von MARCO MAUER und JANNIS KRÜßMANN

Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erlaubt keine anonyme Antragstellung. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) kürzlich entschieden (Urteil vom 20. März 2024, Az.: 6 C 8.22). Ziel dieses Beitrages ist darzulegen, dass die Argumente des BVerwG nicht auf die Zugangsansprüche des Umweltinformationsgesetzes (UIG) anwendbar sind und das UIG auch in der zugrundeliegenden Entscheidung Anwendung hätte finden müssen. Nach dem UIG dürften anonyme Anträge weiterhin möglich sein. Einen einleuchtenden Grund für diesen Unterschied zwischen IFG- und UIG-Verfahren gibt es nicht, weshalb aus unserer Sicht gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz- und Informationsfreiheit (BfDI) verwarnte (hier S. 12ff.) im Jahr 2020 das Bundesministerium des Innern (BMI). Das Tätigwerden als Datenschutzbehörde dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die DSGVO dem BfDI weitreichendere Befugnisse einräumt als UIG und IFG. Das Ministerium hatte sich geweigert, einen Antrag auf Informationszugang über den Verbrauch von Plastikmüllsäcken im BMI zu bearbeiten, bevor der Antragsteller ihm seine Postanschrift mitgeteilt hatte. Nach Ansicht des BfDI war die Verarbeitung der Anschrift zur Entscheidung über den Antrag nicht notwendig. Das BMI habe daher mangels Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung gegen Art. 6 DSGVO verstoßen.

Im anschließenden Rechtsstreit zwischen folgte das BVerwG der Ansicht des BfDI nicht. Die Verarbeitung der Postanschrift sei aus zwei Gründen erforderlich. Zum einen, damit die Behörde den Antragsteller identifizieren könne. Zum anderen für die postalische Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag.

Die Notwendigkeit der Identitätsprüfung ergebe sich aus dem Prüfprogramm des IFG. Zwar könne gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 IFG „jeder“ Zugang zu amtlichen Informationen verlangen. Damit seien aber nur natürliche Personen und juristische Personen des Zivilrechts gemeint. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und andere Verbände hätten keinen Anspruch. Damit die Tatbestandsvoraussetzung „jeder“ geprüft werden könne, müssten „anonyme Antragstellungen“ ausgeschlossen werden.

In Fällen, in denen personenbezogene Daten Dritter begehrt werden, müsste außerdem eine Abwägung stattfinden: Nur wenn das Informationsinteresse der antragstellenden Person das Geheimhaltungsinteresse der Dritten überwiegt, gewährt § 5 Abs. 1 S. 1 IFG einen Zugangsanspruch. Um das Informationsinteresse der antragstellenden Person bewerten zu können, müsse ihre Identität feststehen. Schließlich müsse die Behörde prüfen können, ob die antragstellende Person bereits über die angefragten Informationen verfügt, weil § 9 Abs. 3 IFG dann die Ablehnung des Antrags erlaube.

Auch die Nutzung der Anschrift, um den Bescheid per Post zuzustellen, sei nicht zu beanstanden. Das gelte auch, wenn eine Bescheidung per E-Mail ausdrücklich gewünscht sei. Gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 IFG könnten Antragsteller*innen zwar auswählen, in welcher Form sie Informationen erhalten wollen. Dieses Wahlrecht beschränke sich aber auf das „Wie“ des Informationszugangs, der einen Realakt darstelle. Dem Realakt gehe jedoch ein Verwaltungsakt voraus, mit dem entschieden werde, „ob“ ein Informationszugangsanspruch bestehe. Im Rahmen ihres Verfahrensermessens könne die Behörde auf eine postalische Bekanntgabe dieses Verwaltungsaktes bestehen.

Keine Argumente gegen anonyme Anträge nach dem UIG

Interessanterweise haben sämtliche Normen des IFG, die der eben dargestellten Argumentation zugrunde liegen, keine Entsprechung im UIG.

Nach dem UIG ist „jede Person“ und nicht „jeder“ anspruchsberechtigt. Der Wortlaut nimmt juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht vom Kreis der Anspruchsberechtigten aus. Für einige juristische Personen des öffentlichen Rechts hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass ihnen Ansprüche nach dem UIG zustehen (siehe zum Beispiel hier, hier und hier). Wenn teilweise vertreten wird, man müsse den Anspruch auf diejenigen Personen beschränken, die ein vergleichbares Informationsbedürfnis wie ein privatrechtlich organisierter „Jedermann“ haben, ist das nur schwer mit der dem UIG zugrundeliegenden EU-Umweltinformationsrichtlinie und der Aarhus-Konvention in Einklang zu bringen. Beide definieren die Anspruchsberechtigte „Öffentlichkeit“, ohne Einschränkung, als „natürliche oder juristische Personen“ und erweitern den Begriff sogar um andere Zusammenschlüsse, die innerstaatlich als Öffentlichkeit anerkannt sind. Auch Erwägungsgrund 6 der Richtlinie macht klar, dass „jede natürliche oder juristische“ Person einen Zugangsanspruch haben soll. Anders als nach dem IFG muss nach dem UIG also nicht geprüft werden, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts den Antrag gestellt hat.

Die Abwägung von Geheimhaltungs- und Informationsinteresse nach dem UIG unterscheidet sich ebenfalls in relevanter Weise von ihrem IFG-Pendant. Für das IFG ist in der Abwägung das Informationsinteresse der Antragsteller*innen maßgeblich. In §§ 8 und 9 wiegt das UIG hingegen das „öffentliche Interesse an der Bekanntgabe“ mit dem Geheimhaltungsinteresse ab. Das individuelle Interesse der Antragsteller*innen ist also unerheblich, sodass es auch unter diesem Gesichtspunkt keiner Identifizierung bedarf.

Das UIG enthält auch keinen spezifischen Ablehnungsgrund für Fälle, in denen die antragstellende Person bereits über die begehrten Informationen verfügt. § 8 Abs. 2 Nr. 1 UIG kennt nur den Ausschlussgrund der offensichtlich missbräuchlichen Antragstellung. Dieser Ausschlussgrund greift nur, wenn sich aufgrund der behördlich bekannten Tatsachen ein Rechtsmissbrauch aufdrängt. Auch hier ist eine Identifizierung im Rahmen des gewöhnlichen Prüfprogramms nicht erforderlich.

Schließlich verbietet das UIG regelmäßig auch eine Bescheidung in Schriftform gegen den Willen der Antragsteller*innen. Anders als das IFG muss die Behörde, jedenfalls im Falle der Zugangsversagung, die elektronische Form wählen, wenn dies gewünscht ist (§ 5 Abs. 2 S. 2 UIG). Dafür muss sie die postalische Anschrift der antragstellenden Person nicht kennen.

Das UIG erfordert also weder aufgrund seines Prüfprogramms noch zur Bekanntgabe der Entscheidung eine regelmäßige Verarbeitung des Namens und der Anschrift der Antragsteller*innen. Anonyme Anträge nach dem UIG dürften daher auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts weiterhin möglich sein. In der Rechtssache C-129/24 legte ein irisches Gericht dem EuGH die Frage vor, ob die UIRL anonyme Anträge vorsehe. Daher ist eine gerichtliche Klärung dieser Frage absehbar.

Eine gewisse Brisanz erhält dieser Befund dadurch, dass er die Richtigkeit des BVerwG-Urteils insgesamt in Frage stellt. Zu den Umweltinformationen – der Begriff ist weit auszulegen – zählen gemäß § 2 Abs. 3 UIG auch Daten über „Abfälle aller Art“. Hierunter dürften auch die vom Antragsteller begehrten Informationen über den Verbrauch von Müllsäcken fallen. Müllsäcke werden üblicherweise mit dem Abfall entsorgt, wobei die konkrete Art der Entsorgung Auswirkungen auf Boden, Luft oder Atmosphäre hat.

Wie sich aus dem oben verlinkten Antrag ergibt, hat sich der Antragsteller auch auf das UIG gestützt. Das VG hat dies auch noch in den Urteilsgründen erwähnt, das OVG nicht mehr. Da die Feststellung des OVG, der ASt habe einen Antrag “auf Grundlage des IFG gestellt” aktenwidrig ist, ist das BVerwG daran auch nicht gebunden. Das hier im Detail auszuführen, würde aber wohl zu weit vom eigentlichen Thema wegführen.

Unsinnige Verfahrensunterschiede

Die unterschiedliche Behandlung von Anträgen nach IFG und UIG erscheint rechtspolitisch nicht zufriedenstellend. Materiell-rechtlich bestehen zwar verschiedene Ausschlussgründe in IFG und UIG, wobei letzteres tendenziell großzügiger Zugang zu Umweltinformationen gewährt. Weshalb sich aber die anwendbaren Verfahrensvorschriften je nach Art der Information unterscheiden sollen – manche Anträge werden erst nach einer Identifizierung und postalisch beschieden, andere anonym und rein elektronisch – leuchtet nicht ein. Insbesondere droht unnötiger Verwaltungsaufwand, wenn sich ein Antrag auf mehrere Informationen bezieht, die teilweise dem UIG und teilweise dem IFG unterfallen. Zudem entstehen unnötige Fehlerquellen. Häufig wird eine Entscheidung über das Bestehen eines Informationszugangs materiell rechtmäßig sein, auch wenn eine Behörde – oder ein Gericht – verkennt, dass das UIG anwendbar ist. Fallen die Verfahrensvorschriften auseinander, droht dennoch eine formelle Rechtswidrigkeit. Hier sollte der Gesetzgeber nachbessern und einheitliche Verfahrensvorschriften für alle Arten von Informationen festlegen. Das von der Ampel-Koalition angestrebte Transparenzgesetz bietet dazu Gelegenheit.

Zitiervorschlag: Mauer, Marco/Krüßmann, Jannis, Umweltinformationen für alle, JuWissBlog Nr. 51/2024 v. 08.08.2024, https://www.juwiss.de/51-2024/.

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Bundesverwaltungsgericht, IFG, Jannis Krüßmann, Marco Mauer, UIG, Umweltinformationen
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