Vieles wird heutzutage als nachhaltig bezeichnet. Dies gilt für Alltag und Recht gleichermaßen. Eine generelle Antwort auf die Frage, was Nachhaltigkeit im Recht ist, gibt es nicht. Diese Frage kann immer nur im konkreten Zusammenhang mit der jeweiligen Materie beantwortet werden. Rechtsvorschriften verwenden meist Tautologien oder weitläufige Formulierungen, sofern sie überhaupt den Begriff erläutern.
Das bedeutendste Dokument für die internationalen Nachhaltigkeitsstrategien ist die Agenda 21 der Vereinten Nationen zu Umwelt- und Entwicklungsvorhaben aus 1992 in Rio de Janeiro.Die Konferenz wurde aufgrund des Brundtland-Berichts einberufen und legt dem Nachhaltigkeitsbegriff das Drei-Säulen-Modell zugrunde. Demnach weist der Begriff eine ökologische, ökonomische und soziale Dimension auf. Wer zu Beginn der Agenda 21 eine Definition des Nachhaltigkeitsbegriffs erwartet, wird enttäuscht. Vielmehr gliedert sie sich in vier Teile (Soziale und wirtschaftliche Dimensionen, Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen für die Entwicklung, Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen sowie Mittel zur Umsetzung). In jedem Teil der Agenda 21 finden sich Kapitel, in denen Nachhaltigkeit eine derart wichtige Rolle spielt, dass der Begriff in der Überschrift vorkommt. Erst im jeweiligen Kapitel werden konkrete Vorhaben und Maßnahmen genannt, die in diesem speziellen Bereich für Nachhaltigkeit sorgen sollen. Wissensvermittlung ist in allen Bereichen relevant, doch wird sie unterschiedlich ausgestaltet. So steht bei sozialen Zielen die Bildung im Vordergrund, wohingegen Ausbildungsmöglichkeiten bei ökologischen Zielen lediglich als Hilfsmittel zu sehen sind, um die umweltrelevanten Aspekte zu verwirklichen. Aus diesen Ausführungen kann man keine allgemeine Definition ableiten. Vielmehr unterstreicht die Agenda 21 den Umstand, dass Nachhaltigkeit ganz entscheidend vom jeweiligen Gegenstand abhängig ist. Daran haben auch die Nachfolgekonferenzen (1997 Rio + 5 in New York, 2002 Rio + 10 in Johannesburg, 2012 Rio + 20 in Rio de Janeiro) festgehalten.
„Nachhaltigkeit“ im EU-Recht
Seit dem Vertrag von Amsterdam ist die nachhaltige Entwicklung primärrechtlich als grundlegendes Ziel der Europäischen Union verankert. 2001 wurde vom Europäischen Rat in Göteborg die „Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“ (meist mit SDS abgekürzt) veröffentlicht, welche die Lissabon-Strategie ergänzt. Seither wird die Strategie regelmäßig überprüft und angepasst. Hervorgehoben sei das Jahr 2006, in dem der Rat der Europäischen Union umfangreiche Änderungen verabschiedete. Anders als bei der Agenda 21 findet sich bei der SDS eine ausdrückliche Definition. Demnach bedeutet nachhaltige Entwicklung, „dass den Bedürfnissen der heutigen Generation dergestalt Rechnung getragen werden sollte, dass die Fähigkeit künftiger Generationen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, nicht gefährdet wird.“ Diese Begriffsbestimmung ist allgemein gehalten, da die Regelungsbereiche derart komplex sind, dass konkrete Maßnahmen erst auf Ebene der zentralen Herausforderungen festgelegt werden können. Die SDS ist auch von nationaler Bedeutung, da sie den Mitgliedsstaaten einen verbindlichen Rahmen vorgibt.
„Nachhaltigkeit“ im österreichischen Bundesrecht
Im österreichischen Recht kommt der Begriff „Nachhaltigkeit“ in Vorschriften des Bundes- und Landesrechts unterschiedlichen Rangs vor: Als Beispiel für das österreichische Bundesverfassungsrecht sei das „Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelverordnung und die Forschung“ genannt. Dort heißt es in § 1, dass sich Österreich zum Prinzip der Nachhaltigkeit bekennt. Was nachhaltig ist, lässt der Gesetzestext offen. Allerdings findet sich im dazugehörigen Initiativantrag, dass „Nachhaltigkeit im Sinne des anerkannten ‚Drei-Säulen-Modells‘ mit den Elementen Ökonomie, Ökologie und Soziales zu verstehen“ sei. Stellvertretend für das einfache Bundesrecht sei das Forstgesetz 1975 genannt. Es beschreibt den Sinn und Zweck nachhaltiger Waldbewirtschaftung als derzeitige und zukünftige „ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene, ohne andere Ökosysteme zu schädigen“. Das Abkommen über die biologische Vielfalt ist zwar ein völkerrechtlicher Vertrag, hat aber den Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Darin „bedeutet ’nachhaltige Nutzung‘ die Nutzung von Bestandteilen der biologischen Vielfalt in einer Weise und in einem Ausmaß, die nicht zum langfristigen Rückgang der biologischen Vielfalt führen, wodurch ihr Potential erhalten bleibt, die Bedürfnisse und Wünsche heutiger und künftiger Generationen zu erfüllen“. Vom Drei-Säulen-Modell ist hingegen nicht die Rede.
Allerdings soll hier kein falscher Eindruck entstehen, denn ausdrückliche Begriffsbestimmungen finden sich nur selten. So ist es kein Einzelfall, dass Rechtsvorschriften sowie die Materialien die Bedeutung des Nachhaltigkeitsbegriffs gar nicht oder lediglich durch Verweise behandeln. Andere Gesetzesstellen enthalten zumindest Fragmente einer Definition, die Stück für Stück zusammengesetzt ein materienbezogenes Gesamtbild erzeugen. Auf diese Art kann man etwa für den Bereich des Bildungswesens gewinnen, dass Nachhaltigkeit zusammenfassend als „ökologische Handlungskompetenz“ verstanden werden kann, bei der durch die Vermittlung eines verantwortungsbewussten Lebensstils bzw. durch „verantwortungsvolles Verbraucherverhalten“ dafür gesorgt werden soll, dass Ressourcen auch künftig in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen.
„Nachhaltigkeit“ im österreichischen Landesrecht
Exemplarisch für Landesverfassungsrecht, das sich mit dem Begriff der „Nachhaltigkeit“ beschäftigt, sei Art 11 Oberösterreichisches Landes-Verfassungsgesetz genannt. Demnach soll das Ziel der Vollbeschäftigung unter anderem durch eine Marktwirtschaft, die leistungsfähig, nachhaltig und sozial ist, erreicht werden. Zudem wird „eine nachhaltige Bewirtschaftung der bäuerlichen Betriebe mit dem Ziel der Erhaltung eines wirtschaftlich und ökologisch gesunden ländlichen Raumes“ gefordert. Als Beispiel für ein einfaches Landesgesetz dient § 7 Abs 2 Niederösterreichisches Naturschutzgesetz 2000. Dort heißt es, dass die naturschutzrechtliche Bewilligung außerhalb des Ortsbereichs zu versagen ist, „wenn 1. das Landschaftsbild, 2. der Erholungswert der Landschaft oder 3. die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum nachhaltig beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen weitgehend ausgeschlossen werden kann.“ Laut Verwaltungsgerichtshof ist unter Landschaftsbild im Sinne des Naturschutzes „mangels einer Legaldefinition das Bild einer Landschaft von jedem möglichen Blickpunkt zu Land, zu Wasser und in der Luft zu verstehen.“ Für eine nachhaltige Beeinträchtigung dieses Landschaftsbildes hält der Verwaltungsgerichtshof eine „maßgebliche und dauernde Beeinträchtigung des geschützten Rechtsguts“ für erforderlich. Hier steht somit die Beständigkeit des Zustands im Vordergrund. Dies könnte man als ein Qualifikationsmerkmal zu Gunsten der Landschaft und damit auch zum Vorteil künftiger Generationen sehen – doch darf man nicht außer Acht lassen, dass es laut der Judikatur Einschränkungen gibt. In diesem Zusammenhang sei beispielsweise darauf hingewiesen, dass die nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbilds davon abhängt, „wie sich [das] Vorhaben in das vorgefundene Bild einfügt.“
Dieser Stetigkeitsaspekt findet sich allerdings auch an anderen Stellen der Judikatur, wie beispielsweise dem Steuer- und Staatsbürgerschaftsrecht, um wieder auf das Bundesrecht zurückzukommen. Nachhaltigkeit liegt demnach vor, wenn etwas auf Dauer angelegt ist, bei festen und regelmäßigen Einkünften aus Erwerb oder bei wiederholten Tätigkeiten, um nur einige Formulierungen des Verwaltungsgerichtshofs herauszugreifen.
Ansonsten bleibt festzuhalten, dass auch die Landesgesetzgeber im Verhältnis zur Häufigkeit des Nachhaltigkeitsbegriffs mit Definitionen sparsam umgehen.
Fazit
Was sämtliche Regelungsbereiche verbindet, ist, dass sich im Nachhaltigkeitsbegriff eine gewisse Beständigkeit manifestiert. Allerdings ist diese Aussage zu allgemein, um der jeweiligen Materie gerecht zu werden, weshalb eine gegenstandsbezogene Betrachtung unumgänglich ist. Dabei wäre es zu begrüßen, wenn der jeweils zuständige Gesetzgeber den Nachhaltigkeitsbegriff häufiger ausdrücklich definieren würde.