Mehrere Veranstaltungen haben zuletzt ein Schlaglicht auf das Thema Open Access in der Rechtswissenschaft geworfen. Während Open Access in anderen Disziplinen bereits weite Verbreitung findet, kommt die Idee in der Rechtswissenschaft jedoch nur langsam an. Warum ist das so?
Open Access – was ist das?
Der Begriff „Open Access“ steht für den freien Zugang zu wissenschaftlicher Literatur und anderen Materialien im Internet. Open Access zeichnet aus, dass mit der Veröffentlichung jedermann die Erlaubnis erteilt wird, das Open-Access-veröffentlichte Dokument zu lesen, herunterzuladen, zu speichern, es zu verlinken, zu drucken und damit entgeltfrei zu nutzen. Über freie Lizenzen können darüber hinaus weitergehende Nutzungsrechte eingeräumt werden, die etwa auch die freie Nach- und Weiternutzung, Vervielfältigung, Verbreitung oder auch Veränderung der Dokumente ermöglichen. Weite Verbreitung haben hierfür die Creative-Commons-Lizenzen gefunden. Unterschieden wird zwischen dem sog. goldenen und dem grünen Weg: Während beim goldenen Weg bereits die Erstveröffentlichung Open Access erfolgt, wird beim grünen Weg – häufig nach der klassischen Veröffentlichung – auch ein Open-Access-Zugang eröffnet. § 38 Abs. 4 UrhG räumt hierfür ein Recht zur nichtkommerziellen Zweitveröffentlichung ein.
Bestandsaufnahme
Mehrere Veranstaltungen haben zuletzt ein Schlaglicht auf das Thema Open Access in der Rechtswissenschaft geworfen, zuvorderst die Tagung „Open Access für die Rechtswissenschaft – Pflicht oder Privatsache?“ in Frankfurt am Main (ein Tagungsbericht zur Vorgängertagung in Bern findet sich außerdem hier). Auch die Staatsbibliothek zu Berlin hat das Thema zuletzt in einem Workshop aufgegriffen. Dabei zeigt sich, dass Open Access in der Rechtswissenschaft nur langsam ankommt, während es in anderen Disziplinen bereits weite Verbreitung findet.
Zwar finden sich auch im Bereich Rechtswissenschaft erste Erfolgsbeispiele: Juristische Open-Access-Zeitschriften können sich bereichsspezifisch etablieren. Auch die öffentlich-rechtliche Blog-Szene erweist sich als Vorreiter von Open Access: Neben dem JuWissBlog haben sich auch der Verfassungsblog und der Völkerrechtsblog Open Access auf die Fahnen geschrieben. Die Bibliotheken schaffen immer weitreichendere Infrastrukturen für Open-Access-Publikationen, häufig auch eigene Repositorien als Publikationsplattformen. Auch die Verlage bieten zunehmend die Möglichkeit an, bei ihnen Open Access zu veröffentlichen (beispielhaft erwähnt seien die Angebote von De Gruyter, Nomos und Mohr Siebeck).
Den digitalen Zugriff auf weite Bereiche rechtswissenschaftlicher Fach- und Ausbildungsliteratur versperren indes weiterhin Bezahlschranken, die aufgrund weitreichender Zugänge der rechtswissenschaftlichen Bibliotheken jedoch nicht immer sofort auffallen. Viele Werke existieren zudem bis heute ausschließlich in gedruckter Form.
Open Access als Pflicht?
Für Verfechter des Open Access stellt sich daher teilweise die Frage, ob Open Access in der Rechtwissenschaft künftig erzwungen werden sollte. Während § 38 Abs. 4 UrhG nur ein Recht zur nichtkommerziellen Zweitveröffentlichung einräumt, hat die Universität Konstanz auf Grundlage des § 44 Abs. 6 LHG Baden-Württemberg erstmals eine Pflicht zur Open-Access-Zweitveröffentlichung eingeführt. Nach Klage mehrerer Hochschullehrender gegen die Hochschulsatzung ist § 44 Abs. 6 LHG nunmehr vom VGH Mannheim dem BVerfG vorgelegt worden. Wer sich jedoch eine verfassungsrechtliche Klärung des Verhältnisses von Zweitveröffentlichungspflicht und Wissenschaftsfreiheit erhofft, wird wohl enttäuscht werden: Gegenstand des Vorlageverfahrens ist lediglich die formelle Frage nach der Zuständigkeit des Landes für urheberrechtliche Regelungen.
Die Perspektive der Rechtswissenschaftler*innen
Bevor über Zwangsmittel diskutiert wird, sollte meines Erachtens die Frage ergründet werden, warum so wenige Rechtswissenschaftler*innen von der Möglichkeit zur Open-Access-Veröffentlichung Gebrauch machen. Allem ideellen Enthusiasmus für die Idee offener Wissenschaft zum Trotz stellt sich für Rechtswissenschaftler*innen meiner Erfahrung nach häufig die triviale Frage, inwieweit sich Open Access „rechnet“.
Praxisliteratur
Rechtswissenschaftler*innen produzieren oftmals Wissen, das auch für die Rechtspraxis von Interesse ist und daher kommerzialisiert werden kann. Für Aufsatzpublikationen etwa gibt es häufig ein Honorar, während die Publikation in Open-Access-Zeitschriften entweder kostenlos erfolgt oder vom Autor sogar zusätzliche Mittel für die Veröffentlichung eingeworben werden müssen. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum die Rechtspraxis nicht weiterhin an der Finanzierung beteiligt werden sollte. Open Access wird sich hier nur dann durchsetzen können, wenn gemeinsam mit der Rechtspraxis neue Formen der Finanzierung von Open-Access-Publikationen gefunden werden, bei der auch die Autor*innen für ihre Arbeit finanziell entlohnt werden. Wer bis dahin sowohl von der klassischen Verlagspublikation, als auch von dem Sichtbarkeitsgewinn einer Open-Access-Veröffentlichung profitieren will, kann auf den grünen Weg zurückgreifen. Viele Rechtswissenschaftler*innen wissen jedoch gar nichts von ihrem Recht zur nichtkommerziellen Zweitveröffentlichung. Die Universitäten könnten hier abseits von Zwangsmodellen einen wesentlichen Beitrag leisten, indem sie die Wissenschaftler*innen besser über ihre Rechte informieren, die Möglichkeit der Open-Access-Zweitveröffentlichung in ihren Repositorien offensiv bewerben und so einfach wie möglich gestalten.
Qualifikationsschriften
Im Bereich der Qualifikationsschriften besteht hingegen ein ungleich geringeres Kommerzialisierungspotential für die Wissenschaftler*innen. Für die Verlagsveröffentlichung von Promotionen etwa zahlen Autor*innen auch heute schon, sodass Open Access hier die Chance bietet, Publikationskosten zu sparen und zugleich die Sichtbarkeit der eigenen Forschung stark zu erhöhen. Wer nicht auf die Veröffentlichung in einem renommierten Verlag verzichten möchte oder darf, kann die mit der Open-Access-Veröffentlichung einhergehenden zusätzlichen Verlagskosten vermehrt aus Mitteln der Publikationsfonds der Universitäten finanzieren.
Ausbildungsliteratur
Schließlich produzieren Rechtswissenschaftler*innen Ausbildungsliteratur. Ob die Open-Access-Idee auch auf diesem Markt Einzug halten kann, hängt einerseits davon ab, ob die Abwälzung der Kosten auf die Studierenden weiterhin als legitim akzeptiert wird, andererseits aber auch davon, ob attraktive alternative Finanzierungsmodelle für Open Educational Resources (OER) geschaffen werden. Ehrenamtliche Arbeit aus Überzeugung darf nicht zu finanzieller Selbstausbeutung der Rechtswissenschaftler*innen führen. Bisher sind öffentliche Fördermittel für OER-Projekte jedoch rar. Auch die Publikationsfonds der Universitäten fangen häufig nur die Publikationskosten, nicht jedoch die Kosten der Produktion ab. Einen ersten Beitrag leisten Förderprojekte wie das Fellow-Programm Freies Wissen. Auch Crowdsourcing-Modelle, wie im Whitepaper OER vorgeschlagen, könnten einen gangbaren Weg weisen. Der Verfasser dieses Beitrags initiiert zurzeit ein erstes OER-Lehrbuch-Projekt zum Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrecht, das ohne die ehrenamtliche Mitarbeit der Autor*innen und Autoren und die Förderung durch das Fellow-Programm Freies Wissen nicht realisierbar wäre.
Zitiervorschlag: Eisentraut, Open Access in der Rechtswissenschaft, JuWissBlog Nr. 93/2018 v. 13.11.2018, https://www.juwiss.de/93-2018/
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