von JUWISS-REDAKTION
Schon seit einiger Zeit gibt es an verschiedenen rechtswissenschaftlichen Fakultäten Refugee Law Clinics (RLC), die Beratungen für Flüchtlinge durch Studierende anbieten. Besonders in den Fokus gerückt sind sie in der letzten Zeit angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen; an immer mehr Universitäten werden nun solche Beratungsangebote aufgebaut. Die Grundidee der Law Clinics stammt aus den USA und ist einfach erklärt: Unter Anleitung von erfahrenen Wissenschaftler/innen und Praktiker/innen und nicht selten in Kooperation mit NGOs und anderen privaten Trägern bieten Studierende bereits im Studium Rechtsberatung an. Sie lernen damit nicht mehr nur für Prüfungen, sondern schon sehr früh für ihre spätere berufliche Praxis.
Das Konzept klingt einleuchtend und doch passt es derzeit noch nicht so richtig in die juristischen Curricula. Diese setzen nämlich im Schwerpunkt immer noch auf frontale Wissensvermittlung, Klausurenschreiben und institutionalisierte Praxisferne, auch wenn sich hier in den letzten Jahren einiges zum Besseren gewandelt hat.
Bei den Studierenden jedenfalls erfreuen sich Law Clinics großer Beliebtheit. Beim unbefangenen Beobachten entsteht dabei der Eindruck, dass mit der Möglichkeit zum Engagement in diesem Format verschiedene Erwartungen an das Studium befriedigt werden, die häufig überhaupt erst zur Aufnahme des Studiums bewegten und die aber während des Studiums ebenso häufig nicht erfüllt werden. Denn normalerweise besteht nicht die Möglichkeit, mit den rechtlichen Kenntnissen Menschen zu helfen, Recht schon früh praxisnah anzuwenden oder mit anderen Studierenden gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.
Das führt nicht zwingend, aber doch nachvollziehbar zu der Frage, ob Law Clinics als solche und beispielsweise die spezialisierten RLC das Potential haben, grundsätzliche Veränderungen in der juristischen Ausbildungskultur anzustoßen. Etwas überspitzt lässt sich auch fragen, ob die Gründungen der Clinics, die oft auf studentische Initiativen zurückgehen, als praktische Kritik an der herkömmlichen Studienkultur interpretiert werden können.
Über die Reformbedürftigkeit des juristischen Studiums wird derzeit allgemein wieder verstärkt diskutiert. Deutet man die Zeichen mit etwas Optimismus richtig, ist dieses Mal die Chance groß, dass die „Stoffkataloge“, Grundlagen- und Praxisorientierung, Didaktik und Prüfungsformate gleichermaßen in den Fokus der Reformfreude geraten und dieses Mal auch umsetzbare Lösungen gefunden werden. Bei so einem umfassenden Reformansatz könnten die inhaltlich und didaktisch hochinteressanten Formate der Law Clinics und die inzwischen dort bestehenden Erfahrungen im Umgang mit dem Format eine wichtige Rolle spielen. Immerhin vereinen sich hier Lehre, Kompetenzförderung, Praxiserfahrung und sinnstiftende Tätigkeit. Von Lern- und Praxiserlebnissen durch das Engagement in Law Clinics könnten also alle Studierenden profitieren.
Diese Überlegung lässt sich als umsetzbarer Reformansatz lesen. Sie kann sich aber auch als lediglich frommer Wunsch oder als „nicht machbar“ entpuppen. Gerade deswegen lohnt es sich, bei einigen Refugee Law Clinics einmal nachzufragen, warum sich Studierende dort engagieren, warum ausgerechnet das Asyl- und Aufenthaltsrecht auf so viel Gegenliebe stößt, obwohl es im regulären Curriculum noch nicht einmal den Status eines Orchideen-Fachs hat und wie in diesem Zusammenhang berufsqualifizierende Kompetenzen gefördert werden, die im normalen Studienalltag ihr Schattendasein fristen.
Wir haben die Refugee Law Clinics Gießen, Berlin, Köln und Leipzig zum Interview gebeten. Mit der Refugee Law Clinic Gießen begann der „Boom“. Das Berliner Projekt fiel von Anfang an durch eine besonders aktive Öffentlichkeitsarbeit auf und das Kölner Projekt hat es in diesem Jahr immerhin auf Platz fünf des Deutschen Engagementpreises (Kategorie Publikumspreis) geschafft. Die Leipziger Clinic deckt neben der Einzelfallberatung auch noch weitere Beratungsbedarfe in der Zivilgesellschaft ab.
Die Interviews erscheinen in Reihenfolge der Nennung in dieser Woche auf dem JuWiss-Blog. Die Interviews führte Tina Winter für den JuWissBlog.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Sehr gute Idee. Unis müssen endlich und generell praxistauglich ausbilden. Wissenschaften
brauchen Praxis. Praxis braucht Niveau.