Adoptionen in nicht-heterosexuellen Partnerschaften: Verschlechterung der Situation durch neues Adoptionshilfegesetz

von KATRIN KAPPLER und MAJA WERNER

Der Gesetzentwurf des Bundesfamilienministeriums „Verbesserung der Hilfen für Familien bei Adoption (sog. Adoptionshilfe-Gesetz)“ wird zurzeit im Bundestag beraten. Der Entwurf hat sich zum Ziel gesetzt, einen offeneren Umgang mit der Adoption zu stärken, die Belange der Herkunftseltern stärker zu berücksichtigen und die Begleitung während des Prozesses zu erweitern. Dies mag zunächst im Sinne des Kindeswohles sinnvoll erscheinen. Mindestens ein Punkt wurde aber bei beiden Gesetzesentwürfen komplett ausgeblendet: Dass sich die Situation von verheirateten, nicht-heterosexuellen Paaren mit Kindern durch den Gesetzesentwurf deutlich verschlechtert.

Der Ausgangspunkt: Nicht-heterosexuelle Paare mit Kindern weiter auf Adoption angewiesen

Die Eltern-Kind-Zuordnung richtet sich nach den §§ 1591, 1592 BGB. Nach § 1591 BGB wird die gebärende Person die Mutter des Kindes. Gemäß § 1592 Nr. 1 BGB wird automatisch derjenige Vater und damit rechtlich als Elternteil anerkannt, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist. Der Bundesgerichtshof hat für den Fall zweier lesbischer Frauen, von denen eine die biologische Mutter ist, die andere aber faktisch ebenfalls die Rolle eines Elternteils übernimmt, entschieden, dass § 1592 Nr. 1 BGB auf homosexuelle Ehen weder direkt noch analog angewendet werden kann. Während eine direkte Anwendung aufgrund des Wortlauts, wonach die Regelung nur auf (potentielle) Väter und damit auf Männer angewandt werden kann, scheitert, sieht der Bundesgerichtshof weder die Planwidrigkeit der Regelungslücke noch die vergleichbare Interessenlage gegeben. Die Verfassungswidrigkeit verneint der Bundesgerichtshof. Damit bleibt die Adoption für verheiratete, nicht-heterosexuelle Paare weiterhin die einzige Möglichkeit, mit der beide Elternteile auch rechtlich als solche anerkannt werden.

Lange Unsicherheitsphase für die gesamte Familie

Dies ist aus verschiedenen Gründen für die Eltern, aber auch für das Kind bereits jetzt in hohem Maße problematisch: Ein Adoptionsverfahren kann sehr lange dauern. Bereits die Unsicherheit, ob die faktisch bereits bestehende Eltern-Kind-Beziehung überhaupt rechtlich als solche anerkannt wird, macht die Situation in dieser Zeit für die gesamte Familie unhaltbar. Denn in dieser Zeit, in der ein Elternteil noch nicht rechtlich als solches anerkannt ist, hat das Kind keinerlei Ansprüche gegen diesen, erwirbt also weder unterhaltsrechtliche noch erbrechtliche Ansprüche. Falls die austragende Person stirbt, wird das Kind sogar Vollwaise. Während des Adoptionsverfahrens haben Ehepartner*innen nur das kleine Sorgerecht. Das bedeutet, dass sie zwar in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes mit entscheiden dürfen und bei Gefahr im Verzug auch alle Rechtshandlungen vornehmen können, die zum Wohl des Kindes notwendig sind, also etwa eine dringend notwendige ärztliche Behandlung. Dies geht aber immer nur im Einvernehmen mit dem leiblichen und rechtlich anerkannten Elternteil. Sollte der Adoptionsprozess aus irgendwelchen Gründen scheitern, hat der rechtlich anerkannte Elternteil keinen Anspruch auf Kindesunterhalt gegenüber der*dem Ex-Partner*in, während diese*r wiederum keinen Anspruch auf Umgang mit dem Kind oder das Sorgerecht hat – dies wird aber der Situation von Paaren, die einen gemeinsamen Kinderwunsch verwirklichen wollen überhaupt nicht gerecht. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Adoptionsprozess aufgrund einer Trennung scheitert und der biologische Elternteil dem anderen den Umgang mit dem Kind verweigert, obwohl sich bereits eine soziale Bindung und damit tatsächlich bestehende – wenngleich nicht rechtlich anerkannte – Eltern-Kind-Beziehung entwickelt hat.

Kritik an den gesetzgeberischen Neuerungen

Bereits die Problemstellung und Zielsetzung des Gesetzesentwurfs macht deutlich, dass die Situation nicht-heterosexueller Paare vollständig ausgeblendet wurde: So sollen die Regelungen zur frühzeitigen Beratung sicherstellen, dass die Adoption nicht aus „sachfremden Motiven“ erfolgt. Die Motivlage bei nicht-heterosexuellen Paaren lässt sich aber schon deshalb nicht genauso wie bei heterosexuellen Paaren beurteilen, weil die Adoption der einzige Weg ist, gemeinsam rechtlich als Eltern anerkannt zu werden. Der Fokus auf die Stärkung eines offeneren Umgangs mit der Adoption innerhalb der Familie, der insbesondere dem Informationsaustausch zwischen den Adoptiveltern und den Herkunftseltern (sic) dienen soll, sowie die erstrebte stärkere Berücksichtigung der Belange der Herkunftseltern im Gesetzentwurf verdeutlichen, dass der Gesetzgeber den Fall vor Augen hatte, in dem ein Kind in eine Familie hineingeboren wird und dann von zwei vollständig „neuen“ und in der Regel fremden Elternteilen adoptiert wird. Genau diese Situation liegt bei nicht-heterosexuellen Paaren und insbesondere bei lesbischen Paaren, in denen eine das Kind austrägt, aber nicht vor: Hier wird das Kind bereits in die Familie des adoptierenden Elternteils hineingeboren. Die Unterschiede zwischen beiden Konstellationen, gerade auch im Hinblick auf das Kindeswohl, übersieht der Gesetzgeber vollständig und verschlechtert die Situation noch: Denn durch die im Gesetz vorgesehene, neu eingeführte verpflichtende Beratung dürfte der ohnehin schon langwierige Adoptionsprozess noch länger dauern, womit sich auch die Phase der Unsicherheit für die Familie verlängert.

Hinzu kommt ein zweiter Punkt: Bereits nach alter Gesetzeslage gab es eine Eignungsprüfung für Adoptiveltern. Der Gesetzgeber hat sich nun entschieden, das Abstammungsrecht (noch) nicht zu reformieren, aber auch weiterhin eine Eignungsprüfung gerade auch für Stiefkindadoptionen in Regenbogenfamilien vorzusehen. Diese nun in § 7 des Gesetzes vorgesehene Eignungsprüfung der Adoptionsbewerber*innen stellt einen massiven Eingriff für die betroffenen Personen in gleichgeschlechtlichen Ehen dar, der von den betroffenen Personen als entwürdigend empfunden werden kann. Der Wortlaut des § 7 Abs. 2 Nr. 1, wonach die Prüfung auch die persönlichen und familiären Umstände betrifft, kann aufgrund seiner Unschärfe für die Bewerber*innen die Zwangslage begründen, über sämtliche persönliche Bereiche des eigenen Lebens Auskunft geben zu müssen. Höchst problematisch ist auch § 7 Abs. 2 Nr. 3, wonach die Eignungsprüfung auch das soziale Umfeld umfasst. Ein „Durchleuchten“ des sozialen Umfelds anlässlich einer grundsätzlich intimen Entscheidung über die Familienplanung stellt nicht nur einen massiven Eingriff in die Rechte der Bewerber*innen dar, sondern kann ihnen auch bereits im Prozess das Gefühl vermitteln, ihre Eignung für die bereits bestehende (!) und aus der Beziehung zum Kind resultierende soziale Elternschaft würde in einem Maße infrage gestellt werden, die eine vollständige Überprüfung ihrer gesamten Verhältnisse notwendig macht.

Diese Gesamtsituation ist im Hinblick auf die Unvergleichbarkeit der im Entwurf zugrunde gelegten Situation und derjenigen nicht-heterosexueller Partnerschaften, insbesondere lesbischer Mütter, bei denen es um die Stiefkindadoption des Kindes geht, das eine von beiden ausgetragen hat und Herkunftseltern i. S. d. Entwurfs nicht zwingend existieren (bspw. bei anonymer Samenspende), nicht zu rechtfertigen und daher nicht tragbar.

Derzeitige Verfassungswidrigkeit wird weiter verfestigt

Dies gilt umso mehr, weil die derzeitige Gesetzeslage jedenfalls seit der Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts verfassungswidrig ist. Da sich die Vermutungswirkung für die Elternschaft des Ehemannes der Mutter nach § 1592 Nr. 1 BGB mit der Ehe entfaltet, liegt spätestens seit der Einführung der sog. „Ehe für alle“ eine vergleichbare Konstellation vor. Dass der Gesetzgeber die im Hinblick auf die „Ehe für alle“ unstimmige Rechtslage noch nicht dementsprechend angepasst hat, stellt eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts dar, weil alle Personen, die mit der gebärenden Frau verheiratet sind und als Elternteil anerkannt werden wollen, aber keine Männer sind, schlechter gestellt werden. Dies verkennt der BGH in seiner bisherigen Rechtsprechung, indem er eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gar nicht prüft, sondern lediglich auf den allgemeinen Gleichheitssatz abstellt. Ein Rechtfertigungsgrund für diese Diskriminierung ist nicht ersichtlich. Auch in das Recht auf Achtung der Familie wird ungerechtfertigt eingegriffen, weil es den Paaren nicht erlaubt wird, die mit der Familienplanung und spätestens mit der Geburt bestehende Beziehung zum Kind in einer Weise rechtlich abzusichern, die den bestehenden sozialen Beziehungen innerhalb der Familie Rechnung trägt.

Das neue Adoptionshilfegesetz soll dem Kindeswohl dienen – aus Sicht des Kindes ist aber von immenser Bedeutung, dass ihm bei der Geburt schnellstmöglich zwei Eltern zugewiesen werden. Zudem besteht bei gemeinsamer Familienplanung in nicht-heterosexuellen Partnerschaften und einer möglicherweise bereits bestehenden Eltern-Kind-Beziehung ein solcher Beratungsbedarf nicht in gleicher Art und Weise wie in den im Entwurf zugrunde gelegten Konstellationen. Ohne eine Reform der Regelungen über die Eltern-Kind-Zuordnung, welche die Lebensrealität verschiedener Familienmodelle berücksichtigt, wird sich die unhaltbare Situation für homosexuelle Elternpaare weiter verschlechtern – und gleichzeitig die verfassungswidrige Situation verfestigen.

 

Adoptionshilfegesetz, Ehe für alle, Gender, Gleichstellung, LGBTIQ
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