von PATRICIA WIATER
- Die Zentralisierung von Zuständigkeiten auf Unionsebene und eine Dominanz der Kommission charakterisieren die Außenhandelspolitik der EU. Der Kommission als Exekutivorgan kommt insbesondere nach ihrer Mandatierung durch den Rat im Verhandlungsstadium mit den Partnern von Freihandels- und Investitionsschutzabkommen eine Schlüsselrolle zu.
- Die Dominanz der Exekutive und die Zentralisierung von Unionskompetenzen gelten jedoch nicht ungebrochen: Der „quasi-föderale“ Charakter der EU und die föderale Struktur von Mitgliedstaaten wie Deutschland führen zu einer Durchbrechung. Verhandelt die Kommission Liberalisierungsverpflichtungen, die die ausschließlichen Unionskompetenzen im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik überschreiten, bedarf das Abkommen als sog. „gemischtes Abkommen“ der Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten. Sind dabei ausschließliche Kompetenzen der deutschen Länder betroffen, verlangt das sog. „Lindauer Verfahren“ von 1957, Ausprägung des innerdeutschen Föderalismus, dass das Einverständnis eines jeden der 16 Länder herzustellen ist, bevor das Abkommen völkerrechtlich verpflichtend wird. Beide Beteiligungsmechanismen sichern das zumindest partiell verbleibende völkerrechtliche Vertragsschließungsrecht der einzelnen Gliedstaaten. Beide Mechanismen sind im Falle von CETA und TTIP einschlägig.
- Der Föderalismus wird als „Leitmodell für die demokratische Ausgestaltung transnationaler Herrschaftsordnung“ gehandelt. Zugleich droht er die Errungenschaft außenpolitischer Handlungsfähigkeit, die mit der Zentralisierung von auswärtigen Zuständigkeiten und der Dominanz einer starken Exekutive assoziiert wird, zu zerstören; besteht doch die Gefahr, dass ein einzelnes deutsches Bundesland durch sein Veto die langjährige Arbeit von 150 internationalen Verhandlungspartnern in insgesamt 24 Arbeitsgruppen (wie im Falle von TTIP) scheitern lassen kann. Ist die Verhandlungsphase von Abkommen wie CETA und TTIP in hohem Maße von Geheimhaltung und Intransparenz geprägt, ist der showdown des drohenden Ratifikationsscheiterns jedoch die einzige Chance, die erforderliche Responsivität zwischen wirtschaftspolitischer Entscheidung und den Bedürfnissen der betroffenen Bürger (wieder-)herzustellen.
Der Beitrag ist Teil unseres Online-Symposiums „Freihandel vs. Demokratie 2.0“, das wir zusammen mit dem Völkerrechtsblog organisieren. Parallel zu diesem Post erscheinen die Beiträge zur Vereinbarkeit der Unionsgerichtsbarkeit mit ISDS von Andrej Lang auf dem JuWissBlog sowie von Roland Hoffmann auf dem Völkerrechtsblog.