„Laws are like sausages. It is better not to see them being made.“ – mit diesem fälschlicherweise Bismarck zugeschriebenen Zitat begann Susan Rose-Ackerman am vergangenen Montag die Vorstellung ihres gemeinsam mit Stefanie Egidy und James Fowkes verfassten verfassungsvergleichenden Buches „The Law of Law Making“. Nicht nur die Zuschreibung des Zitats, auch dessen Inhalt kritisierte die prominente US-amerikanische Verfassungsrechtlerin und Wirtschaftswissenschaftlerin, um auf der Basis einer verfassungsvergleichenden Analyse konkrete Vorschläge zur Verbesserung gerichtlicher Verfahren zu machen.
Bei dem Begriff „law of law making“ denkt man für gewöhnlich an staatsorganisationsrechtliche Probleme im Gesetzgebungsverfahren. Eigentlich nichts Neues, möchte man meinen. Susan Rose-Ackerman und ihre Ko-Autor*innen gehen aber von einem deutlich weiteren Begriff des „law making“ aus. Sie fassen darunter neben formellen Gesetzgebungsverfahren auch Akte der Exekutive mit Regelungsgehalt – in Deutschland also etwa Rechtsverordnungen. Sie vergleichen, unter welchen Voraussetzungen zwischen Legislative und Exekutive gegenseitige Einflussnahmen in den weit verstandenen Rechtserzeugungsprozessen bestehen und wie Gerichte diese Prozesse kontrollieren.
Die verfassungsvergleichende Analyse umfasst neben den Vereinigten Staaten als Präsidialsystem sowie Deutschland und Südafrika als parlamentarische Systeme auch die Europäische Union als Form eigener Art. Dabei dient als gemeinsame Folie ein Ansatz der politischen Ökonomie, nämlich die „positive political theory“. Nach dieser Theorie handeln politische Akteure im eigenen Interesse so, dass sie mit ihrem Handeln das eigene Fortkommen sichern. Dabei werden die institutionellen Strukturen des jeweiligen Landes als gegeben angenommen und auf dieser Basis danach gefragt, inwieweit diese Strukturen das Handeln unterschiedlicher Akteure – speziell der Legislative und der Exekutive – beeinflussen.
Unterschiedliche Rechtfertigungsanforderungen in unterschiedlichen politischen Systemen
Unter diesen Voraussetzungen, so Rose-Ackerman, lasse sich ein fundamentaler Unterschied zwischen Präsidialsystemen und parlamentarischen Systemen identifizieren: Durch die unmittelbare Wahl des Präsidenten komme es häufiger als in parlamentarischen Systemen zu Situationen, in denen die Legislative und die Exekutive unterschiedlichen Parteizugehörigkeiten unterlägen. Auch wenn eine zweite Kammer – etwa der Bundesrat in Deutschland – oder Minderheitsregierungen das Bild komplexer lassen werde, so herrsche doch in der Regel in parlamentarischen Systemen eine größere politische Einheit. Fielen Exekutive und Legislative politisch auseinander, so bestünde ein größerer Anreiz der Legislative, die Exekutive durch Verfahrensregeln zu binden, und diese der gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen, während das eigene Verfahren der gerichtlichen Prüfung versagt bleibe. Zudem werde der Gesetzgebungsprozess dadurch erschwert, dass Kompromisse gefunden werden müssten, so dass in parlamentarischen Systemen die Gesetzgebung im Großen und Ganzen kohärenter erfolge. Deswegen sei eine gerichtliche Kontrolle des parlamentarischen Gesetzgebers, die Rationalitätsanforderungen an dessen Entscheidungen stellt, in parlamentarischen Systemen leichter zu rechtfertigen, während umgekehrt Gerichte in Präsidentialsystemen eine stärkere Verfahrenskontrolle gegenüber der Exekutive ausüben. Aus diesen durch positive political theory gewonnen Einsichten, so Rose-Ackerman, Egidy und Fowkes (S. 11), könnten auch Gerichte schöpfen und auf diese Weise nicht nur individuelle Rechte, sondern auch den demokratischen Prozess schützen. Gerichte könnten auf dieser Basis einfordern, dass Rechtserzeuger – sowohl die Legislative als auch die Exekutive – die Gründe für ihr Handeln offenlegen müssten.
Gerichte als unbeteiligte Dritte?
Warum aber die Gerichte nicht selbst der von Rose-Ackerman für die Exekutive und Legislative so ausführlich beschriebenen Anreizstruktur unterliegen sollten, blieb offen: Christoph Möllers, der den Vortrag kommentierte, wies darauf hin, dass der analytische Rahmen entweder für alle Akteure, inklusive Gerichte, die Anreizstruktur oder aber ein normatives Bezugssystem sein müsse. Auch sei unklar, warum die Legislative und die Exekutive den gleichen Rechtfertigungsanforderungen unterliegen sollten – hier vermutete Möllers, dass die Autor*innen von einem Konzept rationaler deliberativer Demokratie ausgingen, was Rose-Ackerman sogleich bestätigte.
In der anschließenden Diskussion wies Dieter Grimm darauf hin, dass auch in parlamentarischen Systemen das Gesetzgebungsverfahren mitnichten stets so stringent ablaufe, wie von Rose-Ackerman dargestellt. Es sei für das Bundesverfassungsgericht so gut wie unmöglich, etwa bei Gesetzgebungsverfahren, die einen Vermittlungsausschuss durchlaufen haben, die Gründe des Gesetzgebers zu ermitteln. Bernhard Schlink fand, dies müsse auch gar nicht sein: Gebe es gute Gründe für ein Gesetz, so könne das Gericht diese voraussetzen, auch wenn der Gesetzgeber diese Gründe nicht im Blick gehabt habe.
Dass die ziemlich kontroverse Diskussion sich vor allem um Gesetzgebung als Gegenstand verfassungsgerichtlicher Kontrolle drehte, und etwa Verordnungen wenig in den Blick nahm, lässt möglicherweise darauf schließen, dass alle Beteiligten letztlich doch durch ihr jeweiliges Rechtssystem maßgeblich geprägt sind. Das gilt nicht zuletzt für die Vortragende selbst: Die These, dass eine stärkere Rolle von Gerichten in der Verfahrenskontrolle auch gegenüber dem Gesetzgeber zwar wünschenswert, letztlich aber an parlamentarische Systeme gebunden und damit in den USA nicht denkbar ist, ist nicht zuletzt vor allem vor dem Hintergrund einer recht tief verwurzelten Skepsis amerikanischer Rechtswissenschaft gegenüber materiell-rechtlicher gerichtlicher Überprüfung von Parlamentsgesetzen zu erklären. Und so bleiben für die zahlreichen Teilnehmer*innen an der Veranstaltung, vorwiegend Studierende aus der European Law School, vielleicht vor allem zu bedenken: auch Verfassungsvergleichung löst sich nur selten vollständig von den Voraussetzungen der eigenen Tradition.