Der Medienfranken und eine dezentralisierte Publishing-Infrastruktur: Ein Lösungsvorschlag für die Schweiz

von NATALIE POMPE

Die Etablierung einer neuen Währung in Form eines Medienfrankens in Kombination mit einer dezentralisierten Publishing-Infrastruktur kann zu einer Umformulierung der unterliegenden Marktanreize im Medienbereich führen und den unerwünschten Folgen des digitalen Wandels entgegenwirken.

Der demokratische Diskurs hat sich in die digitale Welt verlagert. In dieser Welt konnten sich neue Informationsakteure so etablieren, dass traditionelle Medienunternehmen Schwierigkeiten haben weiterhin zu bestehen. Es kam zu einer Veränderung der Machtverhältnisse und die unerwünschten Effekte der algorithmisch geprägten digitalen Sphäre werden breit diskutiert. Die Befürchtungen betreffen grundlegende Aspekte einer Demokratie: eine fehlende Informationsgrundlage für den demokratischen Diskurs (Filter Bubbles) sowie schwindende Qualität und Vielfalt in den Medien. Der staatliche Auftrag zur medialen Grundversorgung wird durch den Service public in der Schweiz umgesetzt. Der Service public ist Gegenstand zahlreicher parlamentarischer Vorstösse (siehe dazu hier unter dem Stichwort „Service Public Medien“). Die mit dem Service public verknüpfte Billag-Gebühr war letztes Jahr Subjekt einer Referendumsvorlage, wobei das Volk jedoch entschied die Gebühr nicht abzuschaffen. Es besteht Unzufriedenheit mit der staatlichen Umsetzung des Verfassungsauftrags, jedoch fehlt es auch bislang an überzeugenden Lösungsvorschlägen. Die Eidgenössische Medienkommission hat letztes Jahr sogar aus ökonomischer Perspektive ein Marktversagen im Medienbereich festgestellt sowie statuiert, dass eine direkte Medienförderung aufgrund der digitalen Entwicklungen erforderlich ist. Auch die Forschung fordert neue Konzepte und Organisationsmodelle zur Umsetzung des medialen Grundversorgungsauftrags sowie zur Sicherung der Medienfreiheit im digitalen Bereich. Der Medienfranken und eine blockchain-basierte Infrastruktur für Journalisten ist ein solches neues Organisationsmodell, welches im Folgenden kurz erläutert wird.

Dezentralisierte Infrastruktur und eine neue Kryptowährung– eine dem derzeitigen Innovationsstand entsprechende Lösung

Das neue Konzept WePublish setzt die Idee des Medienfrankens basierend auf neusten technischen Errungenschaften zeitgemäss um. In Kombination mit einer dezentralen Publishing-Infrastruktur wird die Transparenz und Autonomie über die Informationsselektion erhöht sowie die Unabhängigkeit der Medienhäuser von Marktanreizen gestärkt. Das Konzept ist folgendermassen angedacht: Die Medienabgabe, die neu Serafe und nicht mehr Billag heißt, wird durch den einzelnen Bürger bezahlt. Er erhält einen Teil der Gebühr (CHF 100.–) in der neuen Währung ‘Medienfranken’ zurück. Der Einzelne kann Journalisten und Medienhäuser mit Medienfranken unterstützen, wobei die Bezahlung komplett anonym erfolgt. Die Blockchain Infrastruktur bietet sich an, die Dezentralisierung zu bewirken, indem der Handel mit Medienfranken über die Infrastruktur automatisch und für den Bürger transparent abgespeichert wird. Zum Beispiel, der Bürger könnte einem freischaffendem Journalist seine 100 Medienfranken schicken. Dieser könnte wiederum ein grösseres Medienhaus wie die NZZ anfragen, ob diese einen seiner Artikel teilen möchten. Für diese Leistung kann er mit Medienfranken über die Blockchain Infrastruktur bezahlen. Aufgrund der Blockchain-Infrastruktur ist für den Leser sichtbar was der Journalist der NZZ für die erhöhte Sichtbarkeit seines Artikels bezahlt hat. Kurz, der Bürger gewinnt Transparenz über den unterliegenden Marktmechanismus einer Information, welcher die Sichtbarkeit einer Information beeinflusst hat. Diese Transparenzerhöhung und Machtverschiebung zum Einzelnen wirkt den unerwünschten Effekten der Digitalisierung entgegen. Ferner haben die Journalisten neue Finanzierungsmöglichkeiten wodurch die Medienvielfalt und -unabhängigkeit gestärkt wird.

Rechtliche Aspekte und Gedanken aus der Demokratietheorie

Verschiedene Grundrechte ermöglichen und schützen das Funktionieren der Demokratie. Der Schutz des ungehinderten und freien Willensbildungsprozess des Einzelnen durch die Meinungs- und Informationsfreiheit, der freie Austausch der Bürger in der public sphere geschützt durch die Medienfreiheit und die Wahrnehmung der individuellen politischen Rechte machen die kollektive Selbstbestimmung überhaupt möglich. Die Herausforderung besteht darin, den unterliegenden demokratische Wert der individuellen und kollektiven Autonomie unter den neuen digitalen Gegebenheiten zu schützen.

Obwohl das Informationsangebot mit dem Weg in die digitale Welt sich exponentiell vergrössert und mit den neuen Akteuren extern ein quantitativ vielfältiges Angebot vorliegt, stellt die Eidgenössische Medienkommission im 2018 gleichzeitig fest, dass nicht genügend unabhängige und vielfältige Information vom Markt produziert wird. Problematisch ist, dass eine Information durch die Nutzung von neusten technischen Mechanismen im Informationsdschungel ein grösseres Publikum erlangen kann ohne dass dies im Zusammenhang mit der Qualität der Information steht. Beispiele dafür sind die Verwendung von Social Bots, Plattformen, Influencers etc. Twitter hat im letzten Jahr 6 Millionen gefälschte Accounts vom Netz genommen. Dies ist jedoch nur ein kleiner Indikator für das schlecht messbare Ausmass des digitalen Wandels.

Mit der Garantie der politischen Rechte in der Schweiz wird dem Einzelnen Bürger eine erhöhte Verantwortung als Teil des Souveräns auferlegt. Dass eine Rolle als politisch verantwortlicher Bürger und eine Rolle als Privatperson und Konsument unterschieden wird, ist ablesbar im schweizerischen Rechtssystem. Ein Beispiel für die juristische Umsetzung dieser Unterscheidung ist die Pönalisierung der Nichtwahrnehmung des Stimmrechts in gewissen Kantonen. Dass zur Wahrnehmung der Stimm- und Wahlrechts ein ungehinderter Willensbildungsprozess sowie Zugang zu Information (einschliesslich Vielfaltsgebot sowie Autonomie über die Informationsselektion) erfordert, ist klar. Im digitalen Bereich kommt es zu einer vermischten Wahrnehmung der Rolle als politischer Bürger (als Teil des Souveräns) und der Rolle als Privatperson und Konsument. Der Medienfranken führt zu einer Machtverschiebung, welche die Rolle des Bürgers stärken wird und somit dieser Entwicklung entgegenwirken kann.

Die Zukunft der rechtlichen Toolbox

Durch den technischen Wandel und die schlechte Greifbarkeit neuer Phänomene durch rechtliche Instrumente wird die Rolle des Rechts herausgefordert und dessen Überlebensfähigkeit hinterfragt. In diesem Zusammenhang wird statuiert, dass trotz Innovation des Rechts und der Erforderlichkeit das Recht weiterzuentwickeln, das Innovationsstreben doch mit den Grundsätzen der Rule of Law eine klare Schranke findet. Die Rule of Law beinhaltet die elementaren Grundsätze für gerechtfertigte Eingriffe seitens des Staates. Die Legitimation für entstehendes Recht findet sich in etablierten demokratischen Prozessen, in welchem das Recht zustande kommt. Dass die Bürger ihren Willen frei und ungehindert basierend auf einem vielfältigen Informationsangebot bilden können ist konstitutiv für diese Prozesse. Die juristischen Instrumente kommen zur Herstellung dieser Voraussetzungen aufgrund des digitalen Wandels jedoch an ihre Grenzen. Eine Umformulierung der Marktanreize mit Hilfe eines Medienfrankens und einer dezentralisierten Informationsplattform könnte der Umsetzung der grundrechtlichen Voraussetzungen für eine Funktionierende Demokratie dienen.

 

Zitiervorschlag: Pompe, Der Medienfranken und eine dezentrale Publishing-Infrastruktur , JuWissBlog Nr. 9/2019 v. 18.1.2019, https://www.juwiss.de/9-2019/

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Billag, Medienfranken, Natalie Pompe, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Schwerpunktwoche, Service Public
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