Zur Vereinbarkeit des Bundesgesetzes für die Sanierungsmaßnahmen der Hypo-Alpe-Adria-Bank International AG mit der Eigentumsfreiheit
von MATTHIAS SCHARFE
Im Dezember 2009 musste die österreichisches Hypo-Alpe-Adria-Bank AG notverstaatlicht werden. Dass der Kaufpreis von vier Euro keine Okkasion sein dürfte, war dem neuen Eigentümer, der Republik Österreich, bekannt. Welch tiefe Löcher aber noch in den Bilanzen steckten, wurde erst langsam klar. Nun will der Staat das Portfolio der Bank abbauen; um die vorigen Eigentümer angemessen an den hohen Kosten der Liquidierung der Bank zu beteiligen, wurden einige Anleihen und Gesellschafterdarlehen im Bundesgesetz über Sanierungsmaßnahmen für die Hypo Alpe Adria Bank International AG (HaaSanG) für erloschen erklärt. Dieser Beitrag untersucht die Vereinbarkeit des Erlöschens dieser Verbindlichkeiten mit der Eigentumsfreiheit.
Österreich hat eine lange und unrühmliche Tradition zweifelhafter Gesetzgebungsakte zur Bankenrettung. Bei der Rettung der österreichischen Creditanstalt kam 1931 erstmals seit Bestehen des B-VG das Institut der Notverordnung auf Grundlage des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes 1917 zum Einsatz, das schließlich das Hauptherrschaftsinstrument in der austrofaschistisch-ständestaatlichen Diktatur der Jahre 1934-1938 wurde.
Nicht ganz 80 Jahre später stand wieder eine österreichische Bank, die erwähnte HAA, am Abgrund und wieder versucht sich der Gesetzgeber in unorthodoxen legistischen Maßnahmen. Besonders problematisch ist dabei, dass sich die Bank durch Anleihen refinanzierte, für die das Bundesland Kärnten haftet. Dieses verfügt über ein jährliches Budget von gerade einmal zwei Mrd €, ist aber Haftungen iHv 20 Mrd € gegenüber der Bank und ihren Gläubigern eingegangen. Um die drohende Insolvenz der Bank und die daraus resultierenden massiven Verwerfungen am Kapitalmarkt abzuwenden, kaufte der Staat die HAA den bisherigen Eigentümern ab. Nach mehreren, zum Überleben der Bank notwendigen Kapitalerhöhungen, Gesellschafterzuschüssen, Garantieübernahmen und der Zuführung von Partizipationskapital durch den Staat im Umfang von insgesamt zumindest 5,6 Mrd € wurde das HaaSanGbeschlossen. Dieses sieht ua vor, dass bestimmte Anleihen und Darlehen, erlöschen.
Eine per Gesetz simulierte Insolvenz
Dabei handelt es sich zum einen um sog nachrangige Anleihen an die HAA, also um Wertpapiere, die im Insolvenzfall erst nach der Erfüllung aller anderen Masse- und Insolvenzforderungen bedient werden. Entsprechend des damit verbundenen höheren Ausfallrisikos waren die Wertpapiere auch mit einer höheren Risikoprämie ausgestattet und mit vier bis sechs Prozent p. a. vergleichsweise hoch verzinst.
Zum anderen wurden Darlehen, die die Eigentümer der HAA im Zeitraum zwischen dem 29.12.2008 (Zeitpunkt des erstmaligen Abrufes von Partizipationskapital, das der Staat auf Grundlage des Finanzmarktstabilitätsgesetzes der HAA zur Verfügung gestellt hatte) und dem 1.1.2010 gewährt hatten, für erloschen erklärt. Begründet wurde dieser Schritt damit, dass die Schieflage der Bank den Eigentümern in diesem Zeitraum bereits bekannt gewesen sein musste. Die von ihnen gewährten Darlehen wären daher im Fall der Insolvenz der HAA als Eigenkapital ersetzende Leistungen nach § 57a Abs 1 Insolvenzordnung (IO) zu behandeln und kämen bei der Verteilung der Insolvenzmasse erst nach Erfüllung aller anderen Forderungen zum Zug. Das Gesetz stellt also eine bestimmte Gruppe an Gläubigern so, als wäre die Insolvenz der Bank im Zeitpunkt der Notverstaatlichung eingetreten.
Das gesetzlich angeordnete Erlöschen der Verbindlichkeiten und die Eigentumsfreiheit
Die Eigentumsfreiheit wird in Österreich zum einen durch Art 5 StGG, zum anderen durch Art 1 1. ZPEMRK gewährleistet. Unter den sachlichen Schutzbereich dieser beiden Normen fallen alle vermögenswerten Privatrechte, die vor Enteignung und Eigentumsbeschränkungen geschützt werden.
Eingriff in die Eigentumsfreiheit
Daraus folgt, dass sowohl ein Eingriff in einen Darlehensvertrag, wie ihn eine Anleihe darstellt, als auch in einen Vertrag zwischen den Eigentümern bzw zwischen den Eigentümern einer Kapitalgesellschaft auf der einen und der Kapitalgesellschaft auf der anderen Seite unter diesen Schutzbereich fällt. Fragwürdig ist dabei jedoch, ob die betroffenen Privatrechte überhaupt noch „vermögenswert“ sind. Denn im Falle einer Insolvenz ist aufgrund der Nachrangigkeit der Verbindlichkeiten davon auszugehen, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um sie überhaupt, geschweige denn vollständig, zu bedienen, zumal die in der Regierungsvorlage errechnete Insolvenzmasse gerade einmal genügen würde, um eine Insolvenzquote von 56 vH zu erreichen. Der Eingriff in das Grundrecht auf Eigentumsfreiheit liegt also vor, die Eingriffstiefe ist jedoch aufgrund der Relativierung des vermögenswerten Charakters des Eingriffsobjektes niedrig zu veranschlagen.
Daran ändern auch die Haftungen, die das Bundesland Kärnten für die Forderungen übernommen hatte, und die das Schicksal des Erlöschens mit den (Haupt-)Forderungen gem § 1363 ABGB teilen, nichts. Denn dass ein Bundesland mit zwei Mrd € Jahresbudget Haftungen von insgesamt 20 Mrd €, die bei einer Insolvenz der HAA schlagend geworden wären, bedienen kann, erscheint geradezu grotesk.
Enteignung oder Eigentumsbeschränkung
Nicht einfach zu klären ist, ob es sich bei diesem Eingriff um eine Enteignung oder um eine Eigentumsbeschränkung handelt. Liegt eine Enteignung vor, besteht eine staatliche Entschädigungspflicht, unabhängig davon, ob man diese wie Teile der Lehre bereits aus der Eigentumsfreiheit nach Art 5 StGG selbst, oder, wie die Rsp und andere Teile der Lehre aus dem Gleichheitssatz (Art 7 B-VG) herleitet.
Eine etwaige Entschädigungspflicht müsste sich allerdings am Verkehrswert des enteigneten Privatrechts orientieren. Dieser läge angesichts der Probleme der HAA und des nachrangigen Charakters der betroffenen Wertpapiere zum derzeitigen Zeitpunkt in der Nähe der Wertlosigkeit.
Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) folgt bei der Definition der Enteignung der sog Übertragungstheorie. Für das Vorliegen einer Enteignung genügt demnach nicht, dass ein vermögenswertes Privatrecht durch einen Verwaltungsakt oder unmittelbar durch ein Gesetz zwangsweise entzogen wird, vielmehr muss dieses darüber hinaus auf den Staat oder eine andere Körperschaft übertragen werden.
Da im Falle des HaaSanG die Wertpapiere ex lege „erlöschen“, ist der erste Teil der Definition, der Entzug, jedenfalls erfüllt. Allerdings bedeutet das Wort „Erlöschen“, dass sie in ihrer Existenz vernichtet werden. Eine Übertragung an den Staat oder eine andere Körperschaft kann daher gar nicht stattfinden, weshalb keine Enteignung vorliegt.
Dagegen lässt sich einwenden, dass es für den Grundrechtsberechtigten nicht darauf ankommt, ob das Recht an einen anderen Rechtsträger übertragen wird, das Eingriffsmoment liegt vielmehr im Entzug des Rechts. In diese Richtung weist auch Art 1 1. ZPEMRK, der ausdrücklich auf den Entzug des Rechts abstellt.
Der VfGH hat jedoch, trotz teils massiver Kritik aus der Lehre bislang eisern an der Übertragungstheorie festgehalten und ist nur im Jahr 1955 (VfSlg 2934/1955) ein einziges Mal von ihr abgegangen. Es ist nicht ersichtlich, wieso er ausgerechnet im vorliegenden Fall von seiner bisherigen Rechtsauffassung abkehren sollte, sodass der Eingriff nicht als Enteignung qualifiziert werden kann.
Für den Charakter einer Eigentumsbeschränkung spricht außerdem, dass das HaaSanG als Ersatz für die erloschenen Rechte die Begründung neuer Rechte zugunsten der vom Haircut betroffenen Gläubiger in Abhängigkeit des Volumens der Vermögensmasse, die nach der Abwicklung der HAA verbleibt, vorsieht. Die Gläubiger werden also an einem etwaigen Sanierungserfolg beteiligt, wie sie als Nachranggläubiger auch an der Verwertung der Insolvenzmasse beteiligt werden, nämlich nach Maßgabe der vorhandenen Masse nach Bedienung aller anderen Verbindlichkeiten.
Zudem sind den Gläubigern die in den Wertpapieren verbrieften Zinsen für mehrere Jahre zugeflossen, bei einer Verzinsung von durchschnittlich fünf vH handelt es sich dabei über fünf Jahre immerhin um mehr als 27 vH des Nominale.
Rechtfertigung des Eingriffs
In jedem Fall, unabhängig von der Frage, ob der Eingriff eine Enteignung oder Eigentumsbeschränkung darstellt, muss er im öffentlichen Interesse liegen, geeignet, erforderlich und auch verhältnismäßig sein.
Als öffentliches Interesse kommt va die Funktionsfähigkeit des österreichischen (und aufgrund der internationalen Tätigkeit der Bank, mitteleuropäischen) Kapitalmarktes in Betracht. Die HAA ist, trotz aller Abbaubemühungen der letzten Jahre, noch immer die Bank mit der siebthöchsten Bilanzsumme in Österreich. In den letzten Monaten ist die Diskussion über die „Systemrelevanz“ der HAA wieder aufgeflammt. Dass ihre Insolvenz jedoch schwerwiegende volkswirtschaftliche Verwerfungen – der Hinweis auf die Folgen des Bank-Run in Mitteleuropa nach dem eingangs erwähnten Zusammenbruch der Credit-Anstalt 1931 sei gestattet – und Ausstrahlungswirkungen auf das gesamte Bankwesen hätte, lässt sich nicht ernsthaft bestreiten.
Die Eigentumsbeschränkung/Enteignung ist auch nicht ungeeignet, dieses Ziel zu erreichen. Fraglich jedoch ist, ob es sich dabei um das gelindeste Mittel handelt, das dem Gesetzgeber zur Verfügung steht. Das Problem könnte auch mit weiteren Kapitalerhöhungen seitens des nunmehrigen Eigentümers Republik Österreich bewältigt werden. Deren notwendige Höhe ist aber unabsehbar und stellt eine schwere Belastung für den Staatshaushalt dar. Bereits die bisherigen Maßnahmen haben über zwei vH des österreichischen BIP erfordert, der Staat muss(te) zudem auch anderen Banken beispringen. Gleichzeitig ist er an strenge Budgetregeln der Union gebunden. Die Vorgangsweise ist daher zwar nicht allgemein als gelindestes, aber zumindest als gelindestes in der gegenwärtigen Situation zur Verfügung stehendes Mittel anzusehen.
Wie bereits beschrieben, ist die Schwere des Eingriffs aus mehreren Gründen – geringer Verkehrswert der Wertpapiere, Begründung von Ersatzrechten ähnlich der Stellung von Nachranggläubigern, Verzinsung in den letzten Jahren – als gering zu betrachten. Dem stehen aber außerordentlich wertvolle öffentliche Interessen gegenüber. Die Verhinderung einer Insolvenz der HAA ist essentiell, um den österreichischen (und mitteleuropäischen) Kapitalmarkt nicht dem Risiko eines Kollapses auszusetzen. Der Zusammenbruch der HAA könnte eine schwerwiegende Bankenkrise in Europa nach sich ziehen. Nachdem bereits über fast sechs Mrd € aufgewendet wurden (und im Zuge des Portfolioabbaus der HAA ohnehin weitere Tranchen vonnöten sein dürften) ist die Grenze der fiskalischen Belastbarkeit erreicht, auch angesichts dessen, dass für weitere österreichische Banken (Volksbank, Kommunalkredit) hohe Aufwendungen getroffen werden mussten und auch weitere Bankenkrisen in naher Zukunft nicht ausgeschlossen sind, deren Bewältigung wiederum einen finanziell handlungsfähigen Staat erfordern. Der Eingriff in die Eigentumsfreiheit ist also rechtfertigbar und damit nicht verfassungswidrig.
Fazit
Der Inhalt des HaaSanG, bestimmte Wertpapiere als erloschen zu erklären und dies mit einer fiktiven Insolvenz des Bankinstituts zu begründen, mag unorthodox erscheinen, hinsichtlich der Problematik der Definition der Enteignung mag er sogar ein wenig riskant sein. Er ist jedoch, nicht zuletzt angesichts der besonderen Umstände der Sanierung der HAA, nicht verfassungswidrig, da die Eingriffe in die Eigentumsfreiheit sich rechtfertigen lassen.