekannter hat mir von folgenden drei Bildungsprozessen berichtet, die er bei sich beobachtet hat:

„1. Die Subsumtionstechnik hat schnell um sich gegriffen, irgendwann fragt man bei allem nach einer Definition. Bei mir hat sich das aber zum Glück nach einigen Jahren etwas abgeschwächt.

2. Wenn man einmal die größeren Zusammenhänge verstanden hat (Rückführen auf Verfassungsgrundsätze, historischer Kontext), versteht man viele Details erst richtig – sowohl im Juristischen, als auch im Politischen. Jura macht politisch.

3. Ich sehe die Rolle der verschiedenen Beteiligten in juristischen Prozessen (Verwaltung, Staatsanwaltschaft, Gerichte, Anwälte) nach dem Studium mit anderen Augen. Jeder hat seine Aufgabe, die er mit einer gewissen professionellen Distanz erfüllen muss.“

„Juristische Bildung“ wird beschrieben als Emanzipation von einem Denken in der Subsumtionslogik (!), als Politisierung und als differenziertere Wahrnehmung von juristischen Berufsrollen. Hier ließen sich eine Reihe von Fragen anschließen: Welche Bildungsprozesse sind vom Curriculum „gewollt“? Welche geschehen gerade entgegen der Lehrpraxis? Sind es plötzliche Einsichten oder länger andauernde Prozesse? Wo liegt die Grenze zu Sozialisationsprozessen?

Ich würde mich freuen, wenn im Rahmen dieses Blogs weitere Erfahrungen ausgetauscht würden, die sich als Bildungserlebnisse beschreiben lassen.

Wie ist Bildung in juristischen Lehr-/Lernveranstaltungen möglich?

Nach dieser Annäherung an den Begriff der „Juristischen Bildung“ möchte ich kurz zwei Ansätze aus der allgemeinen Hochschuldidaktik umreißen, die dabei helfen können, Lehr-/Lernveranstaltungen so zu gestalten, dass Bildung möglich wird. Beide Ansätze haben das Ziel, eine neue Sichtweise zu eröffnen und so einen qualitativen Lernzuwachs bzw. Tiefenlernen zu ermöglichen (qualitativer Lernzuwachs und Tiefenlernen können m.E. nach als Äquivalente zum deutschen Bildungsbegriff verstanden werden).

Der Threshold Concept-Ansatz (Meyer/Land) fragt nach disziplinären Schlüsselkonzepten, mit deren Hilfe sich die jeweilige Disziplin erschließen lässt. Threshold Concepts sind

transformativ: durch die Auseinandersetzung mit den Threshold Concepts kann sich der Blick auf die Disziplin oder ihre Teile verändern
irreversibel: es ist unwahrscheinlich, dass Threshold Concepts verlernt werden,
integrativ: Threshold Concepts helfen dabei, den Zusammenhang zwischen Dingen zu sehen, die vorher unverbunden schienen,
befremdend: oft sind Threshold Concepts schwer zu erfassen, nicht intuitiv greifbar und kollidieren mit dem Vorwissen der Lernenden,
begrenzend: Threshold Concepts markieren die Grenzen einer Disziplin.

Der Threshold Concept-Ansatz kann dabei helfen, Schwerpunkte in den Lehr-/Lernveranstaltungen zu setzen, bei denen sich eine Vertiefung lohnt. In der Rechtswissenschaft werden „Legal Reasoning“ und „Contingency and contested narrative“ (Links s.u.) als Threshold Concepts diskutiert. Es wäre sicher lohnenswert, nach weiteren potentiellen Threshold Concepts Ausschau zu halten.

Einen weiteren Ansatz, die Ebene des oberflächlichen Lernens zu verlassen und in die Tiefen der Rechtswissenschaft vorzustoßen, bietet die Structure of Observed Learning Outcome (SOLO)-Taxonomie von Biggs. Ich benutze die SOLO-Taxonomie – etwas abweichend von Biggs Vorschlägen – um mir selbst zu erarbeiten, welche Bezüge sich zwischen einzelnen Lerninhalten herstellen lassen und mit welchen abstrakteren Ideen sie verbunden werden können. So behandle ich in einer einführenden Veranstaltung die Subsumtionstechnik und die Auslegungsmethoden. Anschließend diskutiere ich mit den Studierenden den Maßstab der Auslegung (subjektiv/objektiv). Auf einer abstrakteren Ebene könnte ich mir vorstellen, der Frage nachzugehen, inwiefern die Methode der Rechtsanwendung eine Methode der Rechtspraxis ist und über welche weiteren Methoden die Rechtswissenschaft verfügt.

Fazit: „Juristische Bildung“ geschieht, wenn Lerninhalte aufgebrochen werden

Die juristischen Fakultäten sollen Konzepte „juristischer Bildung“ entwickeln – das klingt verdächtig nach Gesprächskreisen, in denen auf der Grundlage von Meinungen ein Bildungskanon festgelegt oder ein Wunschbild des idealen Jurastudenten entworfen wird. Solche Feiertagskonzepte führen aber nicht weiter. Was Reflexionskompetenz und Kritikfähigkeit im Jura-Studium bedeuten, kann nur in Auseinandersetzung mit der Rechtswissenschaft konkretisiert werden. Mit anderen Worten: Ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie kritisch die Rechtswissenschaft ist, wird sich auch die Frage nicht klären lassen, was die Kritikfähigkeit Studierender ausmacht. Das ist ein komplexes Unterfangen und bedarf des Zusammenspiels von Rechtswissenschaft, wissenschaftsreflexiven Disziplinen und Hochschuldidaktik, mithin der rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik. Bei der Vorbereitung und Durchführung von Lehr-/Lernveranstaltungen müssen die Lerninhalte aufgebrochen, hinterfragt, dekonstruiert werden, damit ihre Sinnhaftigkeit erschlossen werden kann. Lehrende und Studierende müssen die Bedeutung der Lerninhalte aushandeln. Das ist keine Garantie für Bildung, aber erhöht ihre Wahrscheinlichkeit. Bildung ist „akademisch ein Aufruf zur Hege des Widerstreits in Lehre und Studium, der sich nicht zuletzt in einer Selbstunterwanderung von Lernzielen, Unterrichtsrealität und Prüfungsformen niederschlägt. Mit anderen Worten: Bildungsziele wären nicht solche, wenn sie sich einer vollständigen Operationalisierung hingeben könnten“ (Eugster, in: Brinker/Tremp, Einführung in die Studiengangsentwicklung, Bielefeld 2012, S. 45 [53]).

Links

Überblick über die SOLO-Taxonomie

Legal Reasoning als Threshold Concept: Åkerlind, Gerlese/McKenzie, Jo/Lupton, Mandy, A threshold concepts focus to curriculum design: Supporting student learning through application of variation theory, Final Report December 2010, S. 14ff.

Contingency and contested narrative als Threshold Concept: McDiarmid, Claire/Webster, Elaine, Contingency and contested narrative: a threshold concept in legal education 2010.

 

 

Biggs, Bildung, Bildungstheorie, Fachdidaktik, Hochschuldidaktik, Lehrkultur, Lernkultur, Nora Rzadkowski, SOLO-Taxonomie, Wissenschaftsrat
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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Christoph Smets
    14. Mai 2013 14:20

    Hallo Nora,

    ich hoffe, dass ich Dich nicht zu sehr vor den Kopf stoße, wenn ich Dir mitteile, dass ich Schwierigkeiten hatte zu verstehen was Du mitteilen willst. Dies ist sicher zu einem Gutteil auf mein mangelndes Wissen in der Didaktik zurückzuführen. Die genannten Konzepte (aus der allgemeinen Didaktik) kannte ich jedenfalls nicht, erschließen sich mir aber ohne Erläuterung auch nicht und waren damit für das Textverständnis für mich ohne Nutzen bzw. haben eher für Verwirrung gesorgt.

    Ich hatte den Eindruck, dass Du wenigstens 4 Ziele verfolgst: Eine Kritik des Begriffs der „Bildung“ anhand einer Umdeutung in die Veränderung des Selbst- und Weltverständnisses, die Einführung neuer Ansätze (threshold-concept und SOLO), Erfahrungsmitteilung aus eigenem Unterricht und zum Abschluss Derrida.

    Ich bin mir nicht sicher, ob Du mit dieser Herangehensweise nicht diesen – vielleicht in Unkenntnis des neuesten Standes der lernzentrierten Didaktik geschriebenen – kurzen Absatz überforderst (vielleicht gibt es ja noch andere?).

    Vielleicht könnte man diesen Absatz auch schlicht begreifen als einen Aufruf zu mehr Reflexion, zur Vermittlung der von Dir vermissten Kompetenz(-Kompetenz), insbesondere im Bereich der Methodik, aber auch der Methodologie.

    Hier gibt es in letzter Zeit zarte Versuche einer rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik (s. etwa die neue Reihe „Schriften zur rechtswissenschaftlichen Didaktik“), aber auch lohnende neue Konzepte (etwa die Rhetorische Rechtstheorie).

    Sicher sollte die juristische Ausbildung deutlicher auf die Bildung von Kompetenzen ausgerichtet sein. Die Veränderung des Selbst- und Weltverständnisses erscheint mir aber nicht als taugliches oder auch nur sinnhaftes Ziel (so ich die Ausführungen richtig verstehe) einer spezifisch „Juristischen Bildung“. Eine solche Änderung geht mit nahezu jeder wichtigen Erfahrung einher.

    Ich unterstütze aber uneingeschränkt das Anliegen, die bisher eher durch Imitation von Lehrern aller Art erworbenen juristischen Kompetenzen zu reflektieren und zu diskutieren.

    Antworten
  • Nora Rzadkowski
    15. Mai 2013 09:55

    Hallo Christoph,

    ich danke dir für deine Rückmeldung.

    Ich werde versuchen, einige Anliegen meines Beitrags nochmals klarer zu fassen und auf deine Anregungen einzugehen:

    Mein Ziel war es nicht, aus dem Bericht des Wissenschaftsrats ein Konzept juristischer Bildung abzuleiten, sondern den Bericht – wie ja vom Wissenschaftsrat auch angeregt – zum Anlass zu nehmen, darüber nachzudenken, was juristische Bildung sein könnte. Dafür scheint es mir unerlässlich, Anschlussmöglichkeiten in der Bildungstheorie und allgemeinen Hochschuldidaktik nachzugehen anstatt den Bildungsbegriff neu zu erfinden.

    Die Wechselwirkung von Ich und Welt als Kern des Bildungsbegriffs findet sich schon bei Humboldt. Während Lernen die Aufnahme von Informationen meint, berührt Bildung grundlegende Kategorien der Wahrnehmung der Welt (etwas anders zu sehen, anders zudenken). Gemeint sind also nicht Erfahrungen jeder Art, sondern solche, die zu einer grundlegenden Veränderung führen. Ich beziehe mich dabei auf Hans-Christoph Koller, der von transformatorischen BiIdungsprozessen spricht. Ich denke schon, dass es sinnvoll ist, sich darüber Gedanken zu machen, wie solche Erfahrungen in der Rechtswissenschaft aussehen und wie sie ermöglicht werden könnten. Studierende sind nicht nur Lernende. Es stellt sich nicht nur die Frage, wie sie die Dogmatik oder die Inhalte der Grundlagenfächer besser aufnehmen können. Es muss auch thematisiert werden, inwiefern die Auseinandersetzung mit den Inhalten der Rechtswissenschaft Sinn erschließend ist.

    Ob der von dir erwähnte Kompetenzbegriff tragfähiger ist als der Bildungsbegriff, halte ich für fragwürdig. Bildung steht für die Frage nach der Legitimation, Zielsetzung und Kritik didaktischen Handelns. Dagegen schreiben Kompetenzen fest, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten Studierende erwerben sollten. Das hat klare Vorteile: Die Ziele des Studiums/ der Lehrveranstaltung/ etc. werden klarer formuliert und weisen eine stärkere Handlungsorientierung auf. Aber es ist doch illusorisch zu glauben, dass sich Kompetenzen wertfrei formulieren lassen, dass ihnen keine normativen Annahmen zugrunde liegen. Der Bildungsbegriff kann fruchtbar gemacht werden, um diese Annahmen zu hinterfragen und einer Kritik zu unterziehen.

    Ich war mir auch unsicher, ob ich die Modelle der Threshold Concepts und der SOLO-Taxonomie in den Blog-Beitrag aufnehmen sollte. Ich hatte schon befürchtet, dass sie in der verkürzten Form nicht ganz nachzuvollziehen sind. Ausschlaggebend dafür, dass ich sie aufgenommen habe, war der Wunsch, die Diskussion nicht im Abstrakten zu belassen. Ich wollte gerne auf Modelle hinweisen, die dem Bildungsbegriff besonders nahe stehen und für die (Um-)Gestaltung von Lehrveranstaltungen fruchtbar gemacht werden können.

    Antworten
  • Christoph Smets
    15. Mai 2013 15:23

    Hallo Nora,

    danke für die Rückmeldung, das macht es für mich tatsächlich klarer. Nun ist es aber so, dass wir spätestens auf dem Universitätslevel nicht mehr mit Schülern zu tun haben, die dem Ganzen hilflos ausgeliefert wären. Immerhin ist ein Studium Vorbereitung auf einen Beruf, welchen auch immer. Das juristische Studium also Vorbereitung auf einen juristischen Beruf, auch wenn dieser im Anschluss nicht zwangsläufig gewählt werden muss. Es ist mE nicht Aufgabe der Universität, voraussetzungslose transformative Welterlebnisse zu schaffen, sondern – da sind sie wieder – Kompetenzen zu vermitteln. Ich wüsste auch nicht, was an Kompetenzen eine Wertungsfrage wäre. Die Kompetenz, Informationen zu finden, einen streitigen Fall einer Lösung zuzuführen, Argumente zu finden (nicht bestimmte Argumente, sondern Argumente i. Allg. zu finden) sind für mich keine Fähigkeiten die gut oder schlecht – oder was Du vielleicht eher meinen könntest: rechts oder links sind. Es sind Kompetenzen, die man braucht, um eine jursitische Tätigkeit ausführen zu können (e.g.: Dass ich Argumente in einem Fall überhaupt weiß zu finden, bestimmt noch nicht, wofür ich im Anschluss argumentiere).

    Ich hoffe nicht, dass es sich hier um einen Kampf um Worte handelt. Was mit der juristischen Bildung im Ggstz. zur juristischen Ausbildung gemeint ist, ist mir auch noch nicht ganz klar. Ich denke aber nicht, dass die Kommission anregen wollte, dass wir am Ende alle gleiche Ansichten über die Welt haben (auch wenn Jura-Studierende nach meiner nicht repräsentativen Erfahrung teils recht homogenen sind, dies aber bereits im ersten Semester, also vor einer etwaigen spezfischen „Bildung“).

    Antworten
  • Nora Rzadkowski
    20. Mai 2013 09:17

    Hallo Christoph,

    vielen Dank für deine beharrlichen Antworten. Jetzt nähern wir uns langsam der Diskussion, die ich durch meinen Beitrag anregen wollte: Das Verhandeln der Inhalte des Jura-Studiums.

    Wenn ich deine Aussagen etwas überspitzt zusammenfassen darf, dann meinst du in etwa: Die Universitäten sind für die Berufsvorbereitung zuständig. Die Persönlichkeitsentwicklung ist die Privatsache der Studierenden. Die Anforderungen der Berufswelt sind soweit vorhersehbar, dass sich Kompetenzen bestimmen lassen, mit deren Hilfe die Studierenden die zukünftigen Aufgaben bewältigen können. Zu diesen Kompetenzen gehören die Fähigkeiten, Informationen und Argumente (gleich welchen Inhalts) finden und Fälle lösen zu können.

    Ich sage gar nicht, dass deine Ausführungen falsch sind. Aber ich bin der Meinung, dass aus ihnen normative Annahmen hervorgehen – nicht im Sinne von links oder rechts, sondern von Wertungen, die bestreitbar sind.

    Ein alternativer Entwurf könnte etwa so aussehen:

    Gerade das Jura-Studium bereitet auf eine Vielzahl von Berufen vor, deren Anforderungen schwer vorherzusehen sind. Es ist deswegen unwahrscheinlich, dass im Jura-Studium die positiven Kenntnisse vermittelt werden können, die zur Berufsausübung erforderlich sein werden. Vielversprechender ist es, Studierende dabei zu unterstützen, die Kompetenz zum wissenschaftlichen Arbeiten und Denken zu entwickeln. Dazu gehört die Fähigkeit, mit nicht vorhersehbaren Situationen, konkurrierendem Wissen und vor allem Nichtwissen umgehen zu können. (Denn auf deine Beispiele bezugnehmend: Wie ist denn mit unterschiedlichen, sich widersprechenden Argumentationsmöglichkeiten umzugehen? Was ist zu tun, wenn Informationen nicht auffindbar sind? Wenn nur ein Teil dessen gewusst wird, was zur Entscheidungsfindung eigentlich notwendig ist?)

    Vielleicht hat mein Bekannter den Abschied vom Subsumtionsdenken als Bildungserlebnis beschrieben, weil das Subsumtionsdenken eine Sicherheit vorgaukelt, die nicht besteht und es spannender ist, sich mit der Komplexität der Dinge auseinanderzusetzen.

    Mit Hilfe des Bildungsbegriffs können die Auffassungen, die der gängigen Ausbildungspraxis zugrunde liegen, hinterfragt und kritisiert werden. Das muss nicht dazu führen, dass sich alles ändern muss. Aber zumindest muss es begründet werden.

    Antworten
  • Elisabeth Wanger
    21. Mai 2013 20:18

    Hinweis der Redaktion: Der Kommentar wurde auf Wunsch der Verfasserin entfernt.

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