„Das wird man wohl sagen dürfen“ – Grenzen politischer Äußerungen von Professoren

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von RALPH ZIMMERMANN

Nicht integrierte Flüchtlinge abschieben, auch nach Syrien – solche und ähnliche Äußerungen sind nicht nur aus der Pegida-Bewegung und von ihren Ablegern zu hören, sondern auch von einigen wenigen Professoren deutscher staatlicher Hochschulen. Diese Äußerungen lösten an den Hochschulen sowie darüber hinaus teils heftige Reaktionen aus und veranlassten „Die Zeit“ – unter Bezugnahme u. a. auf einen Vorfall an der Universität Leipzig – zu der Frage: „Darf ein Professor so was twittern?“ An diese Frage knüpft dieser Blogbeitrag an und will klären: Was darf ein (beamteter) Professor politisch sagen – und was nicht (mehr)?

Das Grundgesetz als Ausgangspunkt

Die große Mehrheit der Professoren an deutschen staatlichen Hochschulen ist (noch) verbeamtet. In der Person des Beamten und so auch des beamteten Professors stoßen, wie es das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss aus dem Jahr 2007 (für andere Beamte) formuliert, zwei Grundentscheidungen der Verfassung aufeinander: einerseits die Pflichten des den Staat insbesondere in seinen Hoheitsbefugnissen tragenden Beamtentums, andererseits der Schutz individueller Freiheitsrechte der Bürger, darunter der Meinungsfreiheit.

Das meint: Professoren steht zunächst – natürlich – die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG zu. Für ihre wissenschaftliche Tätigkeit, darunter wissenschaftliche Veröffentlichungen oder andere Äußerungen, wird sie von der spezielleren Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 III GG verdrängt. Das gilt freilich nur dort, wo sich Professoren als Wissenschaftler mit ihren Äußerungen gerade im akademischen Bereich (und zwar jeweils nur ihres Fachs) bewegen – Meinungsäußerungen von Professoren sind also nicht per se wissenschaftlich und deshalb von Art. 5 III GG erfasst.

Zugleich gelten für Professoren als Beamte die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 V GG) und zwar auch an Hochschulen, die mit ihrem Ausbildungsauftrag auf spezifische Weise in die staatliche (Leistungs-)Verwaltung eingebunden sind. Außerdem nehmen Professoren etwa in Prüfungsverfahren nahezu „klassische“ hoheitliche Befugnisse wahr. Für beamtete Professoren sind zwar vom Gesetzgeber die das Hochschulwesen bestimmenden strukturellen Besonderheiten bei der Gestaltung des Beamtenverhältnisses sachgerecht zu berücksichtigen – solche Besonderheiten bestehen aber wiederum nur für Äußerungen des Professors im jeweiligen Feld akademischer Forschung und Lehre, nicht aber für (politische) Äußerungen außerhalb. Für solche Äußerungen bleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen des Berufsbeamtentums, darunter besondere, Dienstherrn wie Beamten wechselseitig obliegende Treuepflichten. So hat der Beamte jederzeit für den Staat und seine verfassungsmäßige Ordnung einzutreten; für den Bereich wissenschaftlicher Lehre bestätigt Art. 5 III 2 GG dies ausdrücklich.

Die beiden Grundentscheidungen der Verfassung sind daher so miteinander in Ausgleich zu bringen, dass die zur Erhaltung eines intakten Beamtentums unerlässlichen Pflichten die Grundrechte des Beamten einschränken. Kurz gesagt: Die Meinungsäußerung des Beamten ist nur durch Art. 5 I GG gedeckt, wenn sie mit Art. 33 V GG in Einklang steht – „das wird man wohl sagen dürfen“, wenn es sich mit dem innegehabten Amt verträgt.

Treuepflicht und Mäßigungsgebot als Grenzen der Meinungsfreiheit

Die Ausgestaltung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums durch BeamtStG und BBG fungiert damit auch als Schrankenregelung der Meinungsfreiheit, die den Anforderungen des Art. 5 II GG genügt. So bestimmt § 33 BeamtStG für Landes- und § 60 BBG für Bundesbeamte zum einen die Treuepflicht näher und erlegt ihnen zum anderen ein politisches Mäßigungsgebot auf. Beides gilt, e contrario § 61 BeamtStG bzw. § 132 IX, X BBG, auch für beamtete Professoren. So haben Beamte sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen, für deren Erhaltung einzutreten und müssen bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben.

Nach dem Bundesverfassungsgericht sichert das Berufsbeamtentum nur so – mit Sachwissen, fachlicher Leistung und loyaler Pflichterfüllung – die Stabilität der Verwaltung, die auch stabilisierend gerade gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften wirkt. Deshalb muss der Beamte bei seiner Tätigkeit auf das Allgemeinwohl bedacht sein und darf nicht nur einer bestimmten Partei oder Gruppierung loyal zur Verfügung stehen. Zudem hat er sich innerhalb wie außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert. Äußert er sich zu allgemeinpolitischen Fragen in der Öffentlichkeit, muss dies so zurückhaltend erfolgen, dass das öffentliche Vertrauen in seine unparteiische, gerechte und gemeinwohlorientierte Amtsführung keinen Schaden nimmt. Seine Äußerungen dürfen insbesondere keine Formen annehmen, die den Eindruck entstehen lassen könnten, er werde bei seiner Amtsführung nicht neutral gegenüber jedermann sein.

Politisch extreme Meinungsäußerungen als Verstoß gegen Treuepflicht und Mäßigungsgebot – mögliche Konsequenzen

Was folgt daraus für politisch extreme Meinungsäußerungen von Professoren? Zunächst sind – wegen der aus Art. 5 II GG folgenden Wechselwirkungslehre – die Äußerungen darauf zu überprüfen, ob sie nicht auch freiheitswahrend zu interpretieren sind. Kann eine politisch extreme Meinung eines Professors so verstanden werden, dass sie zwar politisch nicht mehrheitsfähig, aber weder illoyal gegenüber dem Dienstherrn noch Ausdruck mangelnder Neutralität gegenüber jedermann ist, so gebührt dieser Auslegung wegen der Meinungsfreiheit der Vorzug. Scheidet ein solches Verständnis allerdings aus und stellt sich der Beamte insbesondere gegen die in den Grundrechten des Grundgesetzes zum Ausdruck gekommene „Werteordnung“, begründet dies Zweifel an seiner Loyalität und Neutralität. So dürfte die Forderung, Deutschland – oder gar Europa – von einer bestimmten Religion zu „befreien“, etwa in Anbetracht der Wertung des Art. 3 III GG die Neutralität eines Professors gegenüber Studierenden in erhebliche Zweifel ziehen, die dieser Religion angehören und bei ihm eine Prüfung absolvieren müssen.

Wird eine gegen Treuepflicht und Mäßigungsgebot verstoßende Äußerung eines beamteten Professors außerhalb des Dienstes, also außerhalb wissenschaftlicher Zusammenhänge, getätigt, kann sie – neben allfälligen Strafbarkeiten – auch disziplinarisch sanktioniert werden, wenn sie in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in das Amt des Beamten oder das Ansehen des Beamtentums in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen (vgl. § 77 I 2 BBG, § 47 I 2 BeamtStG). Dies hängt – neben dem konkreten Inhalt der Meinungsäußerung – auch davon ab, ob der betroffene Hochschullehrer an oder innerhalb seiner Hochschule besondere Funktionen, etwa im Rahmen der Selbstverwaltung, bekleidet. Je prominenter der Hochschullehrer in der Selbstverwaltung seiner Hochschule vertreten ist, desto größere Zurückhaltung kann ihm in seinen Äußerungen abverlangt werden.

Veröffentlicht unter CC BY NC ND 4.0.

* Der Beitrag erschien zuerst am 26. April 2016. Als im Jahr 2016 meistgeklickter Beitrag wird er anlässlich des fünfjährigen Bestehens des JuWissBlogs erneut veröffentlicht.

Art. 33 GG, Art. 5 GG, Beamtenrecht, Hochschule, Mäßigungsgebot, Meinungsfreiheit, Ralph Zimmermann, Rechtsextremismus, Treuepflicht
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