Kritik an der Einordnung sonstiger beitragsfinanzierter Aufgaben durch das BVerfG
von THOMAS WIERNY
Nachdem Frederik Ferreau hier bereits eine erste Analyse der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkbeitrag vorgelegt hat, wird nunmehr ein Detail der Finanzierung der Medienlandschaft in Deutschland unter die Lupe genommen, dem sonst eher weniger Aufmerksamkeit zukommt. Es geht um das Geld der Landesmedienanstalten.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat – wie zu erwarten, wenn es um etwas so Polarisierendes wie den Rundfunkbeitrag geht – mediale Aufmerksamkeit erzeugt. Und das obwohl die Entscheidung allenfalls für Medienrechtler, die sich zuvor recht einig waren, dass sich im Bereich der Beitragspflicht für Gewerbetreibende etwas tun, ansonsten aber wohl alles „irgendwie durchgewunken“ würde, überraschend kam. Ernsthaft dürften jedenfalls auch die „GEZ-Verweigerer“ nicht mit einem grundsätzlichen Erfolg gerechnet haben – wobei man bei dem in diesen Kreisen üblichen Grad an Realitätsverweigerung alles für möglich halten muss.
Das Bundesverfassungsgericht geht wie hier erläutert davon aus, dass die individuelle Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, die Erhebung des Beitrags verfassungsrechtlich rechtfertigt. Somit mussten im Urteil also auch alle Verwendungszwecke, die außerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegen, diesem Vorteil zugeordnet werden (Rn. 83 f.).
7.824.000.000 € (2017) – wofür genau?
Bereits jetzt mag die eine oder der andere stutzig werden: Ja, das Geld wandert nicht einzig und allein zu den Rundfunkanstalten.
Es wird vielmehr zu einem geringen Teil auch für die Förderung offener Kanäle, zur Herstellung von technischer Infrastruktur, für Projekte für neuartige Rundfunkübertragungstechniken, die nichtkommerzielle Veranstaltung von lokalem und regionalem Rundfunk und für die Förderung von Medienkompetenz verwendet (§ 40 Abs. 1 RStV).
In seiner Entscheidung betrachtet das Bundesverfassungsgericht zumindest diese im Gesetzestext direkt benannten unterschiedlichen Zwecke, für die die Erträge aus den Rundfunkbeiträgen verwendet werden. Die zugegeben noch kleineren (aber viel spannenderen) nicht ausdrücklich benannten Anteile, die im Rahmen politischer Handlungsspielräume durch Zweckbestimmungen verteilt werden, hätten in der Entscheidung durchaus ebenfalls einer Betrachtung bedurft, aber auch ganz andere Probleme aufgeworfen.
Die Darlegung von Vorteilen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus den oben genannten Beitragsverwendungszwecken ist – man mag es sich angesichts der genannten Themenfelder bereits denken – allenfalls teilweise gelungen. Da hilft es auch nicht, dass es insg. „nur“ um 1,8989 Prozent (also immerhin knapp 150 Millionen Euro) des Beitragsaufkommens geht.
Wer dient hier eigentlich wem?
Bei den Landesmedienanstalten begnügt sich das Bundesverfassungsgericht mit der Herleitung des Vorteils der Aufsicht für den einzelnen Rundfunkteilnehmer. Dieser bestehe in der durch die Zulassungs- und Aufsichtsregelungen unter anderem bezweckten Verhinderung von zu vorherrschender Meinungsmacht führender Konzentration. Das stimmt zwar, erfüllt aber nicht die vom Bundesverfassungsgericht selbst aufgestellte Anforderung des Beitragens zum individuellen Vorteil des Empfangs bzw. der Veranstaltung öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Vielmehr ist ein Minimum an Vielfalt eine der aus der Rundfunkfreiheit hergeleiteten Mindestvoraussetzungen für die Zulässigkeit der Privatrundfunks. Eine andere ist übrigens die Erfüllung des Funktionsauftrags im Sinne einer Grund(nicht Mindest!)versorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Vereinfacht: Nicht der Privatrundfunk dient dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das Umgekehrte gilt.
Vorteile des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Existenz der privaten Veranstalter ließen sich beispielsweise annehmen, wenn die Anforderungen an die Vielfalt des durch die Anstalten zu liefernden Programmes um die Beiträge zur Meinungspluralität der Privaten sänken. Dies wird zwar unter Verkennung der verfassungsrechtlichen Anforderungen immer wieder gefordert, ist aber nicht der Fall – nicht zuletzt deswegen, weil zumindest ohne entsprechende regulatorische Vielfaltsvorgaben diese Beiträge eher Zufallsprodukte des (Werbe-)Marktes sind/wären und damit nicht verlässlich dauerhaft existier(t)en.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk stößt man im Rahmen der Finanzierungsgarantie immer wieder auf das Erfordernis der sog. „publizistischen Konkurrenzfähigkeit“. Gemeint ist eine Ausstattung der Rundfunkanstalten, die eine auch im Vergleich zu den werbefinanzierten Privaten attraktive Programmgestaltung möglich macht. Man könnte davon ausgehend auch von einem Wettbewerbsverhältnis zwischen Privaten und Öffentlich-rechtlichen phantasieren, welches WDR und Co. erst zu Höchstleistungen antreibt. Da scheint selbst noch deutlich naheliegender, den Vorteil der Existenz des Privatrundfunks für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk darin zu sehen, ihm durch die Qualität beispielsweise der Nachmittagssendungen von RTL 2 und Co. die Rezipienten in die Arme zu treiben.
Die Förderung von Offenen Kanälen, die nichtkommerzielle Veranstaltung von lokalem und regionalem Rundfunk sei „ebenfalls Teil der Veranstaltung von Rundfunk“, so das Bundesverfassungsgericht weiter. Ebenfalls? Im nächsten Satz – die Förderung von technischer Infrastruktur und der Entwicklung neuer Übertragungstechniken komme gleichfalls allen Teilnehmern zugute – wird klar, dass hier der Vorteil für jeden individuellen Teilnehmer mit dem Begriff der „Veranstaltung von Rundfunk“ gleichgesetzt wird. Das ändert freilich nichts daran, dass zwischen einem Individualnutzen durch den einzelnen Verwendungszweck und dem Individualnutzen aus der Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, welcher durch die einzelnen Verwendungszwecke gefördert wird, ein sprachlich eher kleiner, logisch jedoch ein bedeutsamer Unterschied liegt.
Für die Bezugsherstellung zwischen der Förderung von Medienkompetenz und öffentlich-rechtlichem Rundfunk wählte das Bundesverfassungsgericht dann eine andere Argumentation. Es stellte nicht etwa auf das recht abstrakte Argument ab, jeder Einzelne profitiere davon, wenn medienkompetente Mitmenschen in der Lage sind, Medien sinnvoll zu nutzen und sich für die politische und gesellschaftliche Debatte zu wappnen. Vielmehr wird die Medienkompetenzförderung kurzerhand zur Aufgabe der Anstalten erklärt (Rn. 84). Tatsächlich sind lobenswerter Weise Rundfunkanstalten und auch Landesmedienanstalten in diesem Bereich umtriebig –eine Zuordnung zur einen oder anderen Institution oder jedenfalls eine klare Aufgabentrennung für diesen Bereich wäre allerdings wünschenswert, wenn schon beide aus demselben Topf finanziert werden.
Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Kurzum, das Bundesverfassungsgericht hat es sich in Rn. 76 selbst schwer gemacht. Ein auch nur wenig abstrakterer Anknüpfungspunkt für den individuellen Vorteil, der die Erhebung des Beitrags rechtfertigt, als die Möglichkeit des Empfangs des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebotes hätte den einen oder anderen dieser Verwendungszwecke sicherlich besser eingefangen. Das wäre auch mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar gewesen: Der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag spricht ausdrücklich von der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einerseits und von der Finanzierung von Aufgaben nach § 40 Rundfunkstaatsvertrag andererseits. Allerdings hätte man dann im allgemeineren Teil der Entscheidung möglicherweise nicht bei der Auswertung und leichten Ausweitung der bisherigen Rundfunkrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verbleiben können, sondern hätte sich mehr Gedanken zur Medienlandschaft insgesamt machen müssen.
Auch wäre es möglich gewesen, der Politik durch die Entscheidung Anstöße zu liefern für eine Reformierung der Finanzierung der medienbezogenen Zwecke, die eben gerade nicht oder nur sehr mühsam konstruiert in Beziehung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk stehen. Vielleicht wäre dann auch aufgefallen, dass die Landesmedienanstalten prozentual am Beitragsaufkommen beteiligt werden (§ 10 RFinStV) obwohl sie Tätigkeiten ausüben, deren Aufwand nicht in Bezug zum Beitragsaufkommen, das bekanntlich an den Funktionsauftrag der Rundfunkanstalten gekoppelt ist, stehen.
Doch Beiträge sind ein politisch recht angenehmes Finanzierungsinstrument. Öffentliche Aufgaben, die beitragsfinanziert sind, müssen schließlich nicht aus dem allgemeinen Etat bestritten werden. Und wenn sich auf diesem Weg dann auch noch so öffentlichkeitswirksame Dinge wie Medienkompetenzprojekte oder die Filmförderung finanzieren lassen, dann freut sich ein jeder Ministerpräsident über die Einladung zum nächsten Filmfestival.
Zitiervorschlag: Wierny, Der Rundfunkbeitrag – alles für die Rundfunkanstalten?, JuWissBlog Nr. 72/2018 v. 1.8.2018, https://www.juwiss.de/72-2018/
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