von SÖNKE E. SCHULZ
Der Umgang des Staates mit Informationen ist seit einiger Zeit vermehrt zum Gegenstand gesellschaftlicher Diskussionen geworden. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind zu nennen: ganz allgemein das Thema Open Government und Open Government Data, das Transparenzgesetz in Hamburg, vergleichbare Bestrebungen in anderen Bundesländern, die Freischaltung eines ebenenübergreifenden Datenportals durch den Bund (www.govdata.de), die entsprechenden Länderportale (z.B.: www.daten.hamburg.de; www.daten.berlin.de), aber auch kommunale Aktivitäten in diesem Bereich (z.B.: www.offenedaten.moers.de; www.opendata-hro.de). Zurückhaltender Umgang mit Informationsanfragen seitens öffentlicher Stellen wird zunehmend kritisiert: so zum Beispiel die Aussage des Bundesministerium des Innern, die Bearbeitung von Informationsanfragen nach dem IFG halte die Mitarbeiter von ihren „eigentlichen Aufgaben“ ab.
Soweit Staat und Verwaltung als handelnde Akteure in Erscheinung treten, versuchen sie damit einer veränderten Erwartungshaltung der Bürger und anderer gesellschaftlicher Akteure zu entsprechen. Zunehmend werden Offenheit und Transparenz politischer und administrativer Prozesse eingefordert – wird mit Transparenz doch die Möglichkeit verbunden, das Handeln des Staates weitaus besser als in der Vergangenheit zu kontrollieren. Zahlreiche Großprojekte und deren (vermeintliches) Scheitern werden zur Begründung angeführt: Stuttgart 21, die Elbphilarmonie oder der Berliner Großflughafen.
Open Data als alternatives Leitbild staatliches Handelns
Open Government Data bezeichnet den Teilaspekt der Veröffentlichung staatlicher Daten, die Dritten zur Weiterverwendung zur Verfügung gestellt werden. Der Begriff lässt sich mit „offene Verwaltungsdaten“ übersetzen. Die bereitgestellten Daten können als „offen“ in diesem Sinne bezeichnet werden, wenn sie „von Staat und Verwaltung im Interesse der Allgemeinheit ohne jedwede Einschränkung zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur freien Weiterverwendung frei zugänglich gemacht werden.“ Wichtig für die rechtswissenschaftliche Betrachtung ist, dass Open Data nicht nur die Veröffentlichung, sondern immer auch die Weiterverwendung betrifft und daher über die Informationsfreiheitsgesetze hinausreicht.
Rechtswissenschaft, Rechtspolitik und die Gesetzgeber haben diese gesellschaftlichen Entwicklungen jedoch bisher kaum aufgegriffen, sondern überwiegend der Administration die Ausgestaltung überlassen (so wurde bspw. das Datenportal www.govdata.de ohne eine Anpassung gesetzlicher Vorgaben realisiert). Dies erscheint auf den ersten Blick nachvollziehbar: sind es gerade die Daten der öffentlichen Verwaltung, die auf besonderes Interesse stoßen. Allerdings unterliegt die Verwaltung einer strengen Gesetzesbindung, sodass sie sich jeweils nur im geltenden Rechtsrahmen bewegen kann. Der traditionelle Grundsatz des Amtsgeheimnisses war aber lange Zeit auch für das deutsche Verwaltungsrecht und damit für die öffentliche Verwaltung in Deutschland prägend. Das Prinzip der Arkantradition zielt auf eine Abschottung vor einer kontrollierenden Einsicht durch die Bürger und ermöglicht den Einsatz von Informationen als Herrschaftsmittel. Folge sind ein Rechtsrahmen, aber auch eine Verwaltungskultur, die Informationsbegehren und allgemeinen Transparenzbestrebungen eher restriktiv gegenüber stehen.
Gesetzgeberisches Handeln zu Open Data bisher kaum ersichtlich
Insofern ist auch der Gesetzgeber berufen, will er Transparenz und „Open Government“ befördern, ermöglichen oder legitimieren. Zum Teil wird der Eindruck erweckt, die Open-Data-Diskussion sei lediglich eine konsequente Fortführung der hinter den Informationsfreiheitsgesetzen stehenden Intention. Diese Perspektive vernachlässigt aber die wirtschaftlichen Potenziale offener Daten und ihrer Weiterverwendung. Damit kommt es unter rechtlicher Perspektive zu einer verkürzten Behandlung der Thematik – insbesondere bleiben Fragen der Weiterverwendung und der proaktiven Veröffentlichung ausgeblendet. Oft werden datenschutzrechtliche Fragen in den Vordergrund gestellt – vergegenwärtigt man sich aber, dass personenbezogene Daten bereits definitorisch ausgeschieden werden, wird deutlich, dass diese nicht im Mittelpunkt der Debatte stehen sollten.
Betrachtet also eine weitergehende Perspektive, wird deutlich, dass der Handlungsbedarf größer ist. Eine Fortentwicklung der Informationsfreiheitsgesetze bildet nur einen Teilaspekt ab; das Informationsweiterverwendungsgesetz und spezielle Gesetze müssen ebenfalls einbezogen werden. Gesetzgeberisches Handeln zu Open Data existiert bisher aber kaum (Ausnahme: § 12 des Entwurfes eines Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung). Nimmt sich der Gesetzgeber dieses Themas an, gibt es gute Argumente dafür, von der bisherigen Praxis der Normierung in verschiedenen, fachspezifischen Gesetzen abzuweichen und einen allgemeingültigen Rechtsrahmen zu schaffen, der die gemeinhin geltenden Grundsätze zu Datenschutz, Lizenzen und Nutzungsbedingungen, Kosten und sonstige Zugangsmodalitäten möglichst einheitlich zusammenfasst.
Erster Schritt: Festlegung des einschlägigen Rechtsregimes
Aus rechtswissenschaftlicher Perspektive verwundert es dabei umso mehr, dass sich nicht einmal die Rechtsnatur und damit das maßgebliche Rechtsregime einer Veröffentlichung staatlicher Daten und der Gestattung ihrer Weiterverwendung eindeutig bestimmen lässt: Wie schon die Differenzierung zwischen Gebühren und Entgelten zeigt, existieren aus rechtlicher Perspektive im Wesentlichen zwei Sichtweisen auf die Veröffentlichung staatlicher Daten. In Betracht kommen:
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- eine zivilrechtliche Perspektive, die sich am (staatlichen) Urheberrecht orientiert und einen Nutzungsvertrag zwischen Bereitsteller und Nutzer erfordert (von Schoch, NVwZ 2006, 874, als „eigentumsrechtlich klingende Ansicht“ beschrieben), sowie
- eine primär öffentlich-rechtliche Einordnung des Veröffentlichungsvorgangs und der nachfolgenden Nutzung durch Dritte, wobei diese ihrerseits wieder in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages als auch in Form einseitiger Nutzungsbedingungen realisiert werden kann.
Betrachtet man die Ausgangssituation und die bereits realisierte Praxis der Veröffentlichung staatlicher Daten, lässt sich feststellen, dass eine Einordnung in diese beiden Grundmodelle selten explizit erfolgt ist und sich Erscheinungsformen finden lassen, die deutlich in die eine oder andere Richtung tendieren:
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- So deuten die Realisierung in Form eines Webshops und der Umgang mit »Lizenzen« im Bereich der Geodaten sowie der Rückgriff auf die „Creative-Commons-Lizenzen“ auf eine am Urheberrecht orientierte Sichtweise.
- Demgegenüber ist der Hinweis im Impressum zahlreicher behördlicher Homepages, der die kommerzielle Nutzung untersagt, eher als eine einseitige hoheitliche Restriktion für die Weiterverwendung der staatlich offenbarten Daten zu verstehen.
Staatliche Daten als öffentliche Sachen?
Wählt man den Weg über eine einseitige Festlegung von Nutzungsbestimmungen (Einräumung von Nutzungsrechten unter bestimmten Bedingungen) bietet das Recht der öffentlichen Sachen ein zielführendes – öffentlich-rechtliches – Erklärungsmuster auch für staatliche Daten. Das Regime des öffentlichen Sachenrechts wird von der Zielsetzung bestimmt, den öffentlichen Nutzungszweck einer Sache gegenüber dem Rechtsverkehr dadurch abzusichern, dass sie einem verwaltungsrechtlichen Sonderstatus unterstellt wird, um damit die zweckwidrige Nutzung einer Verwaltungsleistung auszuschliessen. Der Vorgang, mit dem eine staatliche Stelle eine Sache der Öffentlichkeit zugänglich macht, lässt sich zutreffend als Widmung umschreiben. Das Recht, die (potenziellen) Nutzungen einzuschränken, folgt aus dem Umstand, dass die Entscheidung über die Widmung im Rahmen der geltenden Gesetze freiwillig erfolgt und nicht der Erfüllung subjektiver Ansprüche dient – wie auch die zivilrechtliche „Lizenzierung“ Ausdruck eines Verfügungsrechts der datenhaltenden Stelle ist. Insofern ist die Situation bei staatlichen Datenbeständen vergleichbar mit anderen öffentlichen Sachen – lässt sich die (freiwillige) Veröffentlichung staatlicher Daten doch als Teilelement der Daseinsvorsorge in einer technisierten Informationsgesellschaft ansehen. In einem solchen Erklärungsmodell wäre ein Open-Data-Portal als öffentliche Einrichtung, die einzelnen Datensätze als öffentliche Sachen, Nutzungsbestimmungen als die Umschreibung des konkreten Widmungszweckes (bspw. auch unter Ausschluss der kommerziellen Nutzung) und die ggf. zu entrichtende Geldleistung als eine Benutzungsgebühr zu bewerten. Auch die aus dem Straßenrecht bekannte Differenzierung von Gemeingebrauch und Sondernutzung (bspw. kommerzielle Nutzung gegen Gebühr) lässt sich fruchtbar machen.
Die Wahl der „Datenlizenz Deutschland“ im Rahmen zahlreicher Open-Data-Aktivitäten kann zwar als Indiz für eine Abkehr von der zivilrechtlichen Perspektive gedeutet werden und auch Stimmen der Literatur tendieren zu einem öffentlich-rechtlichen Verständnis (vgl. Martini/Damm, DVBl 2013, 5 ff.). Gleichwohl erscheint eine verstärkte Befassung mit dieser Thematik und ggf. eine explizite Festlegung durch die bereitstellenden Behörden (also die Kundgabe einer öffentlich-rechtlichen Widmung) angezeigt.
7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
[…] Staatliche Daten und Informationen als öffentliche Sachen im Gemeingebrauch? […]
Ich glaube, hier wird eine verkürzte Sicht deutschen Rechts zugrunde gelegt. Der §5 UrhG wird völlig außer Acht gelassen:
„(1) Gesetze, Verordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und amtlich verfaßte Leitsätze zu Entscheidungen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz.
(2) Das gleiche gilt für andere amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind, mit der Einschränkung, daß die Bestimmungen über Änderungsverbot und Quellenangabe in § 62 Abs. 1 bis 3 und § 63 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden sind.“
Wenn man kein Urheberrecht hat, ist auch die Vergabe einer Lizenz möglich. Die Sichtweise von Schocht ist also unvollständig. Einen Nutzungsvertrag kann man nur abschließen, wenn man die notwendigen Rechte dazu besitzt.
Deshalb sollte man auch einen Blick auf internationale Entwicklungen werfen. Die US-Bundesbehörden z.B. geben ihre Daten z.B. in die „Public Domain“, wie es z.B. mit dem gesamten TCP/IP-Code der Fall ist, auf dem die Kommunikation des weltweiten Internet beruht. Bevor also Lizenz- und Nutzungsvertragsfragen diskutiert werden, sollte zunächst geprüft werden, ob der §5 UrhG hinreichend gewürdigt ist und ob man überhaupt eine einengende Lizenz haben will, statt Gemeinfreiheit. Der Gesetzgeber hat bisher keinen Anlauf genommen, Einschränkungen der Gemeinfreiheit vorzunehmen. Auch vom BMI wurde neulich explizit auf den §5 UrhG hingewiesen.
Politisch sind derzeit eher gemeinfreie Angebote durchsetzbar als die verwillkürten Lizenzbedingen von govdata.de.
Zu prüfen wäre auch, ob die Beschränkungen der Gemeinfreiheit bei Geodaten bzw. Datenbanken nicht immer noch mit europäischem Recht kollidieren. Siehe z.B. hier: http://www.urheberrecht.org/news/m/Schlagworte/s/Datenbanken/p/1/i/3004/
Danke für diesen guten Beitrag zur Debatte um die Lizenzfragen in Sachen Open Data, wenngleich ich befürchte, dass hiermit eine Diskussion angedeutet wird, die für das Thema im ersten Schritt eher schädlich als zuträglich sein dürfte (Vielelicht habe ich aber auch nicht alles verstanden 😉 ).
Interessant wäre noch die Auseinandersetung um die Rolle des § 5 Abs. 2 UrhG gewesen, die u.a. von Wolfgang Ksoll immer wieder in die Diskussion eingebracht wird( vgl. z.B. hier: https://netzpolitik.org/2013/wie-offen-wird-das-open-data-portal-des-bundes/#comment-482253). Ich persönlich glaube, dass er sich damit auf die falsche Fährte begibt, aber vielleicht können Sie dazu auch noch ein Bewertung abgeben.
Beste Grüße
Claus Arndt
Liebe Kollegen,
vielen Dank für die – auch kritischen – Kommentare. Am wichtigsten erscheint es mir, die Dikussion überhaupt zu führen, um dann Festlegungen zu treffen anstatt „einfach mal zu machen“. Das Thema Urheberrecht habe ich diesem Blog bewusst ausgeblendet: § 5 UrhG setzt für seine Anwendung voraus, dass es sich überhaupt um ein schutzfähiges „Werk“ handelt. Dies ist bei reinen Daten und vielen anderen Informationen aufgrund der fehlenden Schöpfungshöfe oft nicht der Fall. Daher greift die Vorschrift nicht – und man ist wieder am Anfang. Allerdings gebe ich Ihnen recht: wenn schon für amtliche Werke § 5 Abs. 2 die Gemeinfreiheit vorsieht, kann dies wesentliches Indiz sein, für „Gegenstände“, die unterhalb dieser Stufe liegen, auch offene bzw. freie Nutzungsbestimmungen zu wählen (was ja auch die Datenlizenz Deutschland abbildet). Dies ist auch im öffentlich-rechtlichen Modell möglich – weches mE besser die Bedeutung von Daten als Element der Daseinsvorsorge zum Ausdruck bringt.
Beste Grüße
Sönke E. Schulz
Ich halte es für falsch, das Thema Urheberrecht herauszuhalten. Zum einen sagt der §5 Absatz 1 eine Gemeinfreiheit für bestimmte Werke zu, die dann nicht mehr lizensierbar ist. Zum anderen stimmt auch der Hinweis auf die Schöpfungshöhe so nicht. Bei Open Data haben wir häufig es mit Datenbanken zu tun (nicht nur mit Datenbankwerken mit Schöpfungshöhe). Die Datenbanken ohne Schöpfungshöhe haben aber nach § 87a UrhG ein Urheberrecht sui generis. Dabei kommt dann aber hinzu, dass der §87a sagt:
„(2) Datenbankhersteller im Sinne dieses Gesetzes ist derjenige, der die Investition im Sinne des Absatzes 1 vorgenommen hat.“
Bei einer Firma im Zivilrecht bleibt das Urheberrecht an der Datenbank bei Liquidierung des Unternehmens beim Eigentümer. Das ist im öffentlichen Recht der Steuerzahler, der die Investition vorgenommen hat.
Deshalb plädiere ich dringend dafür bei Lizenzfragen vom Urheberrecht her zu denken, auch bei Open Data immer mit der Maßgabe, dass das gemeinfreie den Vorrang hat, um dann zwingend notwendige Einschränkungen zu denken.
Bei den Daten bei govdata.de sind zum Beispiel die KML-Daten von Mauerwegen (also Geodaten) in Berlin unter die Restriktion der von Fraunhofer erarbeiteten Lizenzen gestellt worden, dass ein kommerzielle Nutzung ausgeschlossen sei. Da muss eine klare Rechtsgrundlage her, wenn der Tourismus aktiv durch solche Einschränkungen behindert werden soll, wo seit 2004 der Steuerzahler die Investition zur Erstellung der Daten getragen hat.
Zudem empfehle ich auch dringend, internationale Entwicklungen z.B. im europäischen Raum und z.B. im US-amerikanischen Raum in Erwägung zu ziehen. Denn nationale Sonderregelungen behindern letztlich die Entfaltung, wie wir das beim E-Government sehen, wo wir die Verwaltung durch skurrile national Regelungen in eine Trutzburg eingesperrt haben, die zur EU-Dienstleistungsrichtlinie (Art. 8) nicht kompatibel sind und zur Erlahmung des E-Governments seit 15 Jahren (SigG) geführt haben.
Wie bereits im Ausgangsbeitrag erwähnt, wurde ein Veröffentlichungsinteresse bisher in der Tendenz restriktiv gehandhabt. So hatte der BGH auch keinerlei Schwierigkeiten § 5 Abs. 2 UrhG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Die Information im Werk muss danach gerade darauf ausgerichtet sein, dass die Information von jedermann zur Kenntnis genommen werden soll. Bei Topografischen Karten der Vermessungsverwaltung hat der BGH dies dann auch Konsequent verneint. Ähnlich dürfte man für alle Fachdaten der öffentlichen Verwaltung argumentieren können. Andererseits denke ich, dass sich an dieser 25 Jahre zurückliegenden Auffassung im Rahmen von Open Data und Open Government einiges ändern wird. Sei es im Rahmen der Interpretation von § 5 UrhG oder aber durch Ausweichen ins öffentliche Recht.
[…] Verständnis der Open Data-Aktivitäten in den Blick nehmen sollte, das Sönke E. Schulz in seinem Blog-Post […]