Vielfach wird kritisiert, dass bestimmte Klimaschutzmaßnahmen einkommensschwache Haushalte besonders stark belasten. Der CO2-Preis etwa trifft vor allem diejenigen, die einen großen Teil ihres Einkommens für Energie ausgeben. Während die verfassungsrechtliche Notwendigkeit staatlichen Klimaschutzes mittlerweile anerkannt ist, wird bislang kaum diskutiert, inwiefern auch die soziale Ausgestaltung klimaschützender Maßnahmen geboten ist. Vorgaben können sich in diesem Zusammenhang aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 20 GG ergeben.
Gebot der Belastungsgleichheit auch beim Klimaschutz?
Zunächst ist an das Gebot der Belastungsgleichheit zu denken, welches sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ableitet. Dieses Gebot verlangt im abgabenrechtlichen Kontext, dass verschiedene Abgabenschuldner nicht gleichheitswidrig belastet werden dürfen. Die finanziellen Lasten staatlicher Aufgaben sollen gerecht verteilt werden, was insbesondere bedeutet, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Abgabenschuldner berücksichtigt werden muss. Typisierungen lassen sich bis zu einem gewissen Grad rechtfertigen, da der Gesetzgeber nicht jeden Einzelfall regeln kann.
Auch abgabenähnliche Klimaschutzmaßnahmen, wie der CO2-Preis, können zu einer finanziellen Belastung der Bürger führen. Anders als etwa bei der Erhebung der Einkommenssteuer, werden die Bürger durch den CO2-Preis jedoch nicht unmittelbar belastet. In Deutschland gilt aufgrund von EU-Vorgaben ein Emissionshandelssystem für die Bereiche Energiewirtschaft und Industrie (ETS I). Hier müssen die Anlagenbetreiber handelbare Emissionszertifikate erwerben, die zum CO2-Ausstoß berechtigen. Die Menge der jährlich ausgegebenen Zertifikate sinkt über die Zeit, sodass das Angebot knapper wird und der CO2-Preis steigt. In den Sektoren Gebäude und Verkehr greift ab 2027 ein EU-Emissionshandel (ETS II).
Im Ausgangspunkt belastet der CO2-Preis also eigentlich die Unternehmen, die diesen entrichten müssen. Doch diese geben die zusätzlichen Kosten, die ihnen dadurch entstehen, in Form von Preiserhöhungen an die Verbraucher weiter. Letztlich liegt die Kostenlast des Emissionshandels somit bei den Verbrauchern. Im steuerrechtlichen Kontext betont das Bundesverfassungsgericht explizit, dass bei der Beurteilung indirekter Steuern auch die Konsumenten berücksichtigt werden müssen, die die Steuerlast letztendlich tragen. Dies sollte auch für den CO2-Preis gelten. Die Belastung der Bürger wird schließlich nicht dadurch geringer, dass der Staat einen Marktmechanismus statt einer Steuer verwendet. Der CO2-Preis muss sich also an dem Gebot der Belastungsgleichheit messen lassen.
Ungleiche Belastung durch den CO2-Preis
Der CO2-Preis entfaltet im Ausgangspunkt eine regressive Verteilungswirkung, was bedeutet, dass er einkommensschwächere Haushalte tendenziell stärker belastet als einkommensstärkere. Das liegt daran, dass bei einem geringeren Einkommen ein relativ größerer Anteil für Energiekosten aufgewendet werden muss. Der Effekt wird sich durch die Einführung des ETS II noch verstärken, da es in Folge wohl zu erheblichen Preissteigerungen beim Tanken und Heizen kommen wird. Abmildern lässt sich die Belastung durch den Umstieg auf CO2-arme Technologien, wie das E-Auto oder die Wärmepumpe. Doch E-Autos können sich die besonders betroffenen Haushalte oft nicht leisten und die Entscheidung, auf die Wärmepumpe umzusteigen, können nur Eigentümer und nicht Mieter treffen. Staatliche Anreize für einen solchen Umstieg führen eher zu einer Entlastung einkommensstärkerer Haushalte.
Natürlich könnten Lenkungsziele zugunsten des Klimaschutzes die ungleiche Belastung rechtfertigen. Ist die faktische Ungleichbehandlung jedoch zu groß oder sind die faktischen Lenkungseffekte des CO2-Preises zu klein, überzeugt dies kaum. Darüber hinaus verursachen einkommensschwächere Haushalte im Durchschnitt deutlich weniger klimaschädliche Emissionen, weshalb die ungleiche Belastung auch unter Verweis auf die Verursachergerechtigkeit schwerlich zu rechtfertigen sein wird.
Lösungen für sozial gerechteren Klimaschutz
Der Gesetzgeber muss also erwägen, ob es Möglichkeiten gibt, das gleiche Niveau an Klimaschutz auf eine Art und Weise zu erreichen, die die Bürger gleichmäßiger belastet. Wo es nicht möglich ist, die Maßnahme selbst schon so auszugestalten, dass sie sozial gerecht ist, etwa durch gestaffelte Abgaben und Steuern bzw. Fördersummen, können andere Ausgleichsmechanismen gefunden werden. So hat die CO2-Bepreisung für sich genommen zwar eine regressive Verteilungswirkung, aber in Kombination mit Entlastungsmaßnahmen kann eine proportionale bzw. eine progressive Verteilungswirkung erreicht werden. Als eine mögliche Maßnahme kommt hier das viel diskutierte „Klimageld“ in Betracht, das pauschal oder gestaffelt nach Einkommen direkt an die Haushalte ausgezahlt wird.
Klimaschutz als Mittel gegen soziale Ungleichheit
Klimaschutz kann aber auch eine Chance im Kampf gegen soziale Ungleichheit sein. Aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgt, dass der Staat nicht lediglich zur Gleichbehandlung, sondern auch zum Ausgleich sozialer Ungleichheiten verpflichtet ist. Im Rahmen der Klimaschutzgesetzgebung gibt es aufgrund der großen Transformationsaufgabe, die der Gesetzgeber dabei zu bewältigen hat, vielfältige Möglichkeiten, Dinge grundlegend neu zu denken. Hierbei ist etwa an den Bereich Mobilität zu denken, der einen wesentlichen Aspekt gesellschaftlicher Teilhabe ausmacht. Eine der zentralen Maßnahmen zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen im Verkehrssektor stellt der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) dar. Er stellt nicht nur eine äußerst klimafreundliche Mobilitätsform dar, sondern ist potenziell auch besonders sozial. Wenn der ÖPNV möglichst viele verschiedene Bevölkerungsgruppen anspricht und diese gleichermaßen dazu bewegt werden, zu seinen Gunsten auf den motorisierten Individualverkehr zu verzichten, können dadurch soziale Unterschiede abgebaut werden, die im Mobilitätsbereich derzeit unter anderem deshalb bestehen, weil sich nicht alle einen Pkw leisten können. Fördert der Gesetzgeber hingegen vorwiegend nachhaltige Kraftfahrzeuge und nicht den ÖPNV, werden diese sozialen Unterschiede verfestigt. Die meisten einkommensschwächeren Haushalte können sich auch ein staatlich bezuschusstes E-Auto nicht leisten.
Natürlich unterliegt die Wahl konkreter Klimaschutzmaßnahmen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, die bezüglich des Sozialstaatsprinzip besonders weit geht. Gleichwohl ist das Sozialstaatsprinzip gerade bei Klimaschutzinstrumenten zu berücksichtigen, die Anreize zu klimafreundlichem Verhalten setzen sollen, indem bestimmte Verhaltensweisen höher bepreist werden, was die Teilhabe bestimmter Bevölkerungsgruppen verringert. Zum Beispiel ist vor allem in ländlichen, infrastrukturschwachen Regionen das Autofahren für die meisten Menschen eine notwendige Fortbewegungsform. Durch den ETS II werden die Tankkosten jedoch erheblich steigen, sodass die Gefahr besteht, dass Mobilität für Teile der Bevölkerung zu übermäßigen Ausgaben führt und somit die gesellschaftliche Teilhabe erschwert wird.
Soziale Gerechtigkeit muss mitgedacht werden!
Während Art. 3 Abs. 1 GG den Gesetzgeber also verpflichtet, auf die gleichmäßige Verteilung der Lasten staatlicher Klimaschutzmaßnahmen zu achten, verlangt das Sozialstaatsprinzip, dass auch darüber hinaus die Möglichkeit des Ausgleichs sozialer Ungleichheiten berücksichtigt wird. Idealerweise sollte sozial gerechter Klimaschutz Bürger entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gleichmäßig belasten und den Transformationsprozess nutzen, um gleiche Zugangsmöglichkeiten zu öffentlichen Gütern zu schaffen. Dafür bräuchte es Mut zu komplexeren Lösungen, die alle Aspekte sozial gerechten Klimaschutzes berücksichtigen.
Zitiervorschlag: von Breunig, Constanze, Verpflichtet das Grundgesetz zu sozial gerechtem Klimaschutz?, JuWissBlog Nr. 15/2025 v. 11.02.2025, https://www.juwiss.de/15-2025/
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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Danke für den aufschlussreichen Beitrag! Eine weitere Forschungslücke sehe ich hinsichtlich der Frage, inwieweit ein menschenwürdiges Existenzminium dem Gesetzgeber Bemühungen um die Zugänglichkeit eines angemessenen ÖPNV-Angebotes auch hinsichtlich einer (analogen/digitalen Ausgestaltung des Angebotes) abzuringen vermag (andeutungsweise bereits: Knauff, Der Gewährleistungstaat, 2004). Die Gewährleistung eines hinreichenden Zugangs zu Angeboten des ÖPNV stellt hierbei mit Blick auf die hohe Bedeutung der dadurch ermöglichten gesellschaftlichen Teilhabe mit Sicherheit das Untermaß staatlicher Daseinsvorsorge dar.