Interaktives Lernen auch bei asynchroner Online-Lehre

Von Kai E. Wünsche

Wie sich der interaktive Charakter einer Präsenzlehrveranstaltung auch in der asynchronen Online-Lehre herstellen lässt, habe ich mit einem Beispiel aus der digitalen Lehre im Privatrecht beim „2. JuWissLab Gute Lehre im Öffentlichen Recht“ am 04.12.2020 vorgestellt. Dieser Beitrag zeigt, mit welchen Überlegungen und einfachen Werkzeugen, die jedes Lernmanagementsystem bereithält, asynchrone Lehrveranstaltungen erstellt werden können, die von den Studierenden sogar noch mehr Aktivität fordern als in der Präsenzlehre.

 

Zahlreiche kurze Videos statt eines langen Videos

Die vorgestellte asynchrone Online-Vorlesung bestand aus kurzen Lernvideos kombiniert mit einer in einem weiteren Tab/Fenster zu öffnenden Umfrage-Werkzeug, wie es neben ILIAS sicher auch viele andere Plattformen bieten. Die Verwendung von Videos, die in der Regel nicht länger als 6 Minuten sind, soll den Einstieg erleichtern und Neugier wecken, und attraktiv auch für die Nutzenden sein, die mit dem Thema beginnen wollen, aber nicht die nächsten 90 Minuten dafür zur Verfügung haben. Die geringe Dauer der einzelnen Videos berücksichtigt zudem die Erkenntnisse der Lernforschung. Ein weiterer Vorteil, den ich nicht bedacht hatte, haben mir die Studierenden zurückgemeldet: Jedes Video, das man angeschaut hat, verursacht ein kleines Erfolgserlebnis, das bei längeren Videos deutlich seltener auftritt.

Interaktion mit einem Umfragewerkzeug: Freitextfragen und Abstimmungen

Am Ende eines jeden Videos erfolgt dann mindestens eine Frage, die im Rahmen der Umfrage durch Eingabe zu beantworten ist, häufig als Freitextfrage; daneben werden auch Abstimmungen eingesetzt. Dabei handelt es sich um Fragen, die so ähnlich auch in der Präsenzveranstaltung gestellt werden („Wann haben Sie zuletzt einen Vertrag geschlossen und dabei unmittelbar mit Ihrem Vertragspartner verhandelt“, „Halten Sie ein Rechtsgeschäft, bei dessen Abschluss die Vorgaben des Ladenschlussgesetzes missachtet wurden, für wirksam?“). Auf diese Weise ist jeder Teilnehmende zum Mitdenken und Antworten herausgefordert. Bei Abstimmungsfragen erläutere ich dann im nächsten Video die zutreffende Antwort. Da es auf zahlreiche Freitext-Fragen eine beschränkte Anzahl möglicher Antworten gibt, können diese antizipiert und ebenfalls im Anschlussvideo besprochen werden. Tritt eine unerwartete, kommentierenswerte Antwort auf, kann diese in der darauffolgenden Lehrveranstaltung angesprochen werden.

Alle Teilnehmenden beantworten die Frage (anders als in Präsenzveranstaltungen).

Hier wird ein Vorteil gegenüber der Präsenzlehre deutlich: Jeder Teilnehmende befasst sich mit der Frage und überlegt hinsichtlich der Antwort – und zwar in seinem Tempo (während in Präsenzveranstaltungen ggf. nicht alle Studierenden die Frage verstehen, weil sie noch mit dem Mitschreiben beschäftigt sind, oft wird auch das Entwickeln der eigenen Antwort unter- bzw. abgebrochen durch einen schneller antwortenden Mitstudierenden). Dadurch, dass den Studierenden innerhalb eines Tutorials zahlreiche Fragen gestellt wurden, bekamen sie Gelegenheit, häufig ihr Wissen zu testen und direkt ein Feedback zu bekommen.

Mit den nicht zu unterschätzenden Möglichkeiten unter ILIAS konnte ich dann in den Folgemonaten weitere Verbesserungen vornehmen. Eine Verbesserung lag darin, die Videos nicht nur mit Zahlen zu versehen, sondern schlagwortartig den Inhalt zu kennzeichnen, um auch später noch gezielt auf die Inhalte zugreifen zu können (vielen Dank an dieser Stelle an Felix Bode für diese Anregung im Rahmen des JuWissLab).

Digitalisierung der Lehre verändert die Aufgabe!

Fazit: Es ist hilfreich, auf die Frage der zu transportierenden Inhalte zu fokussieren und auf die Werkzeuge, die dafür zur Verfügung stehen. Von der Überlegung, wie man bereits vorbereitete Präsenzveranstaltungen möglichst nah in ein digitales Format übersetzt, sollte man hingegen Abstand nehmen. Denn es gilt: Die Digitalisierung der Lehre verändert nicht die Art der Aufgabenerfüllung durch die Dozierenden – sie verändert die Aufgabe.

 

Zitiervorschlag: Kai E. Wünsche, Interaktives Lernen auch bei asynchroner Online-Lehre, JuWissBlog Nr. 44/2021 v. 06.05.2021, https://www.juwiss.de/44-2021/.

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