AfD-Mitglieder im Staatsdienst – Zu den Folgen der Einstufung der AfD zum Verdachtsfall für Beschäftigte im Öffentlichen Dienst

Von AARON APPUHN

In den letzten Jahren hat das Thema Extremismus im öffentlichen Dienst verstärkt Einzug in die öffentliche Diskussion gefunden. Die historisch unter dem Stichwort „Radikalenerlass“ geführte Debatte gegen Linksextreme im Öffentlichen Dienst hat angesichts von bekannt gewordenen Fällen von Rechtsextremisten bei Polizei und Bundeswehr ein neues Gewand bekommen. Mit der nunmehr gerichtlichen Bestätigung der Einstufung der Alternative für Deutschland (AfD) als Verdachtsfall (VG Köln, Urteil vom 08.03.2022 – 13 K 326/21) sollte für Amtsträger, die weiterhin Mitglied der AfD sein wollen, eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis in Betracht gezogen werden. Denn die Bestätigung der Einstufung bedeutet nicht weniger, als dass ausreichende tatsächliche und gewichtige Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD vorliegen.

1. Bedeutung der Verdachtsfalleinstufung

Wann eine Partei als Verdachtsfall einzustufen ist, ist gesetzlich nicht geregelt. § 4 Abs. 1 Satz 1 lit. c) Satz 3 BVerfSchG verlangt, dass tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass in einem Personenzusammenschluss verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt werden. Tatsächliche Anhaltspunkte verlangen dabei mehr als bloße Vermutungen, Spekulationen, Mutmaßungen oder Hypothesen, die sich nicht auf Fakten stützen können. Ob die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte den Verdacht von verfassungsfeindlichen Bestrebungen zulassen, ist in einer Würdigung aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte zu ermitteln. Der Verdachtsfallbearbeitung folgt, nach angemessener Zeit, entweder die Einstellung oder die Einstufung als gesicherte extremistische Bestrebung.

2. Folgen für das Dienstverhältnis

Die wohl bedeutendsten Dienstpflichten eines Amtsträgers ist die in § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG (§§ 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG, 9 Nr. 2 DRiG, 37 Abs. 1 Nr. 2 SG enthalten identische Regelungen für die entsprechende Statusgruppen) ausgestaltete Pflicht zur Verfassungstreue. Demnach darf (u.a.) nur in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis berufen werden, wer die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetztes einzutreten.

Durch § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG (§§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamStG, 46 DRiG i.V.m. 60 Abs. 1 Satz 3 BBG, 8 SG enthalten entsprechende Regelungen für die jeweiligen Statusgruppen) wird diese Einstellungsvoraussetzung gleichzeitig zur dauerhaften Dienstpflicht. Diese Verfassungstreuepflicht zählt damit nicht nur zur Eignung i.S.v. Art. 33 Abs. 2 GG, sondern ist gleichzeitig ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums i.S.d. Art. 33 Abs. 5 GG; sie genießt Verfassungsrang (BVerfGE 39, 334, Rn. 36 ff.).

a) Bekennen und Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung

Die Pflicht zur Verfassungstreue fordert vom Amtsträger mehr als nur eine formal korrekte, innerlich distanzierte und im Übrigen uninteressierte und kühle Haltung gegenüber Staat und Verfassung (BVerfGE 39, 334, Rn. 38). Bereits aus dem Wortlaut der, die Verfassungstreue konkretisierenden, Normen folgt die Verpflichtung des Amtsträgers, sich – auch aktiv – zu den im Grundgesetz verankerten Staatsauffassungen zu „bekennen“. Dies kann insbesondere das Kundtun der inneren Einstellung mit Worten umfassen, wenn dies die Situation erfordert.

Unter „Eintreten“ ist zu verstehen, dass der Amtsträger Bestrebungen, die geeignet erscheinen, die freiheitlich demokratische Grundordnung herabzusetzen, nicht in einer Weise hinnimmt, die, ein verfassungstreuer Dritten, als stillschweigende Billigung verstehen könnte. Vielmehr wird ein eindeutiges und unmissverständliches Distanzieren vom Betreffenden erwartet. Zudem ist die Verpflichtung umfasst, alles zu unterlassen, was geeignet ist, den Anschein zu erwecken, verfassungsfeindliche Ansichten Dritter zu teilen oder zu fördern (BVerwGE 61, 176, 179).

b) Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue

Ob und wie die Pflicht zur Verfassungstreue durch einen Amtsträger aufgrund einer Parteimitgliedschaft verletzt wird, kann nicht pauschal beantwortet werden.

Zunächst ist festzuhalten, dass es der beamtenrechtlichen Treuepflicht grundsätzlich nicht entgegensteht, dass sich der Amtsträger als Staatsbürger – auch öffentlich – zu (kontroversen) politischen und sozialen Themen äußert und an politischen Veranstaltungen und Versammlungen teilnehmen und sich bei diesen aktiv einbringen darf. Zudem kann er Mitglied einer Partei sein, in dieser aktiv mitgestalten und insoweit auch Wahlkampf betreiben.

Während die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei ausnahmslos mit der Pflicht zur Verfassungstreue unvereinbar ist und grundsätzlich die Entlassung des Amtsträgers zur Folge hat (vgl. Schwarz, BeckOK BBG, 25. Edition, § 7, Rz 17.1), muss in den Fällen genauer differenziert werden, in denen in der Partei verfassungsfeindliche sowie verfassungstreue Strömungen um die Vorherrschaft ringen.

Für die Annahme von Zweifeln an der Verfassungstreue der Partei (bzw. einzelnen Parteiteilen) reicht es aus, dass das jederzeitige Eintreten der Partei für die freiheitlich demokratische Grundordnung fraglich erscheint (BVerwGE 111, 22, 24). Dahingehende Zweifel sind regelmäßig begründet, wenn die betreffende Partei von Verfassungsschutzämtern (rechtmäßig) nachrichtendienstlich überwacht wird oder überwacht werden könnte.

1) Verfassungsfeindlichkeit der AfD

Innerhalb der AfD konnten bislang verschiedene Strömungen erkannt werden, wobei insbesondere der sog. Flügel als verfassungsfeindlicher Teil (er wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz als gesichert extremistisch bewertet und löste sich daraufhin formell auf) als relevante Strömung vorherrschend war. Andere Teile der Partei waren indessen nicht evident verfassungsfeindlich. Mit der gerichtlichen Entscheidung ist nunmehr die Bewertung der Gesamtpartei als Verdachtsfall bestätigt. Die AfD befindet sich derzeit in einem Richtungsstreit, bei dem sich die verfassungsfeindlichen Bestrebungen tatsächlich durchsetzen könnten, was für sich genommen für die Einstufung als Verdachtsfall ausreichend ist. Beachtlich ist zudem, dass die Einstufung sich auf die Gesamtpartei und nicht länger auf einzelne Parteiteile (wie etwa die Junge Alternative, die bereits seit 2019 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall bewertet wird) bezieht. Da die Möglichkeit besteht, dass sich die extremistischen Teile innerhalb der Partei durchsetzen und die „verfassungstreuen“ Teile verdrängen, ist die Einstufung der Gesamtpartei als Verdachtsfall und der damit einhergehenden Feststellung, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der gesamten AfD vorliegen, folgerichtig.

Daher steht grundsätzlich die Verfassungstreue der gesamten AfD infrage; obgleich es vereinzelt noch verfassungstreue Strömungen geben mag. Dass die gerichtliche Entscheidung (noch) nicht rechtskräftig ist, steht der Behandlung der AfD und deren Mitglieder als Verdachtsfall nicht entgegen. Denn der Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung wurde gerichtlich abgelehnt, sodass sich auch der ursprüngliche Hängebeschluss, der in der Sache ergangen war, erledigt hat.

2) Dienstpflichtverletzung durch AfD-Mitgliedschaft

Die Zweifel an der Verfassungstreue der AfD gehen allerdings noch nicht zwangsläufig mit einer Verletzung der Treuepflicht des Amtsträgers einher. Die Dienstpflichtverletzung des Amtsträgers ist dabei nämlich nicht durch die bloße Parteimitgliedschaft begründet, sondern liegt in einem konkreten Tun oder Unterlassen; hier entweder in Form des Bekennens zu einer verfassungsfeindlichen Partei bzw. im Unterlassen der Distanzierung zu dieser. Insbesondere kommt es bei der Feststellung der Dienstpflichtverletzung nicht darauf an, ob der betreffende Amtsträger eine herausgehobene Funktion (bspw. Mitglied eines Vorstandes oder Redner auf einem Parteitag) in der Partei innehat, denn bereits das stillschweigende Billigen von verfassungsfeindlichen Bestrebungen begründet – wie oben aufgeführt – eine Dienstpflichtverletzung.

3) Funktionsbezogene Treuepflicht

Darüber hinaus kommt es auch nicht darauf an, ob der betroffene Amtsträger im dienstlichen Bereich eine herausgehobene Stellung innehat. In der Literatur (vgl. Schwarz, BeckOK BBG, 25. Edition, § 7, Rz 14.1) wird vereinzelt vertreten, dass anhand der Position und nach Art der dienstlichen Obliegenheiten eine Unterscheidung hinsichtlich des Umfanges der Verfassungstreuepflicht vorgenommen werden dürfe, da sich die Pflicht zur Verfassungstreue, als massiver Grundrechtseingriff, stets an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen habe.

Die Praxis und die Rechtsprechung (BVerfGE 7, 155, Rn. 31 ff.; BVerwGE 47,330) erachten eine derartige Funktionsdifferenzierung – zurecht – als unzulässig. Die Verfassungstreuepflicht folgt aus der Notwendigkeit des Gedankens der Garantie eines für den Staat unentbehrlichen, ihn tragenden, verlässlichen Beamtenkörpers. Die Effizienz des Beamtentums verlässt sich auf der jederzeitigen Umsetzbarkeit (Versetzung, Abordnung etc.) aller Amtsträger. Schon dies schließt eine solche Differenzierung aus. Zudem beruht eine wehrhafte Demokratie gerade auf dem Gedanken, dass politische Toleranz allen Parteien – sogar verfassungsfeindlichen – die Teilhabe am politischen Meinungskampf ermöglicht. Diese Wehrhaftigkeit findet jedoch ihre Grenzen in dem Interesse des Staates, seine elementaren Grundwerte nicht zur Disposition zu stellen, sondern durch verfassungstreue Staatsdiener zu sichern.

c) Exkulpationsmöglichkeit im Einzelfall

Obgleich die Mitgliedschaft in der AfD im Regelfall die Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue indiziert, bleibt diese Feststellung einer Einzelfallbewertung vorbehalten. Denkbar ist sicherlich, dass ein Amtsträger sich weiterhin innerhalb der AfD dafür einsetzten will, dass diese als verfassungstreue Partei am politischen Prozess teilnimmt. Eine Exkulpation setzt indessen voraus, dass sich der betroffene Amtsträger ernsthaft und unmissverständlich von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen des verfassungsfeindlichen Teils distanziert. Weiterhin muss wenigstens abstrakt eine ernstzunehmende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der betroffene Amtsträger aufgrund seiner parteiinternen Funktion und Position sowie unter Berücksichtigung der parteiinternen Gesamtstruktur die Möglichkeit hat, an dem Sich-Durchsetzen des verfassungstreuen Teils mitzuwirken.

3. Folgen für das Dienstverhältnis

Die Pflicht zur Verfassungstreue gehört zu den elementarsten dienstlichen Pflichten, ihre Verletzung mithin zu den schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten. Zudem reagiert die Allgemeinheit in Fällen des politischen Extremismus – zurecht – ausgesprochen empfindlich, sodass im Regelfall ein endgültiger Vertrauensverlust hinsichtlich des betreffenden Amtsträger eintreten wird, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, dass der Amtsträger auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen wird. Im Regelfall sollte daher als Ahndung der Dienstpflichtverletzung nur eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis als Folge der Dienstpflichtverletzung in Betracht kommen (BVerwG, Urteil vom 06.09.2012 – 2 WD 26.11 –, Rn. 67). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn der betreffende Amtsträger den Austritt aus der AfD erklärt und sich glaubwürdig von ihren Bestrebungen distanziert. Wie die zuständigen Stellen in der öffentlichen Verwaltung mit dieser Angelegenheit umgehen und ob aufgrund der Mitgliedschaft in einem nachrichtendienstlichen Verdachtsfall verfügte Entlassungen bzw. Entfernungen aus dem Dienstverhältnis auch im Fall der AfD als rechtmäßig erachtet werden, bleibt abzuwarten.

Zitiervorschlag: Aaron Appuhn, AfD-Mitglieder im Staatsdienst – Zu den Folgen der Einstufung der AfD zum Verdachtsfall für Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, JuWissBlog Nr. 22/2022 v. 21.4.2022, https://www.juwiss.de/22-2022/

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Aaron Appuhn, AfD, Beamtenrecht, Verdachtsfall, Verfassungsschutz, Verfassungstreue
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1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Michael Schneider
    22. April 2022 11:43

    Der Beitrag leidet an einigen erheblichen Schwächen.
    Zunächst ist klarzustellen, dass die Einstufung der Partei durch den Verfassungsschutz sowie deren gerichtliche Bestätigung – entgegen des im Beitrag vermittelten Eindrucks – im Disziplinarverfahren irrelevant ist (BVerwG, NJW 2002, 980, 983).
    Nicht nachvollziehbar ist ferner, wieso die Einstufung der Partei als bloßer Verdachts(!)fall den Nachweis (!) eines Dienstvergehens begründen soll. Wie dies mit dem auch im Disziplinarverfahren geltenden Grundsatz „in dubio pro reo“ (vgl BVerwG, NVwZ 2013, 1087, 1088) zu vereinbaren sein soll, bleibt schleierhaft. Die vom Verfasser vertretene „Exkulpationslösung“ führt im Ergebnis zu einer Umkehr des Zweifelsgrundsatzes: Der Beamte soll aufgrund eines bloßen Verdachtes aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, wenn es ihm nicht gelingt, seine Unschuld nachzuweisen. Bemerkenswert ist auch, dass die hier einschlägige Entscheidung des BVerwG, NJW 2002, 980 vom Verfasser anscheinend gar nicht zur Kenntnis genommen wurde. Da offenbar auch der Verfasser davon ausgeht, dass nur Teile der AfD verfassungsfeindlich seien, hätte es nahegelegen, sich mit Leitsatz 6 der genannten Entscheidung auseinanderzusetzen. Dieser besagt, dass in einem derartigen Fall gerade nicht die gesamte Partei als verfassungsfeindlich angesehen werden kann.
    Bemerkenswert sind schließlich auch Ausführungen zur Exkulpation: Zunächst erweckt der Verfasser – insoweit halbwegs im Einklang mit der von ihm nicht zitierten Rechtsprechung (BVerwG, NJW 2002, 980, 989) den Eindruck, der Beamte müsse sich mit Aussicht auf Erfolg gegen die verfassungsfeindlichen Strömungen innerhalb der Partei engagieren. Im nächsten Absatz wird dann allerdings der Austritt aus der Partei verlangt. Dass passt offenkundig nicht zusammen.

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