Die digitale Revolution krempelt die Welt um und macht auch vor den Medien nicht Halt: Die Medienkonvergenz ist in vollem Gange und stellt insbesondere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor neue Fragen: Inwiefern ist er überhaupt erforderlich angesichts der hohen Anbietervielfalt im Internet?
Das Internet stellt das Medienrecht vor neue Herausforderungen: Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG kennt an sich nur Presse und Rundfunk. Diese werden zudem unter gänzlich verschiedene Rechtsregime gestellt: Während die Pressefreiheit ein klassisches subjektives Abwehrrecht darstellt, sieht das BVerfG nach ständiger Rechtsprechung in der Rundfunkfreiheit eine sogenannte „dienende Freiheit“, der primär ein objektiver Charakter zukommt und dem öffentlichen Meinungsbildungsprozess zuträglich sein soll.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk fand seine Existenzberechtigung stets in den Besonderheiten, die das Medium „Rundfunk“ mit sich trug. Zunächst stellte das BVerfG auf die Sendefrequenzknappheiten und den hohen Finanzierungsaufwand ab (BVerfGE 12, 205, 261). Diese erschwerten Wettbewerbsbedingungen machten einen Rundfunk erforderlich, der Meinungs- und Inhaltsvielfalt gewährleistet. Wenn Außenpluralismus nicht gegeben sein kann, ist der Binnenpluralismus umso wichtiger. Mit dem Aufkommen des privaten Rundfunks änderte sich an dieser Herangehensweise nichts. Durch die Werbefinanzierung müsse der private Rundfunk primär auf die Quote schauen, sodass Abstriche bei Meinungs- und Inhaltsvielfalt zwangsläufig sind. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegt somit der Auftrag der sogenannten Grundversorgung . In der Rundfunkrechtsprechung kommt damit besonders der objektive Gehalt der Medienfreiheiten zum Ausdruck. Dieser liegt darin, dass die Medien der wesentliche Faktor für den Meinungsbildungsprozess in der Demokratie sind. Dieser objektive Gehalt wohnt auch der Pressefreiheit inne.
Das Internet als elektronischer Printmedienmarkt?
Dennoch waren öffentlich-rechtliche Anbieter auf dem Pressemarkt nie vorhanden. Marktzugangshürden sind hier kaum gegeben, der Finanzierungsaufwand ist deutlich geringer. Hierauf verweisen Autoren häufig, wenn sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Internet eingeschränkt sehen wollen. Im Internet gibt es eine noch deutlich höhere Anzahl an Anbietern als im Pressemarkt, finanzielle Mittel benötigt es quasi überhaupt nicht. Wer somit nach öffentlich-rechtlich Telemedien ruft, der müsse genauso gut öffentlich-rechtliche Zeitungen fordern, heißt es von vielen.
Kann man das Internet aber einfach als elektronischen Printmedienmarkt betrachten? Niedrige Zugangshürden können auch Anbieter mit sich bringen, die das Medium bewusst missbrauchen (Fake News lassen grüßen); andere Medien hingegen sind aufgrund ihrer Gestaltung gar nicht erst geeignet, einen Teil zum Meinungsbildungsprozess beizutragen. Vor allem wird jedoch mit Blick auf die Finanzierung erkennbar, dass sich hier deutliche Parallelen zum privaten Rundfunkmarkt auftun.
Das BVerfG hat in der Entscheidung zum Rundfunkbeitrag zu dieser Frage bereits Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass Anbietervielfalt im Internet nicht gleich Inhaltsvielfalt und Qualität bedeutet (zur Besprechung des Urteils siehe Ferreau). Das Internet würde Meinungskonzentration vielmehr verstärken, auch durch soziale Medien und Algorithmen. Inwieweit öffentlich-rechtliche Inhalte Algorithmen entgegenwirken können, kann man infrage stellen, das BVerfG stellt aber auch auf die Werbefinanzierung der privaten Online-Angebote ab (den Öffentlich-rechtlichen ist Werbung im Internet nach § 11d Abs. 5 S. 1 RStV untersagt) und trifft damit den wunden Punkt der Online-Medien.
Während die Einnahmen der Printmedien durch den Vertrieb stets bei knapp 50% lag (heute sogar über 60% angesichts der Verlagerung des Anzeigenmarkts) werden die Angebote im Internet größtenteils über Werbung finanziert. Zwar werden vermehrt viele Artikel hinter sogenannten Bezahlschranken (auch „Paywalls“ genannt) versteckt, der Anteil derer in Deutschland, die im Internet für Artikel bezahlen, lag im Jahr 2018 jedoch gerade einmal bei 8%.
Selbst unter der Berücksichtigung, dass sich auch Printmedien stets zu einem Großteil durch Anzeigen finanziert haben, so lässt sich die Anzeigenwerbung im Internet nicht mit denen des Printmedienmarktes vergleichen.
Erfolgsabhängige Werbefinanzierung führt zu Problemen
Dies liegt vor allem an der Berechnungsweise der Vergütung. Während sich die Höhe des Anzeigenpreises in den Printmedien nach der Höhe der Auflage richtete, erfolgt die Vergütung im Internet erfolgsabhängig. Der Werbekunde bezahlt also keine Pauschale für das Schalten der Anzeige, die Vergütung richtet sich je nach Modell vielmehr danach, wie viele Nutzer tatsächlich die Anzeige auf ihrem Bildschirm sehen, wie viele auf sie klicken oder wie viele im Zuge der Anzeige etwas bestellen. Dies führt dazu, dass die Anbieter ein erhebliches Interesse daran haben, dass die Rezipienten die Anzeige zu Gesicht bekommen. Dadurch entstehen Phänomene wie „Click Bait“, bei denen der Nutzer durch mehrdeutige Überschriften gezielt dazu verleitet wird, auf die entsprechenden Artikel zu klicken.
Die Sozialen Netzwerke tun hierbei ihr Übriges. Durch die Möglichkeit des „Teilens“ von bestimmten Artikeln durch die Nutzer, ist es auf einfache Art und Weise möglich, die Klickzahlen zu vervielfachen. Eine erhebliche Wirkung ergibt sich hierbei dann bei aktuellen Ereignissen. Das Medium, das als erstes über ein bestimmtes Ereignis berichtet, kann davon ausgehen, dass sein Beitrag entsprechend am meisten verbreitet wird und somit auch die Einnahmen durch Online-Werbung nach oben gehen. Es ist gut möglich, dass genau diese Mechanismen bei der Falschmeldung von Spiegel Online zum NPD-Verbotsverfahren im Januar 2017 eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Ein weiteres Problem, das durch die Erfolgsabhängigkeit der Werbeerlöse entsteht, sind die sogenannten Ad-Blocker, bei deren Verwenden die Nutzer die Werbung nicht angezeigt bekommt und somit auch keine Vergütung erfolgt. Diese hielt der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr für rechtlich unbedenklich, sodass sie für die Finanzierung von Online-Medien ein erhebliches Problem darstellen. Folglich gewinnen im Internet andere Werbemodelle an Bedeutung. Konkret geht es hierbei um Native Advertising. Dabei wird Werbung so gestaltet, dass sie wie redaktionelle Artikel aussehen. Eine Kennzeichnung der Werbung wird dabei zwar gewahrt, dem Rezipienten fällt diese jedoch nicht sofort ins Auge. Ad-Blocker erkennen diese Art Werbung nicht, sie wird vielmehr aktiv als „Waffe gegen Ad-Blocker“ vermarktet.
Diese Art von Werbung wird in Zukunft noch deutlich zunehmen. Allein für Deutschland wird prognostiziert, dass die Investitionen von 2,08 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 auf 4,43 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 ansteigen werden. Das Phänomen Native Advertising ist dabei keinesfalls eines, das eher zwielichtige oder unseriöse Medien betrifft, sondern hat es heute längst in etablierte Medien geschafft.
Die Finanzierung der Online-Medien funktioniert damit gänzlich anders als die der Printmedien. Ein Rückschluss vom Printmedienmarkt auf die Telemedien für die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist daher nicht zulässig. Vielmehr zeigt sich, dass die Finanzierung mehr dem privaten Rundfunk ähnelt als den Printmedien. Sie beeinflusst teilweise die Art und Weise der Berichterstattung oder wird gleich selbst zum Inhalt.
Die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist durch die Digitalisierung somit keinesfalls kleiner geworden. Der Medienmarkt verlangt heute viel mehr als früher nach einem Korrektiv. Dies bedeutet freilich nicht, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet bewegen darf, wie er möchte. Eine komplette Verdrängung privater Anbieter kann nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Der objektive Gehalt der Medienfreiheiten – der in der Demokratie notwendigen Rolle für den Meinungsbildungsprozess – ruft aber nach der Existenz eines öffentlich-rechtlichen Anbieters, der Meinungs- und Inhaltsvielfalt, frei von marktwirtschaftlichen Zwängen, gewährleistet.
Zitiervorschlag: Gaul, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk im Internet – überflüssig oder dringend geboten? , JuWissBlog Nr. 5/2019 v. 15.1.2019, https://www.juwiss.de/5-2019/
Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.