Gute Nachrichten für den Klimaschutz, schlechte für den Denkmalschutz? Das OVG NRW hat in zwei Grundsatzurteilen am 27.11.2024 (Az. 10 A 1477/23 und 10 A 2281/23) entschieden, dass das Interesse am Klimaschutz regelmäßig Vorrang gegenüber dem Interesse an Denkmalschutz genießt.
Was war der Anlass für diese Entscheidungen?
Sowohl in Düsseldorf als auch in Siegen begehrte jeweils die Eigentümerin eines Grundstücks die denkmalrechtliche Erlaubnis für die Errichtung von Solaranlagen auf der Dachfläche eines Gebäudes.
In dem Fall in Siegen (entschieden in erster Instanz durch das VG Arnsberg) geht es um ein als Baudenkmal eingetragenes Gebäude; ein ehemaliges Schulhaus von ca. 1900. Als es in die Denkmalliste aufgenommen wurde, hieß es u.a. in der Begründung, dass „das Gebäude mit seinem äußeren Mauerwerk, so wie es durch Dach und Dachreiter zusammengefasst werde“ (Rn. 7) denkmalwert sei. Die Eigentümerin installierte auf dem Dach 20 schwarze Solarmodule.
In dem Fall in Düsseldorf (entschieden in erster Instanz durch das VG Düsseldorf) ist die Klägerin Eigentümerin eines Hauses, welches im Geltungsbereich einer Denkmalbereichssatzung liegt. Das Haus selbst ist kein Baudenkmal. Denkmalgeschützt ist die Siedlung, in der das Grundstück liegt. Schutzgegenstand nach der Satzung ist „das äußere Erscheinungsbild in Gestalt und Struktur in ihrem Geltungsbereich, das durch den Siedlungsgrundriss, die Bausubstanz, die Freiflächen, die Blickbezüge und die rheinseitige Silhouette bestimmt werde“ (Rn. 2). Hinsichtlich der Dächer wird weiter auf die Form, die Struktur und die Dachziegel eingegangen. Die Eigentümerin wollte ebenfalls 20 schwarze Solarmodule installieren.
In beiden Fällen verweigerte die zuständige Denkmalbehörde die Erlaubnis. Zur Begründung wurde jeweils im Wesentlichen ausgeführt, dass die Solarmodule eine erhebliche Beeinträchtigung des schützenswerten Erscheinungsbildes darstellen würden. Infolgedessen erhoben die Eigentümerinnen Verpflichtungsklagen. Das VG Arnsberg gab der Beklagten Recht, das VG Düsseldorf der Klägerin. Das OVG NRW entschied nun beide Male zu Gunsten der Klägerinnen.
Solarmodule als überragendes öffentliches Interesse?
Sowohl für Baudenkmäler (§ 2 II DSchG-NRW) als auch für bauliche Anlagen im Denkmalbereich (§ 2 III DSchG-NRW) gilt: Beseitigungen, Veränderungen etc. benötigen nach § 9 I 1 DSchG-NRW (bei der Unterschutzstellung von Denkmalbereichen i.V.m. § 10 II 1 DSchG-NRW) der Erlaubnis der Unteren Denkmalbehörde. Die Erlaubnis ist nach § 9 III 1 DSchG-NRW zu erteilen, wenn (Alt. 1) Belange des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder (Alt. 2) ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt. Das OVG hat sich nur mit der zweiten Alternative auseinandergesetzt und im Rahmen einer Abwägung geprüft, ob öffentliche Interessen überwiegen. Bei der Entscheidung sind nach § 9 III 2 DSchG-NRW insbesondere die Belange des Klimas und des Einsatzes erneuerbarer Energien als öffentliche Interessen angemessen zu berücksichtigen.
Das OVG NRW ist zu dem Schluss gekommen, dass das Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien in Abwägung mit den Belangen des Denkmalschutzes als regelmäßig vorrangig einzustufen sei (Rn. 41). Dies folge aus § 2 EEG. In § 2 S. 2 EEG heißt es: „Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.“ Damit hat der Bundesgesetzgeber eine Gewichtungsvorgabe für Abwägungsentscheidungen in den jeweiligen Fachgesetzen erlassen. Es handelt sich um eine Soll-Vorschrift, sodass nicht von einem absoluten Vorrang der Erneuerbare-Energien-Belange ausgegangen werden kann, sondern lediglich von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis (Rn. 45). Das OVG betont, dass der Bund damit nicht seine Gesetzgebungskompetenz überschritten habe. Diese folge für die Bereiche der Energiewirtschaft und für die Luftreinhaltung aus Art. 74 I Nr. 11, 24 GG i.V.m. Art. 72 II GG (so auch in der Gesetzesbegründung, S. 146). Der Bundesgesetzgeber greife damit nicht in die Fachgesetze ein, die in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegen können – wie das Denkmalrecht – sondern „präge“ lediglich Abwägungsentscheidungen vor (Rn. 61).
Im Anschluss prüfte das OVG jeweils, ob eine Ausnahmesituation vorliegt, verneinte dies aber (Rn. 72 ff. und Rn. 65 ff.). Kurzgefasst, ergäben sich in beiden Fällen aus den Denkmalwertbegründungen keine besonderen Umstände, insbesondere griffen die Solarmodule nicht derartig in das Erscheinungsbild ein. Die Eigentümerinnen hätten auf eine passende Farbgestaltung und Anordnung geachtet; die Bausubstanz selbst, die nur geringfügig angetastet werde, sei nicht schützenswert und die wiederum schützenswerte Silhouette bzw. die Zusammenfassung aus Dach und Dachreiter seien nicht beeinträchtigt durch eine Anbringung von Solarpaneelen.
Warum die Urteile nicht nur für die Einzelfälle von Bedeutung sind:
Der Landesgesetzgeber NRW wollte durch § 9 III 2 DSchG-NRW, dass die Belange des Klimaschutzes und der der erneuerbaren Energien angemessen berücksichtigt werden. Was das genau bedeutet, ist auslegungsbedürftig. Ein pauschaler Vorrang oder auch nur ein Regelvorrang war damit jedenfalls nicht gemeint (vgl. die Gesetzesbegründung, S. 51 a.E.). Das OVG NRW allerdings hat den Regelvorrang in die Grenzen des Wortlauts „angemessen“ hineinlesen können und bemerkt, dass andernfalls über Art. 31 GG bei entgegenstehendem Landesrecht gleichwohl das Bundesrecht (§ 2 S. 2 EEG) zur Geltung kommen würde (Rn. 69).
Auch, wenn in jedem Einzelfall das Regel-Ausnahme-Verhältnis gesondert geprüft werden muss, kann man schon erkennen, dass das OVG manchen Argumenten den Wind aus den Segeln genommen hat – nämlich solchen, die wohl (fast) immer auf die Anbringung von Solaranlagen zutreffen. Die Anlagen werden aus nutzungstechnischen Gründen auf Dächern montiert, die nicht zeitgleich komplett (z.B. durch Bäume) verdeckt werden; ergo werden sie sichtbar sein. Sie werden auch irgendwie geartet in das Erscheinungsbild des Daches eingreifen. Diese Auswirkungen können grundsätzlich nicht schon dazu führen, dass ein Ausnahmefall vorliegt und deswegen die Erlaubnis versagt wird. Denn dann wäre es faktisch der Regelfall und keine Ausnahme mehr. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass es durchaus zu einer Erlaubnisversagung kommen kann. Beispielsweise dann, wenn das Dach selbst, seine Materialität, Struktur, Farbgestaltung etc. denkmalwert ist. Dies sollte dann aber auch deutlich in der Denkmalwertbegründung stehen. Die Anbringung von Solaranlagen stellt dann einen ungleich gewichtigeren Eingriff in das Erscheinungsbild oder ggf. in die Substanz dar als in den Ausgangsfällen.
Ferner ist anzumerken, dass es sich lediglich um eine temporäre Abwägungsdirektive samt Gewichtungsvorgabe handelt – „bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist“. Im Gegensatz zu einem Stichtag ist das etwas vage gehalten, aber die Bundesregierung teilte in der Gesetzesbegründung (S. 1) mit, dass das (ambitionierte) Ziel sei, dass im Jahre 2030 mindestens 80% des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien gedeckt werden und 2035 fast vollständig. Im ersten Halbjahr 2024 lag der Anteil bei 57%. Bis zur Zielerreichung soll dem Ausbau von erneuerbaren Energien also regelmäßig Vorrang eingeräumt werden. Dazu gehört laut § 3 Nr. 21 EEG nicht nur die solare Strahlungsenergie, sondern auch Wasserkraft, Windenergie, Geothermie und Energie aus Biomasse. Der Denkmalschutz wird bis dahin aber nicht ausgesetzt, sondern weiterhin im Einzelfall eine gewichtige Rolle spielen.
Zitiervorschlag: Umlauft, Nastassja, Denkmalschutz vs. Klimaschutz, JuWissBlog Nr. 7/2025 v. 28.01.2025, https://www.juwiss.de/7-2025/
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