von LEON XU
Das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot aus 20a GG verlangt nach dem Klimabschluss des BVerfG eine planvolle Emissionsbegrenzung, mit der das 1,5 Grad-Ziel nach Artikel 2 des Pariser Abkommens erreicht werden kann. Davon ist die deutsche Klimaschutzpolitik weit entfernt: 2024 werden die Sektoren „Verkehr“ und „Gebäude“ ihre jährlichen Emissionsziele um über 200 Millionen Tonnen CO2 verfehlen. Ob sich überschüssige Emissionen mit den Einsparerfolgen anderer Sektoren verrechnen lassen, wurde unlängst dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt. Unzweifelhaft besteht aber Handlungsbedarf, der mit Blick auf den Gebäudesektor auch das Mietrecht unter Anpassungsdruck setzt. Denn mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung lebt zur Miete – ein Anteil, der weltweit lediglich von der Schweiz übertroffen wird. Bei der Klimawende im (Wohn-)Gebäudesektor gibt es allerdings nicht nur (rechts-)technische und ökologische Herausforderungen: Mietverhältnisse sind regelmäßig asymmetrisch, weshalb sich zugleich soziale Fragen stellen.
Schon heute greift der Gesetzgeber dafür auf verschiedene Instrumente zurück, z.B. das CO2-Kosten-Aufteilungsgesetz (CO2KAG). Es verteilt die Kosten der CO2-Bepreisung im Gebäudesektor nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG): Preise für Heizmittel aus fossilen Brennstoffen, z.B. Heizöl, werden vom BEHG künstlich verteuert und nach dem CO2KAG mittels eines Anreizsystems umgelegt. Um die Vermieter:innen zu energetischen Sanierungen anzuhalten, ist der Teil am CO2-Preis nach dem BEHG, den die Vermieter:innen auf die Mieter:innen abwälzen können, umso geringer, je höher der Kohledioxidausstoß des Gebäudes ist (§ 5 Abs. 2 CO2KostAG). Zudem fördert der Gesetzgeber beispielsweise mit dem Gebäudeenergiegesetz (vgl. § 89 GEG) Maßnahmen, den Energieverbrauch eines Gebäudes zu verringern, wie etwa den Einsatz von Wärmepumpen, eine Wärmedämmung der Hausfassade oder eine Erneuerung der Fensteranlagen. Solche Maßnahmen bleiben trotz staatlicher Förderung meist außerordentlich kostspielig. Auch hier rückt neben dem Klimaschutz also die soziale Lastenverteilung in den Blick: Zahlen Mieter:innen oder Vermieter:innen die Kosten des Klimaschutzes im Gebäudessektor? Die Antwort auf diese Frage hängt wiederum mit den Kostenmodellen des Mietrechts zusammen.
Das Problem Kaltmiete
Das geltende Mietrecht geht im Grundsatz vom Kaltmietenmodell aus. Wird rechtlich vom Mietzins oder von der Mietpreisbremse gesprochen, so ist damit die sog. Kaltmiete gemeint. Dazu kommen variable Nebenkosten, zu denen auch die klimaschutzrelevanten Heizkosten für Wärme und Wasser zählen. §§ 1, 6 der Heizkostenverordnung erlauben den Vermieter:innen, alle anfallenden Brennstoffkosten an die Mieter:innen weiterzugeben. Letztere tragen die Heizkosten dann allein. Aus Sicht der Vermieter:innen sind Heizkosten danach ein durchlaufender Posten. Anreize ein energetisch ineffizientes Gebäude zu sanieren, ergeben sich nicht, denn lediglich Mieter:innen würden direkt von sinkenden Energiekosten profitieren. Diese haben allerdings regelmäßig weder rechtlich noch finanziell die Möglichkeit, eine Sanierung vorzunehmen und hätten dazu aufgrund bloß vorrübergehender Mietverhältnisse keinen Anreiz für langfristige Sanierungsvorhaben.
Geltende Rechtslage: Die Modernisierungsumlage nach § 559 BGB
Dieses Dilemma hat der Gesetzgeber erkannt: Energetische Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 555b Nr. 1 BGB lassen sich nach § 559 I BGB im Wege einer Mieterhöhung auf die Mieter:in anteilig abwälzen. Die jährliche Miete kann danach um 8 Prozent der aufgewendeten Kosten erhöht werden. Die Kostenweitergabe findet ihre Grenze in § 559 IIIa BGB, der die Mieterhöhung innerhalb von sechs Jahren auf 3 EUR pro Quadratmeter beschränkt. Dass die Umwälzung der Sanierungskosten begrenzt wird, ist Ausdruck grundgesetzlicher Gewährleistungen, namentlich des Sozialstaatsprinzips nach Art. 20 I GG und der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 II GG.
Die Regelung des § 559 IIIa BGB entspricht allerdings nicht der Realität am deutschen Wohnungsmarkt. Seit mehreren Jahrzehnten wachsen Mietpreise in den meisten Regionen an. Zwar hemmt in Extremfällen die Mietpreisbremse nach § 556d BGB und im Regelfall § 558 Abs. 3 BGB diese Entwicklung. § 558 Abs. 3 BGB begrenzt das Wachstum auf 20 Prozent der ortsüblichen Miete innerhalb von drei Jahren. Jedoch holt die ortsübliche Miet(erhöhung) den nach § 559 BGB umwälzbaren Mehrbetrag ein, lange bevor er die Sanierungskosten zu decken vermag. Der Mehrwert aus der Umlage verpufft und die Vermieter:in bleibt auf den Sanierungskosten sitzen. Die Umlage genügt demnach regelmäßig nicht, um die Gebäudesanierung für die Vermieter:in rentabel zu gestalten.
Erster Reformvorschlag: Das „Drittelmodell“
Trotz ihrer praktisch misslungenen Umsetzung ist die Modernisierungsumlage als freiwillig abrufbarer wirtschaftlicher Anreiz grundsätzlich ein sinnvolles Konzept. Deshalb werden Reformen erwogen, bei denen das Konzept der Kaltmiete unter veränderten Rahmenbedingungen beibehalten wird. Um die Umlage an die Realität anzupassen, schichtet das derzeit diskutierte „Drittelmodell“ als Lösungsansatz die Belastung gleichmäßiger auf die drei Akteure Vermieter:innen, Mieter:innen und den Staat entsprechend ihrer Kapazitäten um.
Den ersten Teil der Modernisierungskosten tragen dann weiterhin Mietende. Modernisierungskosten können allerdings nur zu einem deutlich geringeren Prozentsatz als den derzeit in § 559 I BGB vorgesehenen acht Prozent umgelegt werden. Damit tragen die Vermietenden zunächst einen höheren Anteil an den Sanierungskosten. Allerdings ist derzeit nach § 559a BGB vorgesehen, dass solche Sanierungen, die mit staatlichen Zuschüssen (teil-)finanziert werden, gar nicht auf die Mieter:innen umgelegt werden dürfen. Diese Regelung würde im Drittelmodell entfallen, so dass die Vermieter:innen im Ergebnis noch einen wirtschaftlichen Vorteil haben, wenn sie anstelle von nachträglichen Mieterhöhungen derzeit oft noch nicht umfassend genutzte staatliche Förderangebote im Wohnungssektor als sichere Finanzierungsgrundlage verwenden. Verschiedene Studien kommen zu dem Ergebnis, dass so ein Sanierungsanreiz für Vermieter:innen geschaffen wird, ohne dass die Mieter:innen Mehrbelastungen ausgesetzt sind. Allerdings trägt die öffentliche Hand hier einen nicht unerheblichen Teil der Kosten.
Reformvorschlag 2: Wechsel zur Warmmiete oder Teilwarmmiete
Während das Drittmittelmodell das bestehende Kaltmietenmodell nur modifiziert, kommen auch disruptivere Ansätze in Betracht. Es wird diskutiert, ob sich das Problem bei einem gesetzgeberischen Paradigmenwechsel hin zu einem Warmmietenmodell auflösen ließe. Dabei lässt sich zwischen einer reinen Warmmiete und einer Teilwarmmiete unterscheiden.
Bei der Reinwarmmiete wird für die gesamten Heizkosten ein fester Fixbetrag als Teil des Mietzinses vereinbart. Zudem wird eine Mindesttemperatur festgelegt. Bleibt das Nutzverhalten der Mieter:innen gleich, so lässt sich durch energiesparende Sanierung ein positiver Saldo aus dem eingezahlten Fixbetrag und den tatsächlich aufgewendeten Kosten für die Beheizung erzielen. Diese Reinwarmmiete bemisst sich allerdings verbrauchsunabhängig, sodass Verbraucher:innen dazu verleitet werden können, den eingezahlten Fixpreis mittels exzessiver Beheizung auszuschöpfen. Das Mietmodell begegnet überdies europarechtlichen Zweifeln: In Art. 15 I, III der Energieeffizienz-RL 2023/1791 (EED III) ist eine transparente, genaue Abrechnung des individuellen Energieverbrauchs mit der zugehörigen Kostenverteilung angeordnet.
Anderes gilt für die sog. Teil-Warmmiete. Zwei Ausgestaltungen werden aktuell näher diskutiert: Zum einen ein Prozentmodell, dass Heizkosten nach abgestuften Prozentsätzen zwischen den Parteien aufteilt. Trägt zu Beginn die Vermieter:in die Kostenmehrheit, so senken energiesparende Maßnahmen den prozentualen Anteil der Vermieter:in so weit, dass sie im Vergleich zu ihrer Kostenverantwortung bei einer ausbleibenden Sanierung einen positiven Saldo erzielt. Zwar wächst der Prozentteil der Mieter:in dabei an, allerdings wird diese Entwicklung durch die eingesparte Energiemenge gleichzeitig mindestens ausgeglichen. Zum anderen ein Referenztemperaturmodell, das die Vermieter:in dazu verpflichtet, das Mietobjekt mit einer Mindesttemperatur zu beheizen. Sanierungsmaßnahmen der Mieter:in senken die dazu benötigte Energiemenge und entsprechend ihre Kosten. Das geschieht so weit, bis im Vergleich zu einer ausbleibenden Sanierung ebenfalls ein positives Saldo erzielt wird. Überschreitet währenddessen die Mietpartei diese Referenztemperatur, so muss sie die zusätzlichen Energiekosten selbst tragen.
Braucht es einen Paradigmenwechsel im Mietrecht?
Die Vorteile der Teilwarmmietenmodelle gegenüber der aktuell vom Gesetzgeber herangezogenen Kaltmiete liegen nach alledem auf der Hand. Gleichsam müssen solche Konzepte in einer wirtschaftlichen und rechtlichen Betrachtung kontextualisiert werden.
Die nach Art. 20a GG verfassungsrechtlich zwingende Reduktion von Emissionen im Gebäudesektor lässt sich im Mietverhältnis unter Heranziehung der Teilwarmmiete weitaus zielorientierter durchsetzen als bei Beibehalt des Kaltmietenmodells: Sie zwingt die Kosten klimaschädlicher In-Aktivität bei der Gebäudesanierung im Grundsatz zu einem gewissen Teil den Vermieter:innen auf, wodurch für die Schlüsselakteure einer potentiellen energetischen Sanierung ein materieller Anreiz entsteht. Dieser Anreiz rechtfertigt im Vergleich zur Kaltmiete durchaus weitergehende Eingriffe in die Grundrechte der Parteien im Mietverhältnis, wie etwa in die Dispositionsbefugnis der Vermieterpartei über ihr Wohnungseigentum (Art. 14 GG).
Unter den vorgestellten Teilwarmmietenkonzepten erweist sich das Prozentmodell einerseits als weniger eingriffsintensiv, denn es kann mit der bestehenden Messtechnik und ohne aufwändige Umbauten umgesetzt werden. Denn das Referenztemperaturmodell benötigt Messgeräte in einzelnen Räumen der Wohnung, um festzustellen ob der Mieter die Referenztemperatur überschritten hat. Andererseits ist das Referenztemperaturmodell deutlich gerechter in der Verteilungs- und Steuerungswirkung, denn es ahndet exzessiven Energieverbrauch der Mieter:in: Das Referenztemperaturmodell preist nach dem Verursachergedanken dieses verschwenderische Verhalten in die Mietkosten der Mieter:in ein, wohingegen das Prozentmodell die Kostenverteilung unabhängig vom Mieter:inverhalten allein anhand des Sanierungsstands des Mietobjekts regelt. Rechtlich zwingend vorzuziehen ist danach keines der Modelle. Sollte der Gesetzgeber sich zu einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel im Mietrecht entscheiden, müsste er seinen Gestaltungsspielraum wahlweise zugunsten ein pauschalisierenden, aber mit geringerem Aufwand umzusetzenden Lösung (Prozentmodell) oder gar zugunsten des Referenztemperaturmodells ausüben, was aber den Roll-Out ganz neuer Messtechnik erforderte.
Zwangsläufig führt eine derartige Kostenumverteilung zu höheren Aufwendungen für Vermieter:innenparteien und senkt die Wirtschaftlichkeit ihres Geschäftsmodells. Auf diesem Umstand fußende Einwände müssen die Realität akzeptieren, dass das deutsche Recht die sozialen Kosten klimaschädlichen Verhaltens auch in anderen Sektoren und Bereichen auf die Verursacher:innen (und wirtschaftlichen Profiteure) umlegt. Man denke an das Emissionshandelssystem, die Kerosinsteuer oder – schon im Gebäudesektor – das eingangs erläuterte CO2KAG. Ein Paradigmenwechsel des Gesetzgebers im Mietrecht stellt sich im Grunde genommen als Fortsetzung einer anderswo längst vollzogenen Umstellung auf ein verursachungsgerechtes Klimaschutzrecht dar. Dies unterscheidet die Teilwarmmietenkonzepte auch grundlegend vom Drittelmodell, das letztlich darauf abzielt, dass die Energiewende im Gebäudesektor zumindest zu einem signifikanten Teil durch die öffentliche Hand und nicht durch die unmittelbaren Verursacher:innen der Emissionen finanziert wird.
Gesamtschau
Das aktuelle Kaltmietenmodell vermittelt kaum einen Anreiz für klimaschützende Sanierungen. Spätestens seitdem der russische Angriffskriegdie wirtschaftliche Verwundbarkeit eines von fossilen Brennstoffen abhängigen Deutschlands offengelegt hat, ist die Umstellung auf effiziente Versorgungssysteme sowohl für Klimaschutz als auch für sozial akzeptable Verbrauchspreise unabdingbar. Diskutiert werden unterschiedliche Lösungsansätze, die von freiwillig abrufbaren Anreizen mittels einer (reformierten) Modernisierungsumlage bis zur disruptiveren Umstellung auf die Warmmiete reichen. Das Teilwarmmietenmodell ist als verursachungsgerechte Lösung vorzugswürdig. Deutschland erkennt das Gebot generationenübergreifenden Klimaschutzes in Art. 20a GG als Staatsziel an. Das und die im international noch immer vergleichsweise hohe soziale Akzeptanz bisheriger Gesetzgebungsvorhaben zur gerechteren Aufteilung unserer gemeinsamen Verantwortung für den Klimaschutz muss für die weitere Entwicklung im Mietrecht den Weg weisen.
Zitiervorschlag: Xu, Leon, Wie die Miete verheizt wird – Mietmodelle zwischen Sozialstaatlichkeit und Klimaschutz, JuWissBlog Nr. 3/2025 v. 16.01.2025, https://www.juwiss.de/3-2025/
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