von MATTHIAS FRIEHE
Mit einer Gewissensentscheidung im Hau-Ruck-Verfahren hat der Bundestag die Zauberformel von der „Ehe für alle“ als Gesetz beschlossen. Verfassungsrechtliche Bedenken blieben dabei genauso auf der Strecke wie eine ernsthafte Auseinandersetzung, ob die Rechtswirkungen der Ehe – beispielsweise zur Elternschaft – auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften in jeder Hinsicht passen. Anstelle von Parteitaktik wäre es an der Zeit, sich der Sternstunden des Parlamentarismus und der gründlichen deutschen Kodifikationstradition zu erinnern.
Am 1.1.1900 trat unser Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Kraft, läutete damit das 20. Jahrhundert ein und schloss ein Jahrhundert der Diskussion ab. Ab 1814 hatten im Kodifikationsstreit Anton Friedrich Justus Thibaut und Friedrich Carl v. Savigny darum gerungen, ob es überhaupt eine einheitliche Kodifikation des Zivilrechts geben sollte. Mit der Reichsgründung 1871 gewannen diejenigen Stimmen die Oberhand, die sich für ein reichsweit einheitliches Zivilrecht einsetzten. Nachdem überhaupt erst 1873 durch eine Änderung der Reichsverfassung die Gesetzgebungskompetenz dafür geschaffen worden war, machte sich ab 1874 eine hochrangige besetzte Juristenkommission (später so genannte „1. Kommission“) an die Ausarbeitung. Nachdem diese einen Vorschlag „von Juristen, für Juristen“ vorgelegt hatte, machte sich ab 1890 die „2. Kommission“, diesmal unter Beteiligung von Nichtjuristen, an eine Überarbeitung. Die Beratungen in den beiden Kommissionen, nachzulesen im berühmten „Mugdan“, sind bis heute für jeden Zivilisten ein unverzichtbarer Schatz für die Auslegung des BGB. Nach weiteren Beratungen im Bundesrat und im Reichstag wurde das BGB schließlich 1896 beschlossen. Trotz einiger grundlegender Reformen ist das BGB doch in seinen Grundzügen weiter in Kraft, nicht wenige Bestimmungen im Wortlaut unverändert. Damals ist unbestritten ein großer Wurf gelungen, der unser „ziviles“ Leben bis heute maßgeblich bestimmt und damit zum Rechtsfrieden in unserer Gesellschaft beigetragen hat.
Konfetti nach 38 Minuten
Das Gegenstück zu diesem geordneten Verfahren hat am vergangenen Freitag im Bundestag seinen Abschluss gefunden, als unter dem Slogan „Ehe für alle“ die Zivilehe auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ausgedehnt wurde: 38 Minuten Debatte und 393 Ja-Stimmen später regnete es Konfetti auf Volker Beck (B90/GRÜNE). Das parlamentarische Verfahren ist indes nicht erst in den sich überschlagenden Ereignissen der vergangenen Woche verunfallt. Schon die wenig kreative Strategie der CDU/CSU-Fraktion, eine Gesetzesinitiative des Bundesrats im Ausschuss „auszusitzen“, war der Bedeutung des Themas und der Rolle eines Parlaments unangemessen (vgl. den Beitrag von Niclas Stock). Das von SPD-Kanzlerkandidat Schulz aus wahlkampftaktischen Gründen angezettelte Blitzverfahren ist indes nicht minder unwürdig; diese Instrumentalisierung einer Volksvertretung zu persönlichen Zwecken ist gerade für einen früheren Parlamentspräsidenten bemerkenswert.
Bei anderen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die vorwiegend nicht parteipolitisch, sondern ethisch-moralisch determiniert sind, ermöglichte die Aufhebung der Fraktionsdisziplin Debatten im Bundestag, die als Sternstunden des Parlamentarismus in die Parlamentsannalen eingingen. Den so getroffenen gesetzgeberischen Entscheidungen hat dieser Umstand gewichtige legitimierende Kraft verliehen, wie etwa zuletzt bei der Entscheidung für die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Hilfe zum Suizid. Die gleichgeschlechtliche „Ehe“ wird dagegen nur von einem taktischen rot-rot-grünen Punktsieg ins Bundesgesetzblatt getragen.
„Ehe für alle“ verfassungswidrig
Ebenfalls nicht gerade zuträglich für die Legitimität des Verfahrens ist, dass gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken in der Debatte völlig auf der Strecke blieben. Das Grundgesetz stellt in Art. 6 Abs. 1 GG „Ehe und Familie“ unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Ob man diese Verfassungsbestimmung nun für richtig oder falsch hält – die jetzt geplante BGB-Änderung muss sich an ihr messen lassen. Nach den klassischen juristischen Auslegungsmethoden besteht kaum ein Zweifel daran, dass „Ehe“ in Art. 6 Abs. 1 GG ausschließlich die Verbindung von Mann und Frau meint. Dies entspricht bereits der klassischen Wortbedeutung, wie sie sich beispielsweise Grimms Wörterbuch oder dem Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache entnehmen lässt. In systematischer Hinsicht verdeutlicht Art. 6 Abs. 2 GG, dass das Grundgesetz „Ehe“ als Keimzelle der Gesellschaft ansieht und mit ihr die Vorstellung einer Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft verbindet, welche auf die Zeugung von Nachkommen angelegt ist: Dort geht es nämlich um die Pflege und Erziehung der Kinder als das „natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“. In historischer Hinsicht schließlich gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Parlamentarische Rat unter Ehe irgendetwas anderes verstand als die Ehe von Mann und Frau, wie es seit Jahrhunderten der abendländischen Rechtstradition entspricht. Methodenehrlich lässt sich daher nicht begründen, warum die Ehe auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ausgedehnt werden könnte. Hier hilft allenfalls ein „Methodenkniff“ weiter, nämlich die Rede vom Verfassungswandel, mit der versucht wird, Rechtsbegriffe „neu“ zu interpretieren. Tatsächlich gefährdet diese Vorgehensweise den materiellen Inhalt und damit den Rechtscharakter der Verfassung. Verfassungsrechtliche Begriffe werden zu reinen Buchstabenhüllen herabqualifiziert, die letztlich mit beliebigem Inhalt gefüllt werden können. Was aber bedeutet es, wenn die Begriffe „Würde“ (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG), „Glauben“ und „Gewissen“ (Art. 4 Abs. 1 GG), „Ehe“ (Art. 6 Abs. 1 GG), „demokratischer und sozialer Bundesstaat“ (Art. 20 Abs. 1 GG), „Volk“ (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) im steten Verfassungswandel der jeweiligen öffentlich vorherrschenden Meinung entsprechend jeweils mit völlig unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden können?
Zu Recht hat daher das Bundesverfassungsgericht auch in jüngster Zeit am materiellen Ehebegriff festgehalten: „Die Ehe als allein der Verbindung zwischen Mann und Frau vorbehaltenes Institut erfährt durch Art. 6 Abs. 1 GG einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Schutz“ (BVerfGE 133, 377 [Rn. 81]). Will man hieran etwas ändern, so steht ein verfassungskonformer, juristisch methodenehrlicher und damit auch legitimer Weg bereit: die Verfassungsänderung im Verfahren nach Art. 79 GG.
Ungeklärte Fragen der Elternschaft in gleichgeschlechtlichen „Ehen“
Jenseits der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit wirft das beschlossene Gesetz auch einfachgesetzlich eine Reihe von Fragen auf. Zu den wichtigsten Rechtsfolgen der Ehe gehört, dass der Ehemann gemäß § 1592 Nr. 1 BGB Vater des von der Ehefrau geborenen Kindes wird. Gilt das gleiche ab sofort analog auch in der gleichgeschlechtlichen „Ehe“? Dafür spricht, dass der Gesetzgeber ausdrücklich keinen Unterschied mehr zwischen Ehe und gleichgeschlechtlicher „Ehe“ machen wollte. Schon nach derzeitiger Rechtslage fallen biologische und rechtliche Elternschaft nicht immer zwingend zusammen. Dagegen spricht aber, dass im Falle der gleichgeschlechtlichen „Ehe“ gerade keine Vermutung besteht, dass der „Ehegatte“ des anderen Partners auch biologischer Vater bzw. biologische Mutter ist. Insofern würden in der gleichgeschlechtlichen „Ehe“ biologische und rechtliche Elternschaft regelmäßig auseinanderfallen, was die Frage aufwirft, ob die Rechtsordnung so pauschal die biologische Abstammung und damit einhergehende Rechte von Kind und biologischem Elternteil ignorieren darf. Ein familienrechtlicher Meinungsstreit ist absehbar – dabei hätte es gerade bei einer so grundlegenden Frage einer klaren Entscheidung des Gesetzgebers bedurft. Wenn sich die gleichgeschlechtliche „Ehe“ daraus rechtfertigen soll, dass in ihr die gleichen Werte wie in der klassischen Ehe gelebt werden sollen – hätte dann nicht die Frage der rechtlichen Elternschaft in der gleichgeschlechtlichen „Ehe“ offen und ernsthaft diskutiert und beantwortet werden müssen, bevor man sich selbst mit Regenbogenkonfetti feiert?
Rechtspolitisch führt dies zu der Frage, ob die vermeintliche Zauberformel von der „Ehe für alle“ die familienpolitischen Herausforderungen unserer Zeit angemessen löst. Sind Ehe und homosexuelle Lebenspartnerschaften tatsächlich das gleiche? Seit Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft ist in einer längeren Entwicklung diese Lebensform in ihren Rechtswirkungen nach und nach an die Ehe angenähert worden. Eigenständige und von der Ehe bewusst abweichende „Regenbogenbestimmungen“ sind dagegen nie ernsthaft erwogen worden. Dadurch hat sich in der Öffentlichkeit der Eindruck verfestigt, die eingetragene Lebenspartnerschaft bedeute gegenüber der Ehe ein diskriminierendes „minus“ gegenüber der heterosexuellen Paaren vorbehaltenen Ehe. Dadurch wurde die Chance verpasst, die eingetragene Lebenspartnerschaft als eigenständiges Rechtsinstitut zu entwickeln, nicht als „plus“ oder „minus“, sondern als aliud zur Ehe. Tatsächlich stellen sich in homosexuellen Lebenspartnerschaften bisweilen andere Fragen als in der Ehe, wie die Frage der Elternschaft zeigt. Dass die Mutter die Mutter und ihr Mann der Vater ist – so einfach ist es in „Regenbogenfamilien“ eben nicht. Schon heute werden gerade in homosexuellen Partnerschaften bereits Partnerschaftsmodelle gelebt, die vom Gesetz bisher (auch unter dem Regime einer „Ehe für alle“) ignoriert werden. Längst gibt es „co-parenting“-Modelle, mit denen die Paare neben der sozialen auch die biologische Elternschaft anstreben: Manche schwule und lesbische Paare bekommen gemeinsame Kinder; manche lesbische Paare binden einen Samenspender auch als sozialen Vater in ihre Familie ein.
Eigenständiges „Regenbogenfamilienrecht“ als Alternative
Die eigentliche Lösung könnte daher darin bestehen, die eingetragene Lebenspartnerschaft als ein eigenes familienrechtliches Institut weiterzuentwickeln, das insbesondere den in homosexuellen Beziehungen aufgeworfenen Fragen nach Elternschaft besonders Rechnung trägt. So könnte der Gesetzgeber bereits heute faktisch bestehende Möglichkeiten für eine Drei- oder auch Vierelternschaft gesetzlich regeln. Die damit einhergehenden Anschlussfragen, angefangen von Sorgerechtskonflikten bis hin zu erbrechtlichen Konsequenzen, müssen allerdings gründlich erwogen werden. Umgekehrt kommen entsprechende Regelungen in der Ehe nicht in Betracht, weil eine Dreielternschaft ersichtlich mit der ehelichen Treuepflicht unvereinbar ist. Nicht zuletzt deshalb könnte die „Ehe für alle“ für ein „Regenbogenfamilienrecht“ schnell zur Sackgasse werden.
All diese Fragen sind so komplex, dass es nur angemessen wäre, sie einer breiten, ernsthaften und offenen gesellschaftlichen Debatte zuzuführen. Der Bundestag sollte daher wie einst 1874 eine Kommission einsetzen, die sich dieser Fragen annimmt – diesmal am besten von Anfang an mit Juristen und Nicht-Juristen besetzt. Ein Jahrhundert sollten die Debatten auch nicht dauern. Aber zum Abschluss der nächsten Legislaturperiode könnte ein großer Wurf stehen, der ein Jahrhundert hält.
6 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Lieber Matthias,
Dein Beitrag lässt ja darauf schließen, dass du die Videoübertragung der Parlamentsdebatte verfolgt hast. Dann hast du gewiss auch die Tränen in vielen Augen auf der Zuschauerbühne gesehen.
Was ich mich nun frage – und was ich wirklich nicht verstehe – ist, wie diese Eindrücke in einem den Wunsch erwecken können, einen Beitrag zu verfassen, in dem man behauptet, dieser für viele so bewegende Moment der Freude sei ein Moment des Verfassungsbruchs gewesen.
Die Ausweitung der Ehe bedeutet lediglich ein Mehr an Grundrechtsschutz. Darin eine Gefahr für das Grundgesetz zu sehen, erschließt sich einem wohl nur, wenn man auch den Impuls hatte, diesen Beitrag zu schreiben.
Lieber Matthias,
einige Gedanken zu Deinem Beitrag:
1) Wie Du selbst bereits andeutest: Die Debatte um das in Rede stehende Gesetz bzw. das Problem, das dieses lösen möchte, dauerte nicht nur 38 Minuten. Sie hat über Jahre hinweg sowohl in der Gesellschaft als auch im Parlament stattgefunden. Und damit meine ich nicht nur das nun endlich zu einem Ende gekommene Verfahren in dieser Legislaturperiode – jeder legislative Schritt der Annäherung der eingetragenen Lebenspartnerschaft an die Ehe war ein Teil dieser Debatte.
2) Den Weg über Grimms Wörterbuch aus dem Jahre 1854 kann nur der wählen, der sicher gehen will, das Ergebnis zu finden, das er finden möchte. Dein systematischer Ansatz geht – wie die meisten konservativen Interpretationsansätze nicht nur in diesen Tagen – mehrere Schritte in einem. Selbst wenn man am Wortlaut des Passus „Ehe und Familie“ ansetzen möchte, so wäre dies zunächst nur der Fingerzeig, dass diese beiden Begriffe etwas miteinander zu tun haben. Interpretiere ich nun einen der beiden Begriffe und ziehe den anderen hierzu heran, so ist es meines Erachtens vor dem Hintergrund der These der Wandlung des einen Begriffes unzulässig, eine etwaige Wandlung auch des anderen Begriffes außen vor zu lassen um gegen die Wandlung der Bedeutung des ersten Begriffes zu argumentieren.
Will sagen: Hat sich nicht auch unser Familienbegriff geändert? Ist eine enge Mehrgenerationengemeinschaft alleine aufgrund der Tatsache, dass eine Zeugung nicht in diesem Kreise stattgefunden hat, keine Familie? Patchwork-Familien? Adotpivkinder? Pflege-Familien? Der Begriff der Familie weist nicht auf den biologischen Vorgang der Zeugung hin. Er weist auf eine – im Idealfall der Umstände zusammenlebende, – enge Verbundenheit, Treue, Verantwortungsübernahme und vieles mehr hin. Nicht ohne Grund werden die Bezeichnungen der Familienmitglieder auch außerhalb der rechtlichen Familie verwendet, um enge Beziehungen vergleichend zu beschreiben. Die Pflege und Erziehung von Kindern führt in der Regel zu familiären Verhältnissen. Umgekehrt steht dies nicht in allen „Familien“ auf dem Tagesprogramm. Sei es, weil keine Kinder existieren; sei es, weil man die vorhandenen Kindern schlicht vernachlässigt.
Niemand bezweifelt ernsthaft, dass die Mütter und Väter (da waren ja tatsächlich beide Geschlechter dabei – Glück gehabt) des Grundgesetzes eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft nicht im Sinn hatten. Der von Dir sprachlich verunglimpfte Verfassungswandel ist aber eben kein „Methodenkniff“, sondern allzu oft und in den verschiedensten Bereichen Realität. Unser Grundgesetz ist unzweifelhaft dynamisch. Eine Verfassung ist kein starres Gerüst. Anderenfalls – ich nehme ein Beispiel aus meinem Fachbereich – könnten wir auch nicht Telemedien gleich welcher Art unter den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff subsumieren und müssten die Verfassung ändern, wenn wir ihre Anbietern beispielsweise in bestimmten Konstellationen in den Genuss der Rundfunkfreiheit kommen lassen möchten. Erkennt man dies an, so wird deutlich, wie schwierig ein zu enges Verständnis bei historischer Auslegung der Verfassung ist.
Und nein, dadurch droht weder der Untergang des Abendlandes noch gefährdet eine an der gesellschaftlichen Realität orientierte Auslegung „den materiellen Inhalt und damit den Rechtscharakter der Verfassung“. Du setzt Veränderung unzulässig mit Beliebigkeit gleich. Veränderungen sind langfristige Prozesse und doch sind sie – wie im konkreten Fall – bestimmbar. Keinesfalls aber sind sie beliebig. Daher werden die von Dir angeführten Begriffe auch nicht heute so und morgen so „mit Inhalten gefüllt“. Aber sicherlich unterliegen auch Begriffe wie der der „Würde“ und des „sozialen Bundesstaates“ einem gewissen Wandel der Zeit.
Die Grenze der Auslegung, so brachte ich es meinen AG-Teilnehmern immer bei, ist der Wortlaut. Solange dieser nicht im Wege steht, ist auch die Verfassung einer Auslegung zugänglich. Und wenn wir die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften nun irgendwie in diesem Wortlaut unterbringen können und dies der weit überwiegenden gesellschaftlichen Auffassung entspricht – warum dann eine Verfassungsänderung fordern? Sofern die Damen und Herren Abgeordneten sich irgendwie an die Bürger rückgebunden fühlen, müssten sie entsprechend entscheiden. Und was ändert es? Nichts. Daher sehe ich die überall zu lesenden Ansätze, man sehe zwar den gesellschaftlichen Wandel, bräuchte aber eine Verfassungsänderung, als den letzten Strohhalm derer, die hoffen, dass eine solche Mehrheit nicht zustande kommt. Vielleicht sollte man zur Sicherheit noch ein Stoßgebet hinterher schicken.
3) Die von Dir aufgeworfenen „ungeklärten Fragen“. Sollten sie ungeklärt sein, so ist nach dieser Grundsatzentscheidung nun der Gesetzgeber berufen, sie zu klären. Dass das nicht in einem Rutsch passiert ist, ist nicht schön, aber kein Beinbruch.
Was spricht denn eigentlich dagegen, davon auszugehen, dass ein in einer gleichgeschlechtlichen Ehe geborenes Kind rechtlich das Kind beider Ehepartner ist? Wo ist das Problem, wenn biologische und rechtliche Elternschaft nicht zusammenfallen? Vielleicht ersetzen wir die Vermutung der biologischen Partnerschaft einfach durch die Vermutung, dass die beiden Ehepartner gemeinsam Verantwortung für das Kind übernehmen möchten? Nichts davon verhindert doch die Wahrnehmung aus der biologischen Abstammung folgender Rechte – oder habe ich da etwas übersehen? Und falls doch: Passen wir es an die heutigen Realitäten an!
Meine Antwort auf Deine Frage nach der Gleichheit: JA! Gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Partnerschaften zeichnen sich insbesondere durch eine Gemeinsamkeit aus: Den Willen zur Partnerschaft. Mit der Ehe tritt der Wille zur dauerhaften und gegenseitigen Übernahme von Verantwortung füreinander hinzu – der im Übrigen mit der Ehe auch nur formalisiert ausgedrückt wird und in der Regel wohl bereits vorher besteht.
Die von Dir beschriebene Chance, die eingetragene Lebenspartnerschaft zu einem aliud der Ehe zu entwickeln, hat es meines Erachtens nie gegeben. Schaut man sich die rechtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen für gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland (und sei es nur in den letzten Jahrzehnten) einmal an, wird das sofort deutlich. Wer aus der Strafbarkeit heraus gnädig in Richtung Gleichstellung bewegt wird, der wird immer das Gefühl haben, ein „minus“ an gesellschaftlicher Achtung zu haben.
Deine übrigen Ausführungen zum „Regenbogenfamilienrecht“ betreffen übrigens nicht nur gleichgeschlechtliche Paare, sondern auch verschiedengeschlechtliche. Und ja, könnte man mal gesetzlich klären. Ich glaube übrigens nicht, dass man gut daran tut, die eheliche Treuepflicht rein oder primär sexuell zu verstehen. Es gibt offene Partnerschaften, in denen sexuelle Treue ganz anders interpretiert wird als es die monogame Mehrheit tut. Es gibt verschiedengeschlechtliche Paare, die aufgrund körperlicher Einschränkungen auf biologische Alternativverfahren (von der künstlichen Befruchtung bis hin zur Einbeziehung eines/einer Dritten) zurückgreifen. Da kann man mE nicht sagen, dass es nicht entsprechende Regelungen dafür geben dürfte.
Beste Grüße aus Köln – wo auf der Deutzer Brücke seit Freitag die Regenbogenfahnen wehen.
Lieber Felix, lieber Thomas,
mir stellt sich eine Frage, die ihr mir vielleicht beantworten könnt. Können nun auch gleichgeschlechtliche Geschwister, oder Mutter und Tochter (Vater und Sohn) heiraten?
§ 173 StGB verbietet ja lediglich den „Beischlaf“, den gleichgeschlechtliche Paare per definitionem nicht vollziehen können.
Beste Grüße,
Edward
Lieber Edward,
ich verweise auf § 1307 BGB.
Beste Grüße nach Hamburg
Lieber Timo,
Vielen Dank für die Antwort. Was spricht aber verfassungsrechtlich gegen diese Ehen? Gebietet die Verfassung solche nicht vielleicht sogar?
[…] about marriage for all: MATTHIAS FRIEHE, on the one hand, finds constitutional fault with it and disapproves of the whole legislative process, while TIMO SCHWANDER comes to its defense. ELISABETH GIULIANI and […]