Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat Anfang Dezember 2024 seine Advanced-Air-Mobility-Strategie veröffentlicht. Es verspricht hiermit nicht weniger als den „Aufbruch in eine neue Ära der Luftfahrt“. Wie soll die Zukunft der Luftfahrt aussehen? Ist die Strategie mit Blick auf die bisherige Entwicklung der (unbemannten) Luftfahrt in Deutschland abgehoben oder hinreichend mit dem Boden verhaftet? In rechtlicher Hinsicht bleibt die Strategie jedenfalls zu vage. Verkannt wird so, dass der Schlüssel für die Zukunft der Luftfahrt (auch) in der kohärenten Weiterentwicklung des Luftrechts liegt.
Advanced-Air-Mobility: Die eierlegende Wollmilchsau?
Die Advanced Air Mobility (AAM) erscheint im (maßgeblich) von der BMDV-Projektgruppe Unbemannte Luftfahrt in den letzten Monaten im engen Austausch mit zahlreichen Stakeholdern entworfenen Strategiepapier geradezu als eierlegende Wollmilchsau zukünftiger Luftfahrt: Advanced Air Mobility soll nicht nur „leise, günstig und umweltfreundlich“ sein, sondern auch innovativ, weitgehend unabhängig von flächenintensiver Infrastruktur und „die dritte Dimension in den Alltag der Menschen“ bringen. AAM biete damit, so das vollmundige Versprechen, eine kostengünstige und lokal emissionsfreie Alternative zur traditionellen Luftfahrt. Wem der Begriff AAM noch nicht geläufig sein sollte, versucht der Anhang der Strategie zu helfen. Dort wird AAM definiert als: „Sichere, vor intentionalen Gefahren geschützte, geordnete, flüssige, nachhaltige und hoch automatisierte Luftfahrt, einschließlich ihrer Systeme, die vorwiegend im untersten Luftraum innerhalb und zwischen städtischen und ländlichen Gebieten stattfindet und dem Gütertransport, der Beförderung von Passagieren und weiteren Luftfahrteinsätzen, wie z. B. Inspektionen und Rettungseinsätzen, dient.“
Wer sich allerdings auch jetzt noch fragt, was denn alles Advanced Air Mobility ist, und was nicht, dürfte nicht allein sein: Zählen etwa herkömmliche Hubschrauber auch zur AAM? Immerhin erlauben sie eine sichere, flüssige und hochautomatisierte Luftfahrt zwischen Stadt und Land, mag es auch mit der Nachhaltigkeit noch etwas hapern. Wie sieht es mit der Inspektionsdrohne eines Dachdeckerbetriebs aus? Sicher, nachhaltig und hoch-automatisierter Luftfahrteinsatz: ja; geordneter und flüssiger Verkehr: wohl nein. Der Bundesminister für Digitales und Verkehr sieht denn auch für AAM in seinen einführenden Worten zur Strategie – einigermaßen unbestimmt – „eine Vielzahl von Anwendungsfeldern“. Nutzen ließe sich AAM zum Transport von Personen oder medizinischen Gütern, bei Rettungseinsätzen, zur Inspektion von Industrieanlagen und Verkehrswegen, bei der Versorgung von Offshore-Anlagen oder zu Zwecken des Umwelt- und Naturschutzes. Das klingt erneut nach der eierlegenden Wollmilchsau; umso mehr, wenn AAM nach den Vorstellungen des Ministers auch noch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können und „Hightech-Arbeitsplätze“ schaffen soll.
Hehre Ziele & ambitionierter Zeitplan
Ziele und Maßnahmen der Strategie sind demgegenüber etwas klarer umrissen. Man will aufzeigen, wie AAM in das bestehende Mobilitätssystem integriert werden kann. Die emissionsfreie Mobilität in Deutschland soll dabei weiterentwickelt, die (sehr optimistisch unterstellte) technologische Innovationsführerschaft im Bereich elektrisch betriebener Luftfahrzeuge und unbemannter Luftfahrt weiter ausgebaut und der hierzu notwendige regulatorische Rahmen geschaffen werden. Um die notwendige Akzeptanz herzustellen, soll die Bevölkerung „von Anfang an in die Entwicklung und den Betrieb von AAM“ eingebunden werden. Die Strategie benennt zum Erreichen dieser Ziele acht Maßnahmen. Aus rechtspolitischer Perspektive besonders interessant sind die als erste Maßnahme vorgeschlagenen vier Entwicklungsphasen, sowie die (siebte) Maßnahme zum rechtlichen Rahmen.
Die Advanced Air Mobility soll phasenweise eingeführt werden: Bis 2026 sollen erste Teststrecken eröffnet, bis 2028 eng begrenzte geografische AAM-Gebiete ausgewiesen werden. Begrenzte AAM-Gebiete unter Einbeziehung auch regionaler Verkehre sollen dann bis 2030 folgen und bis 2032 der bundesweite AAM-Betrieb möglich sein. Das ist ein sehr ambitionierter Zeitplan, vergegenwärtigt man sich, was in den letzten fünf Jahren, d.h. seit Erlass des ersten, Drohnenverkehr vielfältig erlaubenden europäischen Rechtsakts, in Deutschland passiert ist: Erst im Februar 2024 hat das Luftfahrtbundesamt eine Genehmigung für den ersten kommerziellen Linienflugbetrieb von kleinen Transportdrohnen erteilt. Auch jetzt noch sieht man kaum Drohnen über Land oder Städten. Es spricht dabei Bände, wenn der Minister in seiner Ansprache zur Vorstellung der AAM-Strategie als besonderen Erfolg der deutschen Luftverkehrsverwaltung die (ebenfalls) erst 2024 erlassene Allgemeinverfügung mit Ausnahmeregelungen zur Rehkitzrettung hervorhob. Das bereits Ende 2022 verkündete Konzept zur Errichtung von U-Spaces, d.h. besonderer Lufträume für den sicheren und effizienten Betrieb von unbemannten Luftfahrtsystemen, scheint demgegenüber nahezu vergessen. Die Einrichtung eines ersten U-Spaces in Deutschland ist gegenwärtig weder absehbar noch expliziter Teil der AAM-Strategie. Errichten will man im Jahr 2025 zwar sog. Reallabore, in denen der AAM-Betrieb gezielt erprobt werden kann. Das 2021 in Hamburg betriebene U-Space-Reallabor hat die Errichtung von U-Spaces augenscheinlich nicht beschleunigt. Dass dies bei der – aufgrund der Weite der Anwendungsfelder deutlich komplexeren – AAM besser laufen wird, erscheint unwahrscheinlich.
Zentral: Weiterentwicklung des Rechtsrahmens
Dass der rechtliche Rahmen eine Schlüsselfunktion bei der Gestaltung der Zukunft der Luftfahrt innehat, ist in Anbetracht der traditionell hohen Regelungsdichte des Luftrechts keine besondere Erkenntnis. Das Strategiepapier betont denn auch wiederholt, dass es „effektiver Regularien“, der „Weiterentwicklung des regulatorischen Rahmens“ und einer „Harmonisierung von Regularien und Standards“ bedürfe. Hieraus werden aber leider nicht die richtigen Schlüsse gezogen. Die dargebotenen Vorschläge zur Weiterentwicklung verfangen sich im Klein-Klein der Bewältigung von Einzelproblemen, anstatt kraftvoll – wie mittlerweile immer lauter von der Luftfahrtbranche gefordert – die zahlreichen Spielräume des internationalen und europäischen Rechts zu nutzen, um neue Luftverkehrssysteme, insb. Drohnen, flächendeckender wirtschaftlich einsetzen zu können. Als Erfolge thematisiert werden innerdeutsche Ausnahmeregelungen und einzelne Allgemeinverfügungen. Man will sich auf europäischer Ebene für Änderungen einsetzen und unklare oder uneinheitliche Regelungen beseitigen. Dass man selbst umfangreich zu dieser Unklarheit beiträgt, indem man den deutschen Rechtsrahmen kaum oder nur sehr zögerlich an das supranationale Recht anpasst (ausführlich bereits Kilian, ZLW 2020, 415, 433 f.), übersieht man dabei.
Deutlich gravierender ist indes, dass es allein mit einer Harmonisierung nicht getan sein wird, sollen die übrigen vorgeschlagenen Maßnahmen Realität werden. Die Luftraumkategorie des AAM-Gebietes gibt es bisher nicht. Anders als für U-Space-Lufträume kann dabei nicht einmal auf einen unionalen Rechtsakt zurückgegriffen werden. Auch eine luftrechtliche Möglichkeit zur Einrichtung von Reallaboren (Maßnahme 6) fehlt noch immer. Für die Einrichtung sog. Vertiports (Maßnahme 3) fehlt ebenfalls ein Rechtsrahmen; es liegt seit 2022 nur ein erster Konzeptvorschlag der Europäischen Flugsicherheitsagentur vor. Flugrouten (Maßnahme 4) können nach § 33 Abs. 1 LuftVO bisher überhaupt nur für bestimmten Flugverkehr oder gemäß § 33 Abs. 3 LuftVO nur in engen Ausnahmefällen festgelegt werden. Auch dass die Integration bemannten und unbemannten Luftverkehrsmanagements (Maßnahme 5) ohne die Anpassung der Beleihungsvorschriften für die Deutsche Flugsicherung GmbH kaum möglich sein dürfte, wird nicht erkannt.
Vielversprechend: Einrichtung eines neuen AAM-Referats im BDMV
Hoffnung spendet indes einer der wenigen Vorschläge, der ohne weiteres umsetzbar sein dürfte, und eher am Rande steht: Eingerichtet werden soll mit Beginn des Jahres 2025 ein neues Referat, welches alle Aufgaben im Zusammenhang mit AAM steuern soll. Es lautet auf den vielversprechenden Namen „LF 19 – Zukunft der Luftfahrt“. Man kann ihm in Anbetracht der zahlreichen Herausforderungen nur gutes Gelingen wünschen.
Zitiervorschlag: Maltzahn, Flemming, Die Zukunft der Luftfahrt, JuWissBlog Nr. 1/2025 v. 09.01.2025, https://www.juwiss.de/1-2025/
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