Schwerpunkt zum Schutz journalistischer Arbeit im europäischen Rechtsraum
von GÁBOR POLYÁK
Ein typischer Missbrauch öffentlicher Ressourcen ist die marktverzerrende Subventionierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Eine unverhältnismäßig großzügige Finanzierung kann hierbei nicht nur die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Rundfunkmarkt stören, sondern auch als Einforderung von Loyalität seitens der Veranstalter aufgefasst werden. Die konsequente Kontrolle staatlicher Beihilfen wäre ein wichtiges unionsrechtliches Mittel, um Verzerrungen auf den Medienmärkten zu verhindern. Die praktische Durchsetzung vorhandener Regeln ist auf dem ohnehin politisch beeinflussten Markt aber schon deshalb begrenzt, weil die Akteure, die nach den einschlägigen Regelungen als Beteiligte befugt wären, entsprechende Verfahren einzuleiten, häufig Konflikte mit der Regierung vermeiden. Seit 2016 liegt der Europäischen Kommission gleichwohl eine Beschwerde über die ungarische Rundfunkfinanzierung vor. Der folgende Beitrag erläutert deren Gründe.
Die besonderen EU-beihilferechtlichen Vorgaben für die staatliche Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (im Folgenden: Mitteilung) bestimmt – in Konkretisierung der Maßstäbe in Art. 107 und 106 Abs. 2 AEUV – zahlreiche Bedingungen für die rechtmäßige Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Veranstalter. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kommission die Unterstützung öffentlich-rechtlicher Medien für binnenmarktskonform hält, wenn
- die Finanzierung der Erbringung eines „so genau wie möglich definierten“ (Mitteilung, Rn. 44) und dem Veranstalter rechtsverbindlich auferlegten öffentlich-rechtlichen Auftrags dient,
- die öffentlich-rechtlichen und die sonstigen Tätigkeiten der Veranstalter in den internen Aufstellungen getrennt voneinander geführt werden und dadurch die Transparenz der Finanzierung gewährleistet wird,
- die Verwendung der öffentlichen Finanzmittel durch „eine regelmäßige und wirksame Aufsicht“ (Mitteilung, Rn. 77) kontrolliert wird, die durch eine externe, von der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt unabhängige Stelle durchgeführt wird, und
- die neuen (digitalen) öffentlich-rechtlichen Dienstleistungen nur nach einem vorherigen Beurteilungsverfahren bereitgestellt werden, in welchem geprüft wird, ob von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geplante wesentliche neue audiovisuelle Dienste „den sozialen, demokratischen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft dienen, und dabei auch die potenziellen Auswirkungen auf die Handels- und Wettbewerbsbedingungen angemessen berücksichtigen“ (Mitteilung, Rn. 84).
Wenn diese Kriterien der Transparenz und der wirksamen Kontrolle der Verwendung der öffentlichen Gelder nicht erfüllt werden, gefährdet die Finanzierung nicht nur den fairen Wettbewerb, sondern setzt den Veranstalter zugleich auch der politischen Einflussnahme aus. Dadurch wird das Risiko einer Beeinflussung oder zumindest einer Orientierung an politischen Erwartungen bedeutend erhöht. Auf der anderen Seite können auch die wirtschaftlichen Tätigkeiten öffentlich-rechtlicher Medien, die einige Marktakteure bevorzugen, andere hingegen benachteiligen, sowohl den ökonomischen Spielraum der Marktakteure als auch die Auswahl der Medieninhalte im ganzen Mediensystem beeinflussen, da sie erhebliche Auswirkungen auf die Chancen der Akteure haben können, das Publikum zu erreichen. Mit anderen Worten: Wenn die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen die Kriterien des fairen Wettbewerbs nicht befolgt, sind auch Freiheit und Pluralität der Medien nicht mehr vollständig gewährleistet. Demzufolge kann eine Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien, die nicht im Einklang mit der Mitteilung der Kommission steht, zur Verletzung von Art. 11 der Grundrechtecharta führen. Die Charta verlangt explizit die Achtung der Freiheit und der Pluralität von Medien. Diesen Aspekt kann – und soll – die Kommission bzw. der EuGH in einem Verfahren zu staatlichen Beihilfen berücksichtigen. Die Grundrechtecharta dient auch in diesen Fällen als Auslegungsmaßstab.
Die Probleme der ungarischen Rundfunkfinanzierung
Das Beispiel Ungarns zeigt anschaulich, dass eine intransparente, nicht durch unabhängige Stellen kontrollierte und unverhältnismäßige Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien zu einer vollständigen Instrumentalisierung führen kann.
Die ungarischen Haushalte bezahlen keine direkten Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Mediendienste. Alle öffentlichen Förderungen werden unmittelbar vom Staatshaushalt getragen. Als sog. öffentlich-rechtlichen Zuschuss sah das Gesetz im Jahr 2012 eine Summe von 64,8 Milliarden Forint (ca. 210 Millionen Euro) vor. Diese Summe ist seit 2013 jedes Jahr wenigstens um die Höhe des ungarischen Verbraucherpreisindexes zu erhöhen (vgl. Anlage Nr. 4 zum ungarischen Gesetz Nr. CLXXXV/2010 über die Mediendienste und die Massenkommunikation). Im Jahr 2019 betrug die Summe daher schon 92,6 Milliarden Forint (ca. 280 Millionen Euro). Das Gesetz sieht keine Mechanismen vor, die eine Anpassung der öffentlichen Finanzierung an den öffentlich-rechtlichen Auftrag erlauben würden. Daran ändert auch ein sog. „strategischer Plan“ nichts, den der öffentlich-rechtliche Medienveranstalter einmal jährlich zusammenstellen soll. In diesem Strategieplan werden lediglich die potenziellen Entwicklungstendenzen zur Qualität des öffentlich-rechtlichen Medienangebots identifiziert, die Höhe der staatlichen Beihilfen beeinflusst er gerade nicht.
Neben der gesetzlich garantierten Finanzierung erhält der Veranstalter gelegentlich noch weitere Förderungen ad hoc, zudem wurden 2015 auch die Schulden der öffentlich-rechtlichen Veranstalter in Höhe von 47 Milliarden Forint (ca. 145 Millionen Euro) vom Staat übernommen.
Auch die Aufsicht über die Verwendung der öffentlichen Mittel ist problematisch. Bis 2015 war es die Aufgabe des „Öffentlich-Rechtlichen Haushaltsrates“ (Közszolgálati Költségvetési Tanács), die Verteilung der zur Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien zur Verfügung stehenden Gelder unter den öffentlich-rechtlichen Mediendienste-Anbietern vorzunehmen. Mitglieder des Rates sind bis heute der Generaldirektor der öffentlich-rechtlichen Medienveranstalter, der Generaldirektor des sog. „Fonds zur Unterstützung und Vermögensverwaltung der Mediendienstleistung“ (Médiaszolgáltatást Támogató és Vagyonkezelő Alap, MTVA) sowie zwei Delegierte des ungarischen Rechnungshofes.
Eine Gesetzesänderung im Dezember 2014 machte den Haushaltsrat jedoch völlig bedeutungslos und dehnte die Kompetenzen des MTVA auch auf die Verteilung der staatlichen Fördermittel zwischen den verschiedenen Tätigkeiten des öffentlich-rechtlichen Veranstalters aus. Der MTVA ist nun das wichtigste Glied innerhalb des öffentlich-rechtlichen Institutionensystems. Dem Gesetz entsprechend wird die Gesamtheit aller Eigentümerrechte und -pflichten des öffentlich-rechtlichen Medienvermögens von diesem Fonds ausgeübt. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die Produktion und Unterstützung der Sendungen, die einem öffentlich-rechtlichen Zweck dienen. In der Praxis bedeutet dies, dass das Gesamtvermögen öffentlich-rechtlicher Mediendienste-Anbieter sowie die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer direkt zum Fonds gehören und der Mediendienste-Anbieter selbst über keine eigenen Kapazitäten verfügt. Derzeit hat der Haushaltsrat lediglich die Kompetenz, die entsprechenden Vorschläge des MTVA zu bewerten, wobei dieser die Stellungnahme nicht berücksichtigen muss. Das Mediengesetz selbst enthält auch keine Regelung zur Verteilung der Fördermittel. Die bei den Entscheidungen maßgeblichen Kriterien sind zumindest aus öffentlich zugänglichen Dokumenten nicht zu erfahren. Demnach gibt es keine unabhängige Kontrolle von außen über die Verteilung der Gelder.
Ausblick
Die Beschwerde von Klubradio, Mertek Media Monitor und Benedek Javor (MEP) über die ungarische Rundfunkfinanzierung (SA.45463 – Application of State aid rules to public service media) wurde im Jahr 2016 eingereicht. Die letzte Rückmeldung von der Kommission war die Zusendung der Beschwerde zu der ungarischen Regierung, um die Meinung der Regierung zu beschaffen. Danach gab es keine Entwicklungen mehr. Als Ergebnis konnte der ungarische Staatsrundfunk auch in der Wahlkampagne zu den Parlamentswahlen im 2018, zu der EU Parlamentswahl und zu den lokalen Wahlen im 2019 die einseitige Berichterstattung fortführen.
Der Beitrag beruht auf einem Kapitel aus dem Buch „Medienpolitik in Osteuropa“ des Autors.
Zitiervorschlag: Polyák, Die staatliche Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien als Mittel der Einflussnahme in Ungarn, JuWissBlog Nr. 111/2019 v. 6.12.2019, https://www.juwiss.de/111-2019/.
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