von RICO NEIDINGER
Das BVerfG hat in seinem jüngsten Urteil zur staatlichen Parteienfinanzierung die 2018 erfolgte Anhebung der absoluten Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung in § 18 II PartG(2018) auf 190 Mio. Euro für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Damit gilt die Rechtslage von 2011 fort, wonach die absolute Obergrenze für das Jahr 2012 bei 150,8 Mio Euro lag und sich jährlich um einen Preisindex erhöht. Infolge des Urteils stellt sich die Frage, was mit zu viel ausgezahlten Beträgen passiert. Während die Parteien wohl überwiegend von einer Rückzahlung ausgehen, halten dies manche Vertreter der Rechtswissenschaft für nicht zwingend.
Grundlagen der staatlichen Parteienfinanzierung
Zunächst ist festzuhalten, dass das BVerfG-Urteil nicht automatisch zu einer Rückforderung des zu viel gewährten Betrags führt. Die staatliche Parteienfinanzierung wird vom Bundestagspräsidenten auf Antrag der Parteien durch Verwaltungsakt festgesetzt, § 19a I 1 PartG. Der konkrete Betrag je Partei ergibt sich aus der Kombination der gesetzlich vorgesehenen Förderbeträge in § 18 PartG und den Rechenschaftsberichten der Parteien (§§ 19a, 23 ff. PartG). Die Bestimmung der Anspruchshöhe einer Partei speist sich damit aus zwei unterschiedlichen Quellen.
Die absolute Obergrenze der staatlichen Parteienfinanzierung – eine Rechtsfigur des BVerfG zur Gewährleistung der Staatsfreiheit der Parteien (BVerfGE 85, 264 ff.) – dient vor allem als Kappung der Anspruchshöhe der Parteien. Überschreitet die Summe der staatlichen Mittel für die Parteien zusammen die absolute Obergrenze, kürzt sich deren jeweiliger Anspruch im Verhältnis ihres Anteils an der Gesamtsumme.
Der konkret zu viel erhaltene Betrag pro Partei ergibt sich damit aus der Anwendung der alten absoluten Obergrenzen von § 18 II PartG(2011) für die Jahre ab 2018. Das führt etwa bei der CDU für das Jahr 2018 (jeweils gerundet) anstatt einer Kürzung von 58 auf 56 Mio. Euro bei einer Obergrenze von 190 Mio. zu einer Kürzung auf 49 Mio. Euro bei einer Obergrenze von 165 Mio. Euro. Damit wurden der CDU allein für das Jahr 2018 rund 9 Mio. Euro zu viel ausbezahlt.
Die Fehlerquelle eines unzutreffenden Bescheides kann im Ergebnis aus drei voneinander zu trennenden Verantwortungssphären resultieren: aus unzutreffenden Angaben im Rechenschaftsbericht der Parteien, durch eine verfassungswidrige Berechnungsgrundlage im Gesetz oder durch einen Rechenfehler der Bundestagsverwaltung bei der Festsetzung.
Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung
Fraglich ist nun, wie mit einem fehlerhaften Bescheid umzugehen ist. Klar ist, dass eine Rückforderung des zu viel gezahlten Betrages erst nach teilweiser Aufhebung des Festsetzungsbescheides in Betracht kommt. Dafür bedarf es wegen des Vorbehalts des Gesetzes einer Rechtsgrundlage.
Dabei ist zunächst an § 31a PartG zu denken. Dieser ermächtigt den Bundestagspräsidenten zur Rücknahme der Festsetzung der staatlichen Mittel, soweit im Rechenschaftsbericht der Parteien Zuwendungen i.S.v § 18 III 1 Nr. 3 PartG zu Unrecht ausgewiesen worden sind und dies zu einer unzutreffenden Berechnung der Beträge führte. Damit erfasst § 31a PartG aber nur einen Teilbereich der oben aufgeführten Fehlerquellen, nämlich den Fall, dass die Ursache in der Sphäre der Partei liegt und die Zuwendungen betrifft. Eine darüber hinausgehende Aufhebungsmöglichkeit sieht die Norm nicht vor. Deshalb wird für die übrigen Fälle von einer Anwendung der allgemeinen Vorschriften der §§ 48, 49 VwVfG ausgegangen.
Schutzwürdiges Vertrauen?
Vorliegend kommt als Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme der Festsetzungen über die staatliche Parteienfinanzierung § 48 VwVfG in Betracht. Da es sich bei der Festsetzung um die Grundlage für eine einmalige Geldleistung handelt, richtet sich die Rücknahme nach § 48 II VwVfG. Entscheidend ist danach, ob die Parteien auf den Bestand der Festsetzung vertraut haben und ihr Vertrauen auch schutzwürdig ist.
Schon die Frage, ob die Parteien auf den Bestand der Festsetzung vertraut haben, erscheint zweifelhaft. Soweit die öffentlichen Verlautbarungen der Parteivertreter eine Bewertung zulassen, scheinen die Parteien zumindest überwiegend in Erwartung des Verfassungsgerichtsurteils zu § 18 II PartG(2018) Rückstellungen der fraglichen Beträge vorgenommen zu haben. Damit kommt konkludent zum Ausdruck, dass sie davon ausgingen, auf den Differenzbetrag im Vergleich zur vormaligen absoluten Obergrenze keinen Anspruch zu haben und mit einer Rückforderung rechneten. Das spricht grundsätzlich gegen das Vorliegen eines Vertrauenstatbestands. Keinen Ausschlag kann an dieser Stelle der Umstand geben, welche Parteizugehörigkeit die Abgeordneten haben, die den Normenkontrollantrag zu § 18 II PartG(2018) eingeleitet hatten (FDP, Grüne, Linke) bzw. diesem beitreten wollten (AfD). Dies würde zu einer vorschnellen Zurechnung führen und Abgeordnetenmandat und Parteizugehörigkeit vermischen. Antragsberechtigter einer abstrakten Normenkontrolle ist weder eine Partei noch eine Fraktion, sondern ein Quorum aus einem Viertel der Mitglieder des Bundestages. Diese kommen zwar überwiegend einheitlich aus denselben Fraktionen – zumeist der Opposition –, müssen dies aber nicht zwingend.
Unterstellt man, dass die Parteien auf den Bestand der Mittel vertraut haben, müsste dieses Vertrauen auch schutzwürdig sein. Der Systematik des § 48 II VwVfG folgend, kommen zunächst die Ausschlussgründe in Satz 3 in den Blick. Ernstlich zu thematisieren ist nur Nr. 3, wonach sich auf Vertrauen nicht berufen kann, wer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Auch hier muss zumindest kurz überlegt werden, ob die Parteizugehörigkeit der Antragssteller der Normenkontrolle eine Rolle spielen kann. Die Antragsteller hielten schließlich die Rechtsgrundlage der Festsetzung für verfassungswidrig und nichtig und mussten damit auch von einer Rechtswidrigkeit der Festsetzung ausgehen. Unabhängig davon, dass auch hier die bereits angeführte Zurechnungsproblematik zu berücksichtigen ist, würde eine entsprechende Argumentation zu dem wenig befriedigenden Ergebnis führen, dass gerade diejenigen Parteien ohne weitere Prüfung die überbezahlte staatliche Parteienfinanzierung zurückzugewähren hätten, deren Abgeordnete für die Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustands eingetreten sind. Das Argument ist umso gewichtiger, als im Bereich der Parteifinanzen der politische Wettbewerb wegen der zumindest grundsätzlich gleichlaufenden Interessenlage der Parteien leerzulaufen droht. Durch die Anwendung von § 48 II 3 Nr. 3 VwVfG würden zusätzliche negative Anreize gegen eine verfassungsrechtliche Kontrolle der Grundlagen der Parteienfinanzierung gesetzt. Es erscheint daher überzeugender, für alle Parteien keinen Ausschluss des Vertrauens anzunehmen. Eine sichere Kenntnis der Rechtswidrigkeit liegt auch erst seit dem Urteil des BVerfG vor.
Auf den in § 48 II 2 VwVfG normierten Regelfall, wonach das Vertrauen regelmäßig schutzwürdig ist, wenn der Begünstigte die gewährte Leistung verbraucht hat, können sich die Parteien angesichts der oben erwähnten Rückstellungen wohl auch nicht berufen. Die gewährten Leistungen befinden sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise noch in ihrem Vermögen.
Damit kommt es für die Rücknahme entscheidend auf eine Abwägung zwischen dem – hier unterstellten Vertrauen – der Parteien und dem öffentlichen Interesse an. Nach der Rspr. des BVerwG überwiegt in dieser Situation i.d.R. das öffentliche Interesse, da die Rücknahme den Begünstigten nicht unzumutbar belastet (BVerwGE 67, 159 (164)).
Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertungen
Für das Überwiegen des öffentlichen Rücknahmeinteresses sprechen außerdem die verfassungsrechtlichen Wertungen im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung, wie sie das BVerfG in seiner Judikatur entwickelt hat. Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Parteien als Mittelempfänger durch ihre Abgeordneten mittelbar an der Gesetzgebung selbst beteiligt sind und damit wesentlich mehr Einfluss auf gesetzliche Voraussetzungen und Höhe des Anspruchs haben als andere Leistungsempfänger.
Entscheidend ist, dass Sinn und Zweck der absoluten Obergrenze darin liegen, die Akzeptanz für das Parteiensystem in der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Zwar hat das BVerfG in seinem Urteil die für die Anhebung der Obergrenze 2018 vorgebrachten Argumente dem Grunde nach anerkannt. Im Ergebnis wurde das Gesetz aber für nichtig erklärt. Auch wenn das Urteil letztlich auf einer Aktivierung des Prozeduralisierungsgedankens beruht, was Volkmann im Ergebnis als „kleinlich“ einordnet, ist es bei der Entscheidung über die Rückforderung aber zu berücksichtigen. Dem Vertrauen und der dauerhaften Akzeptanz des Parteiensystems in der Bevölkerung würde wohl nur eine Aufhebung der Festsetzung und anschließende Rückforderung der Differenz gerecht werden. Als Teil der Exekutive kann die Bundestagsverwaltung die Wertung des BVerfG hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit der Anhebung der absoluten Obergrenze selbst nicht berücksichtigen. Dazu müsste der Gesetzgeber (retrospektiv-rückwirkend) tätig werden.
Die verfassungsrechtlichen Wertungen dürften sich zudem auf das Ermessen des Bundestagspräsidenten auswirken, sodass sie auch auf Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen sind.
Fazit
Die vorschnelle Annahme, eine Rückerstattung der überbezahlten staatlichen Parteienfinanzen scheitere an einem Vertrauensschutz der Parteien, überzeugt nicht. Angesichts der Rückstellungen ist schon fraglich, ob die Parteien überhaupt auf den Bestand der Mittelerhöhung vertraut haben. Unterstellt man das Vertrauen dennoch, dann erscheint es näherliegend, ein Überwiegen des öffentlichen Rücknahmeinteresses anzunehmen. Der Bundestagspräsident ist demnach gehalten, die Festsetzungsbescheide für die Jahre 2018-2022 teilweise in Höhe des überbezahlten Betrags zurückzunehmen.
Zitiervorschlag: Neidinger, Rico, Rückfordern oder nicht Rückfordern… – Anmerkungen zu der zu viel gezahlten staatlichen Parteienfinanzierung, JuWissBlog Nr. 3/2023 v. 06.02.2023, https://www.juwiss.de/3-2023/.
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