von MARIA BERTEL
Transparenz ist ein Schlagwort, dem man aktuell nicht entkommt. Vor dem Hintergrund der Debatte zum open government Konzept (vgl. dazu für Österreich) und auch aufgrund der (österreichischen) Korruptionsfälle der vergangenen Jahre (vgl. dazu den Bericht von Transparency International) wurde verschiedentlich der Ruf nach mehr Transparenz laut. Als Mittel wurde u.a. ein subjektives Recht auf Information(szugang) angedacht (vgl. z.B. die Bemühungen der Initiative transparenzgesetz.at; in Deutschland die konzeptionelle Weiterentwicklung der bestehenden Informationsfreiheitsgesetze).
Dem scheint nun Rechnung getragen zu werden: Nach zwei im Oktober im (österreichischen) Nationalrat eingebrachten Initiativanträgen von Seiten der Grünen (IA 18/A XXV. GP) und den NEOs (IA 6/A XXV. GP) wurde im März ein Ministerialentwurf (19/ME XXV. GP) in Begutachtung geschickt (vgl. zum Begutachtungsverfahren).
Der Entwurf sieht den gänzlichen Entfall von Art. 20 Abs. 3 und 4 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz), die aktuell die Amtsverschwiegenheit und die Auskunftspflicht normieren, vor. Anschließend an Art. 22 B-VG soll ein neuer Art. 22a B-VG eingefügt werden, der die Informationsfreiheit verankert und in Grundzügen festlegt. Die Neuregelung soll mit 1.1.2016 in Kraft treten.
Veröffentlichungspflicht
Art. 22a B-VG zufolge sollen zukünftig „Informationen von allgemeinem Interesse […] in einer für jedermann zugänglichen Art und Weise“ (Art. 22a B-VG) veröffentlicht werden, ausgenommen jene Fälle, in denen eine Verpflichtung zur Geheimhaltung besteht. Art. 22a Abs. 1 zählt allgemeine Weisungen, Statistiken, Gutachten und Studien als Informationen von allgemeinem Interesse auf. Die Formulierung ist wohl so zu verstehen („insbesondere“), dass auch noch andere Informationen erfasst sind, was auch von den Erläuterungen zum ME gestützt wird. Zur Veröffentlichung verpflichtet sind Organe der Gesetzgebung, Organe, die mit der Besorgung von Geschäften der Bundes- oder der Landesverwaltung betraut sind, Organe der ordentlichen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rechnungshof, Landesrechnungshof, Volksanwaltschaft und die vom Land für den Bereich der Landesverwaltung geschaffenen Einrichtungen mit gleichwertigen Aufgaben. Auffällig ist, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) nicht genannt wird, wobei offen ist, weshalb.
Damit scheint Art. 22a B-VG doch recht weitgehend: Nicht nur aufgrund der aktiven Veröffentlichungspflicht, sondern auch, weil grundsätzlich Organe sämtlicher Staatsgewalten von dieser umfasst sind (zur Situation für Deutschland, vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Informationsfreiheit und Transparenz unter Einschluss von Verbraucher- und Umweltinformationen – Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz, Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/13467, wonach gem. § 2 [hauptsächlich] Organe der Staatsgewalt Verwaltung informationspflichtige Stellen sind.
Verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht
Neben dieser (allgemeinen) Veröffentlichungspflicht statuiert Art. 22a Abs. 2 B-VG ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes subjektives Recht auf Zugang zu Informationen gegenüber den in Abs. 1 genannten Organen, nicht (?) jedoch gegenüber den Organen der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit (sowie wieder des VfGH), die in Art. 22a Abs. 2 B-VG nicht erwähnt sind. Weshalb sich die informationspflichtigen Organe nach Art. 22a Abs. 1 und 2 nicht decken, bleibt offen. Das subjektive Recht auf Informationszugang besteht jedenfalls nicht uneingeschränkt, sondern insoweit, als die Geheimhaltung nicht aus bestimmten Gründen oder Interessen erforderlich erscheint (siehe dazu noch unten).
Nähere Ausgestaltung
Bedingt durch Art. 22a Abs. 4 B-VG i.V.m. den Erläuterungen kann davon ausgegangen werden, dass eine (einfachgesetzliche nähere) Ausgestaltung von Art. 22a B-VG vorgesehen ist: Abs. 4 regelt nämlich, welche „näheren Regelungen“ vom Bund und welche, von den Ländern erlassen werden dürfen (bzw sollen). Eine Ausgestaltung scheint insbesondere in Bezug auf die Rechtsschutzmöglichkeiten vorgesehen, machen die Erläuterungen doch deutlich, dass für bestimmte Fälle der Zivilrechtsweg (einfachgesetzlich) vorgesehen werden soll. Eine Klarstellung, ob die Informationsfreiheit unter Ausgestaltungsvorbehalt stehen soll, scheint äußerst begrüßenswert und könnte durch eine Neuformulierung des Entwurfes von Art. 22a B-VG herbeigeführt werden.
Was neu ist …
Staatsgewalten
Art. 22a B-VG neu erfasst nicht nur den Bereich der Staatsgewalt Verwaltung, sondern gilt auch für die Legislative und, je nachdem wie eng man Art. 22a Abs. 2 B-VG auslegt, mehr oder weniger weitgehend, auch für die Judikative. Fest steht, dass damit ein hoher Aufwand für den einfachen Gesetzgeber einhergeht: Dem einfachen Gesetzgeber obliegt es ja ausführende Regelungen zu treffen und ggf. Ausnahmen von der Grundregel, dass grundsätzlich der Informationszugang zu gewährleisten ist, (einfach)gesetzlich festzulegen.
Verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht und Veröffentlichungspflicht
Während bislang ein subjektives Recht auf Auskunft nur einfachgesetzlich verankert war, ist die Informationszugangsfreiheit nunmehr ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht. Deshalb kann diese auch vor dem VfGH in einem Verfahren gem. Art. 144 B-VG (Entscheidungsbeschwerde), bzw den Verfahren gem. Art. 139 und Art. 140 B-VG (Individualantrag) geltend gemacht werden.
Darüber hinaus legt Art. 22a Abs. 1 B-VG für bestimmte Informationen eine allgemeine Veröffentlichungspflicht fest. Dies hat wohl durch eine geordnete Bereitstellung der Informationen zu erfolgen, was insbesondere durch Datenbanken bzw Register verwirklicht werden kann. Wichtig ist dies deshalb, da eine ungeordnete „Anhäufung“ von Informationen vom Bürger letztlich nicht verwendet werden kann. Während Art. 22a B-VG zu den Formen der Veröffentlichung schweigt, lässt sich den Erläuterungen entnehmen, dass eine solche nach dem Grundsatz des open government erfolgen soll (vgl. für Deutschland Drucksache 17/13467, wonach gem. § 2 Abs. 5 i.V.m. § 11 „ein zentral zu führendes, elektronisches und allgemein zugängliches Register, in dem alle […] Informationen durch die jeweils zuständige informationspflichtige Stelle verzeichnet werden“ der Veröffentlichung der Informationen dient).
Beschränkungsgründe
Die Liste der Beschränkungsgründe stellt keine Überraschung dar: Sie entsprechen im Großen und Ganzen denen des Art. 20 Abs. 3 B-VG, der Gründe für die Verschwiegenheitspflicht festlegt und ähneln im Grunde auch denen, die (für Deutschland) die Drucksache 17/13467 in § 7 und 8, freilich weitaus (!) detailreicher, statuiert. Neu (also noch nicht in Art. 20 Abs. 3 B-VG enthalten) ist der in Art. 22a B-VG an letzter Stelle genannte Grund, die „Wahrung gleich wichtiger öffentlicher Interessen“. Ansonsten nennt Art. 22a B-VG folgende Ausnahmegründe: zwingende außen- und integrationspolitische Gründe, das Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, die Vorbereitung einer Entscheidung, wirtschaftliche oder finanzielle Interessen einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers, die Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen oder die Wahrung gleich wichtiger öffentlicher Interessen, wobei letzteres ausdrücklich durch Bundes- oder Landesgesetz angeordnet sein muss. Den an letzter Stelle angeführten Grund ausgenommen, scheinen die Ausnahmegründe klar und sinnvoll. Die „gleich wichtigen öffentlichen Interessen“ eröffnen jedoch zumindest auf ersten Blick dem einfachen Gesetzgeber ein weites Betätigungsfeld. Es steht offen, wie dieser Ausnahmegrund vom Gesetzgeber gehandhabt und allenfalls vom VfGH ausjudiziert wird.
Ausblick
Klärungsbedarf ist jedenfalls noch vorhanden. Die erwähnten Unsicherheiten, welche u.a. die weitere Ausgestaltung von Art. 22a B-VG sowie den Kreis der informationspflichtigen Organe betreffen, sind nur zwei Beispiele. Sollte es bei der vom ME vorgeschlagenen Fassung bleiben, bleibt also abzuwarten, wie die weitere Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber erfolgt um tatsächlich bewerten zu können, ob die Transparenz des Staatshandelns durch die Neuregelung verbessert wird.