von ANNA-ZOE STEINER
Ab 2015 haben lesbische Paare in Österreich die Möglichkeit, sich ihren Kinderwunsch mittels Samenspende zu erfüllen. Den Weg hierzu ebnete ein Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshof vom Dezember 2013 (VfGH 10.12.2013, G 16/2013 ua).
In diesem Urteil erklärte der Gerichtshof diejenigen Bestimmungen des Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) für verfassungswidrig, die der nutzungmedizinisch unterstützter Fortpflanzung mittels Samen eines Dritten für Frauen, die in einer lesbischen Lebensgemeinschaft leben, bislang entgegenstanden. Für lesbische Paare ist diese Entscheidung ein Schritt hin zu mehr Gleichheit in fortpflanzungsmedizinischen Fragen. Allerdings ergeben sich aus diesem Judikat Folgefragen im Hinblick auf die bestehen bleibenden Bestimmungen des FMedG, so dass der Gerichtshof nicht zum letzten Mal mit Fragen der künstlichen Befruchtung befasst gewesen sein dürfte.
Zwei verpartnerte Frauen wollen ein Kind
Die Zulässigkeit der heterologen Insemination war nach dem FMedG bislang lediglich auf jene Fälle beschränkt, in denen die Frau in einer Ehe oder verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebt und bei ihrem männlichen Partner Fertilitätsprobleme vorliegen, welche die Herbeiführung einer Schwangerschaft auf natürlichem Wege verhindern. Für den Fall des Fehlens eines männlichen Lebensgefährten sieht das FMedG für in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebende Frauen keine legale Möglichkeit vor, sich in Österreich medizinisch unterstützter Fortpflanzung zu bedienen.
Hintergrund des Anlassverfahrens bildete die erstgerichtliche Versagung auf gerichtliche Protokollierung der erforderlichen Zustimmung zweier verpartneter Frauen zur medizinisch unterstützen Fortpflanzung mittels Samenspende Dritter. Das Erstgericht verweigerte die Protokollierung unter Verweis auf das FMedG, da dieses die Nutzung solcherart medizinisch unterstützter Fortpflanzung ausschließlich auf Personen, welche in einer (Ehe oder) Partnerschaft verschiedenen Geschlechts leben, beschränkt. Mittels Revisionsrekurs hatte sich schließlich der OGH mit der Rechtmäßigkeit zu befassen. Dieser unterbrach das Verfahren und beantragte beim VfGH nach Art. 140 Abs 1 Satz 1 B-VG die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des FMedG, die beiden Antragstellerinnen schlossen sich mit einem Individualantrag an. Die Anträge richteten sich gegen jene Bestimmungen des FMedG, welche die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, bei welcher eine Samenspende direkt in den Körper einer Frau eingebracht wird (artifizielle intrauterine Insemination), nur auf Ehen und verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften beschränken, in welchen der Mann zeugungsunfähig ist.
Recht auf Privatleben und Gleichheit vor dem Gesetz
Der VfGH prüfte die gegenständlichen Bestimmungen des FMedG im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit der in Österreich im Verfassungsrang stehenden Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 8 EMRK, Schutz des Privat- und Familienlebens) sowie dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 7 Abs 1 B-VG. Zur Beurteilung der EMRK-Konformität berief sich der VfGH auf die Rechtsprechung des EGMR, wonach gleichgeschlechtliche Partnerschaften, sofern sie in einem gemeinsamen Haushalt leben, nicht nur unter den Begriff des „Privatlebens“ fallen, sondern auch als „Familienleben“ iSd Art. 8 EMRK Schutz genießen (EGMR 24.6.2010, 30.141/04, Schalk und Kopf, EuGRZ 2010, 445; EGMR 22.7.2010, 18984/02, P.B. und J.S., newsletter 2010, 240; EGMR 19.2.2013, 19010/07, X ua). Die Höchstrichter führten aus, dass die Antragstellerinnen die Absicht dargelegt hätten, in ihrer Lebensgemeinschaft ein von der Erstantragstellerin geborenes Kind aufzuziehen. Sich zur Erfüllung des Kinderwunsches natürlicher oder medizinisch unterstützter Fortpflanzung zu bedienen, gehöre zum Kern des Schutzbereichs des Art. 8 EMRK (EGMR 3.11.2011, 57813/00, S.H. ua, RdM 2012, 70).
Die gegenständlichen Regelungen des FMedG wertete der VfGH daher als nach dem Geschlecht und somit auch indirekt nach der sexuellen Orientierung differenzierende Zugangsbeschränkung. Weiters führte der VfGH aus, dass der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers hierbei geringer sei als bei anderen Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung, da die heterologe Insemination abgesehen von der artifiziellen Initialisierung vollkommen den natürlichen Vorgängen bei Schwangerschaft und Geburt folge. Die Materialien des FMedG (RV 216 BlgNR 18. GP 11) würden das Verbot lediglich damit begründen, dass „[a]lleinstehenden Frauen oder gleichgeschlechtlichen Paaren […] wegen der damit verbundenen Mißbrauchsgefahr (Leihmutterschaft)“ […] „keine medizinisch assistierten Zeugungshilfen geleistet werden“ dürfen. Diese Gefahr sei allerdings bei der heterologen Insemination nicht gegeben, andere Gründe würden in den Materialien nicht genannt und auch eine gesundheitliche Gefährdung der Frau sei nicht erkennbar. Auf Grund der Schwere des Eingriffs in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK müssten für eine allfällige Rechtfertigung besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, welche einem zwingenden sozialen Bedürfnis (urgent social need) entsprechen würden. Diese konnte der VfGH allerdings nicht ausmachen. Er kam daher zu dem Schluss, dass die angefochtenen Bestimmungen des FMedG hinsichtlich des Kinderwunsches von Frauen, die in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft leben, nicht durch Gründe ausreichenden Gewichts gerechtfertigt seien und daher gegen Art. 8 iVm Art. 14 EMRK verstießen. Die Befürchtung, die Aufhebung der Zugangseinschränkung zur medizinisch unterstützten Reproduktion hätte die schrittweise Zulassung der Leihmutterschaft zur Folge, sah der VfGH in Übereinstimmung mit dem OGH als nicht begründet an. Das Verbot der Leihmutterschaft stütze sich auf eigenständige und von der Zulässigkeit der heterologen Insemination unabhängiger Sachgründe, welche getrennt auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen wären. Insbesondere hob der VfGH in seiner Entscheidung hervor, dass eine wesentliche Differenzierung im Hinblick auf das Verbot der Eizellspende zu ziehen sei, da diese unmittelbar die Gefahr der Aushöhlung des Verbots der Leihmutterschaft nach sich ziehen würde.
Weiter führten die Höchstrichter aus, dass der Gleichheitssatz nach Art. 7 Abs. 1 B-VG ebenfalls Zugang zu medizinisch unterstützter Fortpflanzung für Frauen in lesbischer Lebensgemeinschaft gebiete, zumal keine sachliche Rechtfertigung für eine Differenzierung im Verhältnis von Personen in verschieden geschlechtlichen Lebensgemeinschaften vorläge. Darüber hinaus läge eine Ungleichbehandlung gegenüber den Regelungen zur Adoption vor, da nach österreichischem Recht die Einzeladoption mit Zustimmung des Partners bei eingetragener Partnerschaft nach § 181 Abs. 1 ABGB (idF BGBl I 2009/135) sehr wohl zulässig sei, die Herstellung einer vergleichbaren Eltern-Kind Beziehung durch Geburt nach künstlicher Befruchtung allerdings gesetzwidrig sei.
Neben der eingangs erwähnten Folge, dass sich lesbische Paare ab 2015 (der VfGH setzte dem Gesetzgeber eine Reparationsfrist bis 31.12.2014) ihren Kinderwunsch mit Hilfe medizinisch unterstützter Fortpflanzung werden erfüllen können, hat das Judikat auch für alle anderen Personen mit Kinderwunsch, welche sich medizinisch unterstützter Fortpflanzung bedienen wollen, weitreichende Konsequenzen (ausführlich Fischer-Czermak, Medizinisch unterstützte Fortpflanzung für lesbische Paare, EF-Z 2014/35, 62 ff).
So können Ehegatten und Personen in verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften medizinisch unterstützte Fortpflanzung nach der ab 2015 geltenden Rechtslage auch dann in Anspruch nehmen, wenn die Herbeiführung einer Schwangerschaft auch auf natürlichem Wege und ohne Infektionsrisiko möglich wäre. Weiter wäre eine Samenspende auch bei Fortpflanzungsfähigkeit des Mannes zulässig und die Samenspende wäre nicht auf die intrauterine Insemination beschränkt. Dies bedeutet ein Abgehen von dem bislang im FMedG vorherrschenden Prinzip der Gebrechensorientiertheit, welches die Unmöglichkeit einer natürlichen Fortpflanzung als zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit medizinisch unterstützter Fortpflanzung verlangte.
Der Gesetzgeber ist gefragt und die letzte Messe noch längst nicht gesungen
Das Verbot der Leihmutterschaft sowie der Eizellenspende bleibt allerdings auch nach Ablauf des 31.12.2014 weiter bestehen, sodass das Judikat keine Konsequenzen für in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebende Männer hat. Diese auf den ersten Blick bestehende Ungleichbehandlung knüpft an die natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau an und scheint darüber hinaus durch das überwiegende öffentliche Interesse am Schutz potentieller Leihmütter gerechtfertigt.
Weiterhin verschlossen bleibt medizinisch unterstützte Fortpflanzung hingegen alleinstehenden Frauen, da nach dem FMedG weiterhin das Bestehen einer (verschieden- oder gleichgeschlechtlichen) Lebensgemeinschaft vorausgesetzt wird.
Anpassungsbedarf gäbe es möglicherweise in den flankierenden Zivilrechtsbestimmungen (Fischer-Czermak, EF-Z 2014/35, 62; Kopetzki, Fortpflanzungsmedizinrecht im Umbruch, RdM 2014/1, Editorial). So haben Kinder, welche auf Grund künstlicher Befruchtung in einer lesbischen Partnerschaft geboren werden, rechtlich gesehen keinen Vater. Auch steht die Partnerin der Mutter in keiner familienrechtlichen Beziehung zum Kind. Die Lösung des Problems könnte durch eine Adoption des Kindes durch die Partnerin der leiblichen Mutter als Stiefkind nach § 197 Abs. 4 ABGB herbeigeführt werden, die familienrechtlichen Beziehungen zur leiblichen Mutter würden nach § 197 Abs. 4 ABGB weiterhin bestehen bleiben, und das Kind hätte ein Elternpaar. Problematisch bleiben nur jene Fälle, in denen sich die Partnerin der leiblichen Mutter trotz der Zustimmung zur Samenspende nach der Geburt nicht dafür entscheidet, das Kind zu adoptieren (Fischer-Czermak, EF-Z 2014/35, 63). Für diesen Fall würde es wohl einer gesetzlichen Regelung bedürfen, um sicherzustellen, dass das Kind zwei Elternteile hat. Der Samenspender kann nach § 148 Abs. 3 ABGB jedenfalls nicht als gesetzlicher Vater festgestellt werden.
Die ab 2015 geänderte Rechtslage könnte der Gesetzgeber darüber hinaus zum Anlass nehmen, eine umfassende Reform des aus dem Jahr 1992 stammenden FMedG in Angriff zu nehmen, insbesondere um dem bislang erzielten technischen Fortschritt und der gesellschaftlichen Wandlung Rechnung zu tragen. Anzeichen dafür fehlen allerdings bislang.