VON OLIVER DAUM
Dass die Bundeswehr eigene Drohnen anschafft, scheint sicher. Am 30. Juni fand hierzu eine Anhörung im Verteidigungsausschuss über das juristische Für und Wider von Drohnen statt. Durch ein deutsches Drohnenprogramm gewönne auch die bis dato eher theoretische Frage nach dem Grundmotiv des wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts an praktischer Bedeutung. Denn bewaffnete Drohnen könnten – von Deutschland aus gesteuert – in militärischen Operationsgebieten fremder Länder (bis zu 10.000 km entfernt) verwendet werden, ohne dass deutsche Soldaten mitentsendet werden müssten. Ein solches Szenario soll nach Ansicht von Robert und Simon einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte darstellen und deshalb vom Parlamentsvorbehalt erfasst werden. Doch die gegenwärtige Rechtslage könnte auch so ausgelegt werden, dass diese Verwendungen nicht dem Parlamentsvorbehalt unterliegen. Daher besteht gesetzgeberischer Handlungsbedarf!
Zweifel an der Zustimmungsbedürftigkeit von derartigen Drohnenverwendungen ergeben sich zunächst aufgrund der Definition des Einsatztatbestandes. Nach dem AWACZ-II-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2008, das durchaus kritisch zu würdigen ist, liegt ein „Einsatz bewaffneter Streitkräfte“ vor, wenn „deutsche Soldaten [im Ausland] in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind“. Da Drohnen weder „Soldaten“ noch „Streitkräfte“ sind, wäre die Drohnenverwendung, ohne gleichzeitige Entsendung von Soldaten, kein zustimmungsbedürftiger Einsatz. Ergo könnte die Bundesregierung ihren eigenen Drohnenkrieg fahren.
Außerdem ist festzuhalten, dass es bisher weder Gesetz noch Rechtsprechung gibt, wonach das hier gezeichnete Szenario materiell-rechtlich determiniert oder als dem Parlamentsvorbehalt unterliegenden Einsatz bewertet wird. Auch aus diesem Grund wäre die Zustimmung des Bundestages nicht zwingend.
Grundmotiv des Parlamentsvorbehalts als argumentative Richtschnur
Um eine konstitutive Zustimmungskompetenz des Bundestages zu begründen, bedarf es einer über die Definition des Einsatztatbestandes hinausgehenden Auslegung des Parlamentsvorbehalts bezüglich seines Sinn und Zwecks, im folgenden Grundmotiv genannt. Nur von geringer Relevanz ist hier das Streitkräfte-Urteil. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 1994 die verfassungsrechtlichen Ursprünge des „Prinzips des Parlamentsvorbehalts“ benannt. Doch genau genommen hat das Gericht lediglich die Existenz des Parlamentsvorbehalts bewiesen. Zum Grundmotiv hingegen hat sich das BVerfG bis heute nicht ausdrücklich positionieren können, was einer Diskussion hierüber freilich Vorschub leistet.
Zur Ermittlung des Grundmotivs des Parlamentsvorbehalts kann nicht auf die Protokolle des Parlamentarischen Rates rekurriert werden, da in den Jahren 1948-1949 bekanntermaßen nicht über den wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt beraten wurde. So ist in Ermangelung relevanter Verfassungspraxis (siehe aber S. 2 ff.) – sofern ihr überhaupt eine einschlägige Rechtskraft attestiert würde – zur Bestimmung des Grundmotivs einzig auf die Literatur und auf obiter dicta des BVerfG abzustellen.
Ein ausdrucksstarkes Kollegium innerhalb der Literatur geht von der „Wesentlichkeitstheorie“ als die Grundlage für den Parlamentsvorbehalt aus. Demnach ist „[d]er Gesetzgeber […] verpflichtet, in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen“. Hieran anknüpfend wird der Einsatztatbestand als „wesentlich“ qualifiziert.
Allerdings liefert die Bezugnahme auf die Wesentlichkeitstheorie keine weiterführenden Erkenntnisse, ob die konkreten Drohnenverwendungen den zustimmungsbedürftigen Einsatztatbestand erfüllen. Innerhalb der Wesentlichkeitstheorie ist daher „eine Stufe tiefer zu gehen“ und zu analysieren, was einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte „wesentlich“ werden lässt.
Was macht einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte „wesentlich“?
Robert und Simon, wenn auch ohne erkennbare Bezugnahme zur Wesentlichkeitstheorie, begründen den Parlamentsvorbehalt mit der Gefährdung der „auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik“ durch ein „deutsches militärisches Engagement“. Daraus folgt, dass die von Deutschland aus gesteuerte Drohnenverwendung dem Parlamentsvorbehalt unterläge, da dieser Einsatz zu einer Gefährdung der auswärtigen Beziehungen führen könnte.
Demgegenüber könnte auch in der „erhöhten Gefährdung soldatischer Rechtsgüter“ der „wesentliche Grund“ für den Parlamentsvorbehalt gesehen werden. Nach diesem Maßstab unterläge das beschriebene Szenario nicht zwangsläufig dem Parlamentsvorbehalt, da soldatische Rechtsgüter bei einem Verbleib in Deutschland regelmäßig nicht ausreichend gefährdet wären.
Beide Ansichten können sich auf die gleichen Ausführungen des BVerfG berufen, wonach der Einsatztatbestand „nicht nur ein erhebliches Risiko für Leben und Gesundheit deutscher Soldaten, sondern auch ein politisches Eskalations- oder doch Verstrickungspotential [birgt]“. Zudem ist der Einsatz „für individuelle Rechtsgüter der Soldatinnen und Soldaten sowie anderer von militärischen Maßnahmen Betroffener wesentlich und birgt die Gefahr tiefgreifender Verwicklungen in sich“.
Aus den zitierten Passagen lässt sich keine Prioritätensetzung zugunsten einer der Ansichten entnehmen. Aus der Rechtsprechung des BVerfG ließe sich jedoch aufgrund eines quantitativen Übergewichts auf eine Akzentuierung zugunsten der „nicht unerheblichen Gefahren [der Soldaten] an Leib und Leben“ schließen.
Grundlegende Kritik am Ansatz der „auswärtigen Beziehungen“
Der Begründungsansatz von Robert und Simon sieht sich schließlich zwei handfesteren Gegenargumenten ausgesetzt. Erstens ist das Schutzgut der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik ein weiter Begriff. Das hätte zur Folge, dass auch nicht-zustimmungsbedürftige Flottenbesuche, Hilfsmissionen außerhalb bewaffneter Unternehmungen oder die Zurverfügungstellung von Ausrüstungsgegenständen vom Parlamentsvorbehalt erfasst wären. Denn auch solche Verwendungen könnten zu Zeiten des militanten Dschihad zu einer Gefährdung der Integrität der auswärtigen Beziehungen führen.
Zweitens fällt das außenpolitische Handeln grundsätzlich in den „Eigenbereich exekutiver Handlungsbefugnis“ der Bundesregierung. Nur insofern der zustimmungsbedürftige Einsatztatbestand – ein spezielles Feld des außenpolitischen Handelns – vorliegt, tritt die Rechtsfolge des „Entscheidungsverbund“ von Bundesregierung und Bundestag ein. Die Beteiligung des Bundestages an den Entscheidungen dieses speziellen Feldes der auswärtigen Beziehungen ist also Rechtsfolge des Parlamentsvorbehalts. Dann kann das Schutzgut der Integrität der auswärtigen Beziehungen – in Form des Grundmotivs – aber nicht gleichzeitig den Einsatztatbestand des Parlamentsvorbehalts begründen.
Es besteht Handlungsbedarf!
Auch wenn die Zustimmung des Bundestages zu den hier beschriebenen Drohnenverwendungen überaus wünschenswert ist, so kann dieses Ergebnis nicht mit der Gefährdung der auswärtigen Beziehung als Grundmotiv des Parlamentsvorbehalts begründet werden. Der von Robert und Simon angestrebte Vorschlag, dem Grundmotiv durch ein kumulatives Wirken mit einem anderen Grundmotiv Geltung zu verschaffen, vermag die bestehenden Zweifel an diesem Ansatz nicht zu kompensieren. Da nur eine Entscheidung über deren Gefährdung wesentlich ist, liegt das Grundmotiv des Parlamentsvorbehalts vielmehr in der Integrität soldatischer Rechtsgüter.
In der Konsequenz folgt daraus, dass nach der Rechtslage de lege lata, und einzig unter Zugrundelegung der hiesigen Erläuterungen, der Bundestag an einer Verwendung bewaffneter Drohnen im Ausland, ohne gleichzeitiger Mitentsendung von Soldaten, nicht zwingend zu beteiligen wäre. Um vor diesem Hintergrund einen Drohnenkrieg der Bundesregierung nicht das Wort geredet zu haben, sollte die Rechtslage de lege ferenda entsprechend ergänzt werden. In naher Zukunft gibt es gleich zwei Möglichkeiten hierzu: Zum einen mittels der Kommission zur Novellierung des Wehrverfassungsrechts oder zum anderen anhand der bevorstehenden Entscheidung des BVerfG zur Operation Pegasus.