Österreichischer Postmarkt: Wer bezahlt den Regulator?

von CHRISTOPH HOFSTÄTTER

Portrait Christoph HofstätterAlle Postdiensteanbieter finanzieren die Regulierungsbehörde. Ob die österreichische Umsetzung der Postmarktrichtlinie insofern mit dem Unionsrecht vereinbar ist, ist Gegenstand eines aktuellen Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofs an den EuGH. Dieser wird zu klären haben, ob die österreichische Regelung, nach der neben dem Bund alle Postdiensteanbieter (und nicht nur Universaldienstanbieter) zur Finanzierung der Regulierungsbehörde beizutragen haben, mit der Postmarkt-RL vereinbar ist.

2011 musste auch im österreichischen Postwesen als letztem Bereich der Netzwirtschaften ein staatlicher bzw staatsnaher Monopolist endgültig zu Gunsten eines liberalisierten Marktes weichen. Schon davor wurde eine Regulierungsbehörde eingerichtet, mit der Aufgabe faire Wettbewerbsbedingungen für die Marktteilnehmer zu gewährleisten. Für den österreichischen Postmarkt nehmen die Aufgaben des Regulators gemäß dem „österreichischen Regulierungsbehördenmodell“ eine weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag (Post-Control-Kommission) und eine – gem § 16 Abs 1 KOG – nicht gewinnorientierte Kapitalgesellschaft (RTR-GmbH) wahr. Die Kosten für die Finanzierung der Aufgabenerfüllung der RTR-GmbH sind einerseits aus dem Bundeshaushalt (ca. 25 %), andererseits von der Postbranche zu leisten (§ 34a Abs 2 KOG). Der Verwaltungsgerichtshof ist derzeit mit einer Beschwerde eines weltweit auf dem Gebiet von Kurier- und Expressdienstleistungen tätigen Unternehmens (konkret: DHL) befasst, dem ein Finanzierungsbeitrag für die RTR-GmbH bescheidmäßig vorgeschrieben wurde.

Kostentragungsregel unionsrechtswidrig?

Das Unternehmen, das ua die Abholung, die Sortierung, den Transport und die Zustellung von Paketen bis 31,5 kg sowie Schriftstücken bzw Dokumenten – verbunden mit umfangreichen Mehrwertleistungen (wie etwa betreffend garantierter Einhaltung bestimmter Zustellzeiten, Verpackung und Sendungsverfolgung) – anbietet, behauptet, dass die nationale Vorschrift nicht mit der RL 97/67/EG in der Fassung der ÄnderungsRL 2008/6/EG (fortan: Postmarkt-RL) vereinbar ist. Nach der Postmarkt-RL seien für die Finanzierung der Tätigkeit der Regulierungsbehörde nur solche Postdiensteanbieter heranzuziehen, die Dienstleistungen erbringen, welche dem Universaldienst unterfallen. DHL sieht sich aber nicht als Universaldienstanbieter sondern als „Mehrwertdienstleister“. Die österreichische Regelung, die unterschiedslos die Postbranche, dh alle Postdiensteanbieter iSd §§ 25, 26 PMG, und nicht bloß die Anbieter von Universaldienstleistungen zur Leistung eines Finanzierungsbeitrags verpflichte, verstoße daher gegen die Postmarkt-RL.

Zwei Fragen an den EUGH

Der Verwaltungsgerichtshof, ein Gericht im Sinne des Art 267 AEUV, hat nun mit Beschluss vom 17. Dezember 2014, EU 2014/0008­1 (2012/03/0153) ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. (1) Der EuGH soll entscheiden, ob der nationale Gesetzgeber die Postmarkt-RL verletzt hat, indem er sämtliche Postdiensteanbieter zur Finanzierung der RTR-GmbH heranzieht, unabhängig davon ob sie Universaldienstleistungen erbringen. (2) Eventualiter schließt der Verwaltungsgerichtshof noch eine weitere dreigeteilte Frage an; so fragt er etwa, (a) ob eine Beitragspflicht schon dann vorgesehen werden darf, wenn ein Anbieter Postdienstleistungen erbringt, die nach der nationalen Regelung als Universaldienstleistungen zu qualifizieren sind, aber über das verpflichtende Mindestangebot an Universaldienstleistungen nach der Postmarkt-RL hinausgehen (vgl Art 3 Abs 5 Postmarkt-RL). Die Fragen (b) und (c) betreffen die konkrete Bemessung der Beitragshöhe. Gefragt wird, (b) ob der Beitrag zur Finanzierung der Regierungsbehörde in gleicher Weise bemessen werden soll wie jener zum Ausgleichsfonds für den Universaldienst bzw (c) ob auf Mehrwertleistungen, also nicht dem Universaldienst zuordenbare Postdienstleistungen, die aber mit dem Universaldienst in einem Zusammenhang stehen, entfallende Umsatzanteile bei der Anteilsbemessung nicht berücksichtigt werden dürfen.

Interpretationsansätze des Verwaltungsgerichtshofs

Die Postmarkt-RL regelt die Beitragspflicht zur Finanzierung der Regulierungsbehörde in Art 9 Abs 2 Unterabsatz 2 vierter Spiegelstrich. Im Gesamtgefüge des Art 9 bezieht sich Abs 1 auf Dienste, die nicht zum Universaldienst gehören, Abs 2 bezieht sich dagegen (zumindest in Unterabsatz 1) auf den Universaldienst. Daraus ließe sich ableiten, dass die in Abs 2 angesprochenen Verpflichtungen nur solchen Postdiensteanbietern auferlegt werden dürfen, die Universaldienstleistungen erbringen; dies unabhängig davon, ob diese Postdiensteanbieter als Universaldienstanbieter „benannt“ – dh zur Leistung des Universaldienstes verpflichtet – wurden oder nicht (Unterabsatz 3).

In eine andere Richtung deutet für den Verwaltungsgerichtshof der Unterabsatz 2, der allgemein von (postmarktrechtlichen) Genehmigungen spricht und damit auch Allgemeingenehmigungen – diese gelten für alle Postdiensteanbieter – umfassen soll. (Hier könnten die „Genehmigungen“ im Unterabsatz 2 aber aus systematischen Gründen nicht als Genehmigungen iSd Begriffsbestimmung des Art 2 Z 14 sondern als die in Unterabsatz 1 angesprochenen Genehmigungen zu lesen sein).

Für den Verwaltungsgerichtshof streitet auch die historische Entwicklung der Postmarkt-RL dafür, die Beitragspflicht auf alle Postdiensteanbieter zu erstrecken. Angeknüpft wird dabei an die frühere intrasystematische Verortung jener Regelungen, die einen Beitrag zum Ausgleichsfonds für den Universaldienst vorsehen. Ob diese Verortung Rückschlüsse auf die allenfalls analog zu sehende Beitragspflicht zur Finanzierung der Regulierungsbehörde zulässt, kann allerdings in Zweifel gezogen werden.

Es ist dies auch nicht das zentrale Argument des Verwaltungsgerichtshofes. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in den Anpassungen durch die ÄnderungsRL 2008/6/EG vielmehr einen Paradigmenwechsel in der Postmarktliberalisierung. Hatte der Unionsgesetzgeber in den früheren Liberalisierungsphasen die Aufrechterhaltung des Universaldienstes vor Augen, zielt die Postmarkt-RL in ihrer aktuellen Fassung primär auf einheitliche Bedingungen für die Erbringung von Postdiensten ab. Ein textlicher Anknüpfungspunkt für diesen Interpretationsansatz findet sich in Art 1 (Zielsetzung und Geltungsbereich), dessen erster Spiegelstrich eben gerade nicht mehr auf den Universaldienst eingeht. (Zuzugestehen ist freilich, dass der Universaldienst in Art 1 weiterhin in mehrfachem Zusammenhang Erwähnung findet.) Es lässt sich also nachvollziehbar argumentieren, dass sich die Bestimmungen über die Liberalisierung des Postmarkts nicht nur an die Universaldienstanbieter richten. In einem nächsten Schritt ist daher anzuerkennen, dass die Tätigkeit der Regulierungsbehörde in Vollziehung des Postmarktrechts im Interesse (des Staates aber auch) eines jeden Postdiensteanbieters steht. Die Finanzierung der Regulierungsbehörde nur den Universaldienstanbietern aufzuerlegen, erschiene vor diesem Hintergrund unsachlich und sollte der Postmarkt-RL wohl nicht unterstellt werden, zumal der Wortlaut der Richtlinie eine derartige Interpretation nicht eindeutig vorzeichnet.

Sollte der EuGH zu einem anderen Ergebnis kommen und die Vereinbarkeit der österreichischen Regelung mit der Postmarkt-RL verneinen, hätte er auch zur im Detail schwierigen konkreten Berechnung der von jedem Markteilnehmer zu tragenden Finanzierungsanteile Stellung zu nehmen. Der österreichische Postmarktgesetzgeber darf in jedem Fall auf Post aus Luxemburg gespannt sein.

Christoph Hofstätter, EuGH, Österreich, Postmarkt, Unionsrecht, Vorabentscheidung
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