Die „sharing economy“ ist in aller Munde. Sie zu ermöglichen und zu steuern, erfordert regulative Einbettung. Das Zweckentfremdungsverbot in Berlin stellt einen nur teilweise gelungenen Versuch dar, die „Ökonomie des Teilens“ im Bereich der Wohnungswirtschaft einzubetten und zu steuern. Das Verbot konzentriert sich stark auf die Verhinderung des „Teilens“ und lässt die Chance, Teilen zu steuern, ungenutzt. Das VG Berlin musste nun kürzlich zweimal über das Verbot mit Befreiungsvorbehalt urteilen und hat dabei die Verfassungsmäβigkeit des Verbotes festgestellt und die Spielräume zum Teilen von Wohnraum präzisiert.
Die „sharing economy“, die Ökonomie des Teilens, wird von einigen als die ultimative Lösung aller Probleme, als Tool zur Ermöglichung nachhaltigen Konsums, Ressourcenschonung und Innovationen sowie Gemeinsinn gepriesen. Auf der anderen Seite ist sie verschrien als neue Version der Selbstausbeutung und des „Turbokapitalismus“, der zwar dem Wohle einiger, nicht aber dem Wohle der Allgemeinheit diene. Und wie so oft liegt die Wahrheit wahrscheinlich in der Mitte und hängt nicht zuletzt von der regulativen Einbettung dieser neuen „Ökonomie des Teilens“ ab.
Die „sharing economy“
Was verbirgt sich hinter der „sharing economy“? Der Begriff der „sharing economy“ wurde 1984 von Martin Weitzmann geprägt. Für ihn war die „share economy“ die Lösung für die Inflation und den wirtschaftliche Stillstand in den USA in den 80er Jahren. Das „share“ in seinem Ansatz bezog sich auf den Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin. Diese sollten statt eines festen unflexiblen Gehaltes einen Teil vom Profit des Unternehmens als Einkommen erhalten.
Heutzutage wird der Begriff der „sharing economy“ noch weiter verstanden. Es geht nicht mehr nur um das Teilen des Profits, sondern auch um das Teilen von Gütern und Dienstleistungen, einen gemeinsamen Konsum, die „collaborative economy“. Die Organisation dieses gemeinsamen Konsums ist durch das Internetzeitalter einfacher und globaler geworden. So können sich Personen Wohnungen teilen, die sich nicht kennen und tausende Kilometer voneinander entfernt wohnen. Dies kann unentgeltlich (couchsurfen) oder entgeltlich (Airbnb, Wimdu) erfolgen. Es eröffnen sich neue, teilweise preiswertere Möglichkeiten für Touristen. Insgesamt umfasst die Ökonomie des Teilens ein weites Feld und unterschiedliche Interessen. Ihre regulative Einbettung ist daher eine Herausforderung.
Das Zweckentfremdungsverbot in Berlin
Das Zweckentfremdungsverbot in Berlin aus 2013 ist ein Ansatz, diese Herausforderungen zu meistern und so der Wohnungsknappheit in Berlin entgegenzuwirken. Kurz gesagt verbietet das Zweckentfremdungsverbot, Wohnraum zu anderen als zu Wohnzwecken zu verwenden. Zweckentfremdungsverbote sind bei Wohnungsknappheit kein neues Instrument. Sie wurden seit 1918 in Deutschland immer wieder angewandt. Derartige Verbote dienten damals in erster Linie jedoch nicht der Rückführung von Ferienwohnungen in den „normalen“ Wohnungsmarkt. Dieses Problem ist neu und auf die veränderten technischen Möglichkeiten durch Internetplattformen wie Airbnb und Wimdu zurückzuführen.
Für Ferienwohnungen enthielt das Zweckentfremdungsverbot in Berlin eine Übergangsfrist. Diese konnten bis zum 30.04.2016 weiterhin als Ferienwohnungen genutzt werden. Im Zusammenspiel zwischen dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz (ZwVbG) und der Zweckentfremdungsverbotsverordnung (ZwVbVO) ist es seit dem 1.5.2016 verboten, Wohnraum als Ferienwohnung in Berlin zu vermieten und damit zweckzuentfremden. Dies gilt nicht, wenn mehr als 50 % der Fläche selbst genutzt wird und daher nur Teile der Wohnung zeitweise vermietet werden. Gleichzeitig liegt nur dann eine Zweckentfremdung vor, wenn die Wohnung für jeweils weniger als zwei Monate vermietet wird (7.1 der Ausführungsvorschriften). Ein Teil der „sharing economy“ ist daher von dem Verbot nicht betroffen. Das Zweckentfremdungsverbot stellt ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt dar, so dass nach § 3 Abs. 1 ZwVbG die Möglichkeit besteht, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Voraussetzung für eine Genehmigung ist, dass schutzwürdige private Interessen das öffentliche Interesse überwiegen. Gemäβ § 4 I ZwVbVO ist bei einer Ausnahmegenehmigung eine Ausgleichszahlung in Höhe von 5 Euro pro Quadratmeter zu zahlen.
Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Berlins
Bisher musste sich das VG Berlin in zwei Urteilen mit diesen neuen Regelungen befassen. Das erste vom 8. Juni 2016 stellt, ganz im Sinne des Beschlusses des BVerfG aus dem Jahr 1975, klar, dass die Regelung verfassungskonform sei. Juristisch gestritten wurde vor dem VG Berlin um die Frage, ob die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 ZwVbG enthaltene Regelung, die für gewerbliche Mietverträge, wie Arztpraxen und Rechtsanwaltskanzleien, einen Bestandsschutz gewährt, auf Ferienwohnungen aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung zu übertragen sei. Einen Verstoβ gegen Art. 14 GG lehnt das VG Berlin – dem BVerfG-Beschluss folgend – ab. Denn das Zweckentfremdungsverbot stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, die jedoch insbesondere aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gerechtfertigt sei.
Zu Recht lehnt das VG Berlin ebenso einen Verstoβ gegen Art. 3 Abs. 1 GG ab, da das Zweckentfremdungsverbot nicht zu einer Ungleichbehandlung führe.
Ebenfalls lehnt das Gericht einen Verstoβ gegen Art. 12 GG ab. An dieser Stelle überzeugt allerdings nur das Ergebnis, nicht jedoch die Begründung im Urteil. Einem Gutachten von Helge Sodan folgend, nimmt das VG Berlin hier als Beruf den Ferienwohnungsvermieter an und stellt einen Eingriff in Art. 12 GG fest. Betroffen sei jedoch lediglich die Berufsausübungsfreiheit, ein Eingriff sei deshalb gerechtfertigt. Nimmt man als Beruf den Vermittler oder die Vermittlerin von Ferienwohnungen an, so ist die Annahme, es handele sich lediglich um einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, nicht haltbar. Das Berliner Zweckentfremdungsverbot verbietet, Wohnraum als Ferienwohnung zu nutzen. Es ist nicht ersichtlich, wie der Beruf des Ferienwohnungsvermittlers mit Hinblick auf das Verbot weiterhin ausgeübt werden kann. Das Argument, man könne die berufliche Tätigkeit in den nicht vom Verbot betroffenen Bereich weiter ausüben, überzeugt daher nicht. Gleichzeitig scheint es rechtlich jedoch nicht fernliegend, statt des Ferienwohnungsvermieters als Beruf den des Vermieters anzunehmen, bildet doch das Vermieten von Ferienwohnungen eher eine bloβe Erweiterung des Berufsbildes des Vermieters.
Im Ergebnis ist die Verfassungskonformität des ZwVbG rechtlich überzeugend. Insbesondere durch die in § 3 Abs. 1 ZwVbG niedergelegte Möglichkeit, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, erscheint das Gesetz verhältnismäβig. Wann aber ist eine solche Genehmigung zu erteilen? Das zweite Urteil des VG Berlin vom 09. August 2016 hatte diese Frage zum Gegenstand. Es zeigt die rechtlichen Schwierigkeiten auf, die sich bei der Umsetzung des Verbotes ergeben. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall nutzte die Klägerin ihre Wohnung in Berlin als Zweitwohnung und begehrte eine Ausnahmegenehmigung, welche sie berechtigen sollte, die Wohnung immer dann als Ferienwohnung zu vermieten, wenn sie selbst nicht in Berlin weilte. Diese Genehmigung wurde von der zuständigen Behörde versagt. Das VG Berlin urteilte hingegen, dass ihr diese Genehmigung zu erteilen sei. Zur Begründung führt das VG Berlin aus, dass kein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Wohnraumes bestehe, da die Räumlichkeiten schon jetzt als Wohnraum genutzt würden und dem Wohnungsmarkt damit keine Wohnung entzogen werde.
Fazit
Insgesamt kann festgehalten werden, dass Berlin die Chance, einen Teil der „sharing economy“ regulativ zu steuern, zwar verfassungskonform, im Ergebnis aber nur unzureichend genutzt hat. Bis auf das Teilen von Wohnraum, den man selbst zu mehr als 50 % bewohnt, sind die gesetzlichen Vorgaben darüber, welches Teilen man als schutzwürdig betrachtet und welches nicht, eher spärlich. Selbst den Ausführungsvorschriften lässt sich nicht entnehmen, wann eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen ist. Das zweite Urteil des VG Berlin hat hier nun etwas mehr Klarheit für die Fälle von Zweitwohnungen geschaffen. Offen bleibt jedoch die Frage, ob dies beispielsweise auch für den Mieter gilt, der seine Wohnung an Dritte vermietet, während er selbst in den Urlaub fährt. Bei einer regulativen Einbettung eines Teils der „sharing economy“ wäre es wünschenswert gewesen, diese Konstellationen im legislativen Prozess zu problematisieren und Lösungen und Ideen zu entwickeln. Es bleibt zu hoffen, dass in anderen Bereichen des Teilens, beispielsweise der Mobilität, ein offener regulativer Prozess geführt wird, in dem auch die Fragen nach dem Ermöglichen von Teilen mitadressiert werden.