Den Bundestag ernst nehmen: Voraussetzungen für Ausgangsbeschränkungen nach dem IfSG

von JOHANNES KLUG

Zur Bekämpfung von COVID-19 wurden in mehreren Ländern auf Grundlage des § 28a Abs. 2 IfSG Ausgangsbeschränkungen erlassen. Die Gerichte legen diese Ermächtigungsgrundlage unterschiedlich aus. Um den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts gerecht zu werden, ist das politische Programm zu ermitteln, das in der Vorschrift niedergelegt ist, um ihr konkrete Tatbestandsvoraussetzungen zu entnehmen.

§ 28a Abs. 1 IfSG zählt siebzehn mögliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 auf, darunter Ausgangsbeschränkungen im öffentlichen Raum (Nr. 3), Beschränkungen in der Wirtschaft (Nr. 12-14) und die Schließung von Schulen und KiTas (Nr. 16). Nach Abs. 2 sind Ausgangsbeschränkungen, die das Verlassen der Wohnung an bestimmte Bedingungen knüpfen, und das Verbot von Gottesdiensten, Demonstrationen und Besuchen in Altenheimen (im Folgenden: Maßnahmen nach Abs. 2) nur zulässig, wenn auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen muss eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet wäre.

Wie ist diese zusätzliche Voraussetzung konkret auszulegen? § 28a IfSG wurde am 18.11.20 eingefügt, um der Kritik aus Rechtsprechung und Literatur zu begegnen, dass der bisher als Rechtsgrundlage der Maßnahmen gegen COVID-19 herangezogene § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG nicht dem Parlamentsvorbehalt genüge, dessen Umfang durch die sog. Wesentlichkeitstheorie bestimmt ist. Ebenso würde § 32 Satz 1 iVm § 28–31 IfSG, nach dem die Beschränkungen als Rechtsverordnungen erlassen werden können, nicht dem verordnungsspezifischen Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG gerecht.

Nach dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt muss der parlamentarische Gesetzgeber wesentliche, für die Grundrechtsverwirklichung maßgebliche Regelungen selbst treffen und darf sie nicht anderen Normgebern oder der Exekutive überlassen. Das verordnungsspezifische Bestimmtheitsgebot hat – so das Bundesverfassungsgericht – den Sinn, „das Parlament darin zu hindern, sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft zu entäußern. Es soll nicht einen Teil seiner Gesetzgebungsmacht der Exekutive übertragen können, ohne die Grenzen dieser Befugnis bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, daß schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll.“

Nach Kritik aus der Literatur am Koalitionsentwurf wurde der genannte Abs. 2 eingefügt. Über dessen Tatbestand hat sich der Parlamentsgesetzgeber keine Vorstellung gebildet. Im Ausschussbeschluss (S. 73) heißt es allein, es bestünden „qualifizierte Voraussetzungen“. Nach dem Bayerischen VGH räume die schließlich verabschiedete Fassung die bisherigen verfassungsrechtlichen Zweifel aus (Rn. 33).

Auslegung des § 28a Abs. 2 IfSG durch die Gerichte

Von den Gerichten, die mit den ab Dezember 2020 in Baden-Württemberg, Bayern und in mehreren Landkreisen anderer Länder geltenden Ausgangsbeschränkungen befasst waren, wurde § 28a Abs. 2 IfSG sehr unterschiedlich ausgelegt.

Der Bayerische VGH fordert eine Gefahrenprognose, die sich im Wesentlichen an der absoluten Höhe der Inzidenzzahlen orientiert (Rn. 28 ff.), ähnlich stellt das VG Düsseldorf (Rn. 10 und Rn. 17) auf die 7-Tages-Inzidenz-Schwelle von 50 aus § 28a Abs. 3 IfSG ab. Der VGH Baden-Württemberg geht in seiner Entscheidung vom 18.12.20 überhaupt nicht auf den Tatbestand des § 28a Abs. 2 ein (Rn. 29), ebenso das VG Aachen; das VG Karlsruhe lässt ihn in der Verhältnismäßigkeitsprüfung aufgehen (Rn. 34). In seiner Entscheidung vom 5.2.21 legt der VGH Baden-Württemberg dann den Tatbestand des § 28a Abs. 2 Satz 1 dahingehend aus, dass das Unterlassen der Maßnahmen nach § 28a Abs. 2 auch unter Berücksichtigung aller anderen ergriffenen Maßnahmen „zu einer wesentlichen Verschlechterung des Infektionsgeschehens führen“ müsste, was das Land nicht darlegen habe können.

Verfassungsgemäße Auslegung des § 28a Abs. 2 IfSG

Wie können die Anforderungen des Parlamentsvorbehalts und des Bestimmtheitsgebots des Art. 80 GG konkretisiert werden? Statt die Frage allein an der Grundrechtsintensität der Maßnahme auszurichten, bietet die Wurzel des Parlamentsvorbehalts im Demokratieprinzip einen konkreteren Maßstab: „Wesentlich sollte [nach dem Demokratieprinzip] gerade auch das sein, was politisch kontrovers ist.“ (Volkmann NJW 2020, 3153 Rn. 40, vgl. auch Verfassungsblog). Ebenso zeichnet sich das „Programm“, das das Parlament dem Verordnungsgeber vorlegen muss, dadurch aus, dass es eine politische Entscheidung unter mehreren möglichen Gestaltungen trifft, der sich das Parlament nicht entziehen darf.

Politisch besonders umstritten sind zurzeit – Ende Februar 2021 – vor allem zwei Fragen. Erstens: Sollen auch bei niedrigen Inzidenzen strenge Schutzmaßnahmen angewendet werden, um das Virus (lokal) auszurotten? Zweitens: In welcher Reihenfolge sollen die ergriffenen Maßnahmen zurückgenommen werden? Politisch drängt sich der Verdacht auf, dass der Bundestag im November 2020 die Beantwortung dieser Fragen vermeiden und dem Verordnungsgeber überlassen wollte. Würde man den § 28a IfSG so auslegen, dass diese Fragen gänzlich unbeantwortet blieben, wäre er verfassungswidrig. Sofern sich aber eine Auslegungsmöglichkeit ergibt, die die Anforderungen der Verfassung erfüllt, ist diese vorzuziehen. Im Folgenden soll ausschließlich beleuchtet werden, was dies für den Tatbestand des Abs. 2 bedeutet.

Erstens: Sind Ausgangssperren auch bei niedrigen Inzidenzen zulässig?

Wie von Hofmann beschrieben, sind die Inzidenzgrenzen des Abs. 3 ungeeignet, die Voraussetzungen des Abs. 2 zu bestimmen. Auch der VGH Baden-Württemberg wendet die Inzidenzgrenzen des Abs. 3 nur an, um zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen landeseinheitliche Regelungen getroffen werden dürfen (Rn. 39–57). § 28a Abs. 2 spricht selbst von der erheblichen Gefährdung der „Eindämmung” von COVID-19. In der Epidemiologie wird bei Epidemien zwischen der Eindämmungsstrategie (Infektionsquellen identifizieren und weitere Ansteckungen verhindern), der Schutzstrategie (vulnerable Gruppen schützen) und der Folgenminderungsstrategie (die Funktionsfähigkeit der Daseinsvorsorge erhalten) unterschieden. Auch dieser dünne Wortlautbefund muss als parlamentarische Entscheidung ernst genommen werden. Danach sind Maßnahmen nach Abs. 2 solange tatbestandlich zulässig, bis die Eindämmungsphase erreicht ist, das heißt die meisten Infektionen einem Ausbruchsgeschehen zuordenbar sind. Dies steht der Auslegung des VGH Baden-Württemberg entgegen, der tatbestandlich voraussetzt, dass Ausgangsbeschränkungen nachweisbar als Einzelmaßnahme eine besondere Wirksamkeit haben müssen. Der Gesetzgeber, dessen Ziel die „Eindämmung“ der Krankheit ist, wollte jedoch diese Bürde der Verwaltung gerade nicht auferlegen, sie ergibt sich allenfalls aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Zweitens: Welche Maßnahmen sind vorrangig zu treffen bzw. zurückzunehmen?

Diese Frage wird nicht durch die allgemeine Erforderlichkeitsprüfung vorweggenommen, weil die (meisten) Maßnahmen nach § 28a Abs. 1 und Abs. 2 IfSG sich nicht eindimensional nach der Grundrechtsintensität ordnen lassen: Beschränkungen in der Wirtschaft greifen in die Berufsfreiheit und ggf. die Eigentumsfreiheit ein, während Ausgangsbeschränkungen in die Freiheit der Person eingreifen. Entsprechend stellen die Maßnahmen nach Abs. 1 nicht zwangsläufig „mildere Mittel“ zu denen nach Abs. 2 dar.

§ 28a Abs. 2 IfSG setzt voraus, dass die Gefährdung der Eindämmung „auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen“ besteht. Wörtlich genommen hieße das, dass der Verordnungsgeber Maßnahmen nach Abs. 2 erlassen könnte, ohne zuvor eine einzige Maßnahme nach Abs. 1 getroffen zu haben. Verfassungsrechtlich geboten ist aber eine Auslegung des § 28a, die eine Maßnahmenreihenfolge vorgibt: Eine Maßnahme nach Abs. 2 kann daher nur dann zulässig sein, wenn es keine verhältnismäßige Maßnahme nach Abs. 1 gibt, die nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Konsens einen gewissen Nutzen für die Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 hat.

Konsequenzen

Wirksame Maßnahmen nach Abs. 1 sind jedenfalls die Schließung von weiterführenden Schulen und Beschränkungen in der Wirtschaft, die die Mobilität der Menschen reduzieren.

Nach der hier vertretenen Auslegung waren daher die Ausgangsbeschränkungen in Baden-Württemberg, die ab dem 12. Dezember galten, bis zum 16. Dezember, als Schulen und Geschäfte geschlossen wurden, nicht von der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1 iVm § 28a Abs. 2 IfSG gedeckt. Anfang Februar, als die Schulen geschlossen waren und die meisten Infektionen keinem Ausbruch zuordenbar waren, lagen entgegen der Auslegung des VGH die tatbestandlichen Voraussetzungen von Ausgangsbeschränkungen vor, allenfalls waren sie im Einzelnen unverhältnismäßig.

Gegenwärtig gelten in Baden-Württemberg in Landkreisen ab einer Inzidenz von 50 durch Allgemeinverfügung erlassene nächtliche Ausgangssperren. In Bayern gelten tagsüber weiterhin Ausgangsbeschränkungen, in Landkreisen mit einer Inzidenz größer 100 auch nächtliche Ausgangssperren. Dennoch wurden in beiden Ländern die Schulen am 22. Februar teilweise geöffnet (in Bayern in Landkreisen mit einer Inzidenz über 100 nur für Abschlussklassen). Diese Öffnungsmaßnahmen und erst recht die Öffnung der Friseure am 1. März lassen die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausgangsbeschränkungen entfallen.

 

Zitiervorschlag: Johannes Klug, Den Bundestag ernst nehmen: Voraussetzungen für Ausgangsbeschränkungen nach dem IfSG, JuWissBlog Nr. 23/2021 v. 02.03.2021, https://www.juwiss.de/23-2021/.

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3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Jonas Ganter
    3. März 2021 11:49

    Vielen Dank für den spannenden und anregenden Beitrag 🙂 Ich habe nur eine Anmerkung/Nachfrage. Im Text heißt es „Eine Maßnahme nach Abs. 2 kann daher nur dann zulässig sein, wenn es keine verhältnismäßige Maßnahme nach Abs. 1 gibt, die nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Konsens einen gewissen Nutzen für die Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 hat. Wirksame Maßnahmen nach Abs. 1 sind jedenfalls die Schließung von weiterführenden Schulen und Beschränkungen in der Wirtschaft, die die Mobilität der Menschen reduzieren.“ Insbesondere die Schulschließungen und die Schließung von Blumenläden wendet BW aktuell nicht mehr an. Daraus schlussfolgern Sie dann im letzten Satz, dass dadurch die TB-Voraussetzungen der Ausgangssperren entfallen sind (verstehe ich das richtig so?). Aber existieren denn nicht alle anderen Maßnahmen nach Abs. 1 weiter (Masken, Abstand, Reiseverbot…) ? Muss denn die Exekutive Ihrer Meinung nach ALLLE Maßnahmen nach Abs. 1 anwenden, bevor sie Abs. 2 anwenden darf? Wenn ja, dann sehe ich das sehr kritisch, da Sie ja selbst auch schreiben, man könne nicht pauschal sagen, dass die Maßnahmen nach Abs. 1 weniger eingriffsintensiv wären. Alle Maßnahmen nach Abs. 1 ZUSAMMEN stellen mMn einen schwerwiegenderen Eingriff als eine einzelne Maßnahme nach Abs. 2 dar. Dazu kommt, dass Maßnahmen nach Abs. 2 nicht alle faktisch gleich treffen. Ein achtjähriges Kind wird typischerweise wenig Interesse haben, nach 21 Uhr noch vor die Tür zu gehen. Dagegen bedeuten Schulschließungen für Kinder schwerwiegende Eingriffe in die persönliche Entwicklung. Daher würde ich die Norm insgesamt eher so lesen, dass der Gesetzgeber zwar nicht KEINE Maßnahme nach Abs. 1, aber eben auch nicht ALLE ergreifen muss. Nur auf Schulschließungen zu verzichten ließe dann die Voraussetzungen von Abs. 2 nicht per se entfallen, so lange Masken, Abstand usw. in Kraft bleiben.

    Antworten
  • Johannes Klug
    9. März 2021 15:08

    Danke zunächst für das Lob!

    Wie ich versucht habe darzulegen, ist die Entscheidung, welche Maßnahmen man zuerst trifft, in den meisten Fällen eine politische Frage. Zwar ist eine Maskenpflicht auf der Straße ein milderes Mittel als ein Verbot, die Wohnung zu verlassen, so dass diese Maßnahmen in der Erforderlichkeitsprüfung verglichen werden können. Viele andere Maßnahmen müssen aber durch eine politische Entscheidung geordnet werden, weil sie so unterschiedlich wirken. Diese Entscheidung hat der Bundestag durch § 28a IfSG getroffen. Ich sehe es kritisch, grundrechtsdeterminiert die Pandemiemaßnahmen bis ins letzte juristisch durchzukonstruieren, wofür bräuchten wir denn dann noch das Parlament?

    Ich glaube der Vergleich zwischen allen Manahmen nach Abs. 1 und einer Maßnahme nach Abs. 2 geht fehl. Ich behaupte nicht, dass die Maßnehmen nach Abs. 1 insgesamt weniger belastend seien, das ist im Einzelfall eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Ich betrachte aber die Tatbestandsvoraussetzungen, und zwar so eng am Gesetz wie möglich.

    Sie geben selbst zu, dass das Gesetz einen gewissen Vorrang der Maßnahmen nach Abs. 1 sieht. Ich kann dem Wortlaut keinen Anhaltspunkt entnehmen, warum nicht (in den Grenzen des halbwegs Vernünftigen) alle Maßnahmen nach Abs. 1 Vorrang haben sollten. Konkret für die Schulschließungen geht das RKI zumindest bei Jugendlichen von einem Infektionsrisiko aus, sodass diese Maßnahme vorrangig ergriffen werden muss.

    Antworten
  • Danke für den detaillierten Beitrag.

    Was mir persönlich fehlt, ist eine Auseinandersetzung mit der Kenngröße „Inzidenz“.

    Und die ist von zentraler Bedeutung. Grundrechte dürfen nicht anhand willkürlicher Maßstäbe eingeschränkt werden. Überspitztes (aber auch gar nicht so sehr überspitztes) Beispiel: anhand der Lottozahlen. Man wäre sich wohl einig, dass ein Gesetz, welches Grundrechtseinschränkungen abhängig von den Lottozahlen vorsieht, verfassungswidrig wäre.

    Die „Inzidenz“ ist ein absoluter, kein relativer Wert. Es ist die Zahl positiver Testergebnisse (nicht: Infektionen, Erkrankungen) auf 100 000 Einwohner. Es leuchtet ein, dass bei vielen Testungen diese Zahl hoch, bei wenig Testungen niedrig ausfallen wird. Man kann sich eine hohe Inzidenzzahl demnach regelrecht herbeitesten. Auch das ist eine Gefahr und eine potentielle Mißbrauchsquelle. Ein weiteres Problem: gibt es beispielsweise in einem Landkreis einen Ausbruch in einem Altersheim, kann dieser allein für eine Inzidenz über 100 sorgen (bei angenommen 100 Positivtestungen in dieser Einrichtung), obwohl das Virus im restlichen Landkreis kaum verbreitet ist. Jedoch werden die dann verfügten Beschränkungen alle Bewohner dieses LK treffen, obwohl es ein örtlich eng begrenztes Infektionsgeschehen gibt.

    Die Inzidenz (eigentlich Melderate) ist mithin eine recht nichtssagende Zahl und darf nicht als Grundlage für Grundrechtseinschränkungen dienen. Sie ist dafür schon nicht geeignet, da sie sehr wenig über das Infektionsgeschehen auszusagen vermag. Besser wäre beispielsweise die Positivrate aller Testungen in einem Landkreis. Dabei wäre es egal, wieviele Testungen insgesamt vorgenommen werden.

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