von KARIN NEUWIRTH
Im österreichischen Recht gibt es seit der Novelle des Fortpflanzungsmedizinrechts (FMedRÄG 2015) auch neue Abstammungsregelungen im ABGB: Neben der Abstammung von Mutter und Vater besteht eine neue Kategorie der Elternschaft: die „Abstammung vom anderen Elternteil“ gem § 144 Abs 2 u 3 ABGB, also die elterliche Beziehung der eingetragenen Partnerin oder nichtehelichen Lebensgefährtin einer Frau, an der eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung (muF) durchgeführt wurde, zu dem in dieser muF entstandenen Kind. Die Normen sind ähnlich jenen zur Vaterschaft aufgebaut, allerdings unter der Prämisse der medizinisch unterstützten Fortpflanzung gem Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG). Diese Einschränkung schien dem österreichischen Gesetzgeber bedeutend, um zu vermeiden, durch eine generelle gesetzliche Vermutung auch die Elternschaft für auf natürlichem Weg gezeugte, in einer Eingetragenen Partnerschaft (EP) von einer Partnerin geborene Kinder zu erreichen. Dies hätte im Ergebnis nämlich der für die Ehe vorbehaltenen Rechtslage entsprochen. Als Begründung der ablehnenden Haltung wurde in den parlamentarischen Materialien angeführt, dass sich für Kinder verschiedengeschlechtlicher Paare im Normalfall keine Fragen bezüglich ihrer Abstammung von Mutter und Vater stellen, Kinder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen aber „ausnahmslos“, „schon dem äußeren Anschein nach“ mit der Frage ihrer „biologischen Abstammung“ konfrontiert seien.
Die Zwei-Eltern-Prämisse
Nun zur scheinbar fehlenden Vaterposition bei diesen Mutter-Elternteil-Familien: Welche Rechte oder Pflichten kommen dem genetischen Erzeuger zu? In Österreich herrscht seit Einführung des FMedG im Jahr 1992 normative Klarheit dahingehend, dass ein Samenspender nie juristischer Vater des mit seinem genetischen Material gezeugten Kindes werden kann, wenn die muF im Rahmen der Vorgaben des FMedG stattfindet (dh zur muF zugelassene Praxis oder Krankenanstalt, Einhaltung der Informations- und Dokumentationspflichten etc). Abstammungsrechtlich wurde Vater immer schon und nur der Wunschvater, also der Ehemann oder Lebensgefährte der Mutter, der mittels Zustimmungserklärung zur muF an seiner Partnerin oder Ehefrau die juristische Vaterrolle erhält (§ 148 ABGB idgF, §§ 156a bzw 163 idF vor 2013). Gleiches gilt nunmehr bezüglich der Elternrolle der Partnerin bzw Lebensgefährtin der Frau. Eine Vaterposition ist in dieser Kombination auch nicht notwendig, das Kind wird in eine sogenannte vollständige Familie mit einer Zwei-Eltern-Konstellation hineingeboren. Die Zwei-Eltern-Prämisse bildet die Begründung des österreichischen Gesetzgebers für die Ablehnung der Zulassung der muF an alleinstehenden Frauen.
Auch bei der seit FMedRÄG 2015 zulässigen Eizellspende (§ 3 Abs 3) kommt es zu keiner Mutterschaft der Spenderin. Hier bedurfte es nicht einmal einer Neuregelung, weil Mutter die gebärende Frau bleibt (§ 143 ABGB). Leih- oder Tragemutterschaft ist weiterhin verboten. Die Informationsrechte des Kindes sind bei der Eizellspende entsprechend jenen zur Samenspende geregelt (§ 20 Abs 2 FMedG); es darf ab dem 14. Lebensjahr Einsicht in die Aufzeichnungen zur Person der/des Spenderin/Spenders nehmen.
In Deutschland fehlen entsprechende gesetzliche Klarstellungen, der Bereich der Fortpflanzungsmedizin wird in Teilbereichen mittels der Bestimmungen des Embryonenschutzgesetzes normiert, durch die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Assistierten Reproduktion gelenkt, sowie in jüngster Zeit durch spektakuläre Gerichtsentscheidungen (OLG Hamm bzw BGH) auch breiter wahrgenommen.
Vorrang faktischer Familienverhältnisse
Insgesamt dominiert in abstammungsrechtlichen Regelungen in Österreich der Aspekt der sozialen Erwünschtheit der Elternschaft. So kann sich etwa der biologische Vater eines Kindes, dessen Abstammung juristisch bereits einem anderen Mann zugeschrieben ist, nur dann per (verdrängendem bzw durchbrechendem) Anerkenntnis zum Vater machen, wenn das Kind – bzw in seiner Vertretung die Kinder- und Jugendhilfe – zustimmt und auch die Mutter den biologischen Vater als solchen benennt. Diese teilweise kritisierte Regelung des § 147 ABGB stärkt und schützt faktische Familienverhältnisse und gewährt deren Interessen juristischen Vorrang, obwohl sie der genetischen Wahrheit widersprechen. Ein Kind hingegen kann von sich aus immer einen sogenannten Vätertausch gem § 150 ABGB durchsetzen, dh die Feststellung der Vaterschaft des biologischen Vaters initiieren, selbst wenn bereits ein anderer Mann (etwa der Ehemann der Mutter oder ein Mann, der ein Anerkenntnis abgegeben hatte) als Vater feststeht.
Zurück zur Frage, wer und wie viele Personen Eltern eines Kindes sein können. Bereits 2013 war die vom österreichischen Gesetzgeber lange verteidigte, heteronormative Familien-Eltern-Konstellation des ABGB aufgebrochen worden, indem das Adoptionsrechts-Änderungsgesetz (AdRÄG) die Stiefkindadoption in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ermöglichte, ohne allerdings zu neuen Begrifflichkeiten zu gelangen. Klargestellt wurde durch AdRÄG lediglich, dass durch die Adoption die Eltern-Kind-Beziehung zum anderen Elternteil und nicht zu jenem in der Partnerschaft erlischt. Eine neue Bezeichnung des adoptierenden Elternteils war nicht notwendig; es gibt in dieser Elternkonstellation die schon bisher bekannten Elternteile, nämlich die leibliche und die Adoptivmutter bzw den leiblichen und den Adoptivvater als Elternpaar. Nach diesem durch den EGMR (GK, X ua gg Österreich) erzwungenen ersten Schritt hat der VfGH mit seinem Folge-Erkenntnis garantiert, dass eine umfassende gleichheitskonforme Regelung zur Adoption in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gefunden werden muss. Die Beschränkung der gemeinsamen Adoption sowie der Sukzessivadoption auf Ehen wird spätestens mit Ende 2015 fallen.
Gleichgeschlechtliche Elternschaft ist als juristische Normalität somit in der Rechtsordnung angekommen. Auch hinsichtlich des abwechselnden Kinderbetreuungsgeldbezuges hat der OGH jüngst Klarheit darüber geschaffen, dass gleichgeschlechtliche Eltern diese Ansprüche durchsetzen können, indem beim Begriff Pflegeelternteil auf faktische Betreuung und nicht auf eine formale Rechtsposition abzustellen ist.
Hinsichtlich der Paarbeziehung besteht immer noch (und vom EGMR unangefochten) das Primat der Ehe (Art 12 EMRK). Ehe ist in der österreichischen Verfassungsordnung nicht explizit als Institution geschützt, dh der Vorrang stützt sich ausschließlich auf die im Verfassungsrang stehenden Bestimmungen der EMRK. Auf Grund der durchgesetzten Diskriminierungsfreiheit im Eltern-Kind-Verhältnis gem Art 8 iVm 14 EMRK verliert sich diese Vorrangstellung jedoch zunehmend zu einer symbolischen Position.
Elternlos durch Adoption?
Noch ein Hinweis zu den Widersprüchlichkeiten der österreichischen Rechtsordnung hinsichtlich der vertretenen Zwei-Eltern-Prämisse: Das österreichische Adoptionsrecht erlaubt im Wege einer Einzeladoption das Erlöschen der elterlichen Position des zweiten, nicht ersetzten Elternteils, wenn dieser das möchte und das Gericht die Zustimmung erteilt (§ 197 Abs 3 S 2 ABGB). Dh die Rechtsordnung erlaubt, dass einem Kind ein existierender Elternteil verloren geht, obwohl sie es andererseits ablehnt, Kindern (von vorneherein) eine bloße Ein-Eltern-Familien zuzumuten, wie durch das Verbot der muF an alleinstehenden Frauen ausgedrückt. Grundsätzlich wird auf die faktische Unterschiedlichkeit zwischen bereits geborenen Kindern (Adoptivfälle) und noch nicht geborenen (nur durch muF entstehenden) Kindern verwiesen. Das Recht, sich diskriminierungsfrei einer muF zu bedienen bzw eine Adoption anzustreben, wird vom EGMR vielfach bestätigt; ein Recht, auf diesem Weg grundsätzlich zu einer Familie zu kommen, besteht allerdings nicht. So argumentiert der VfGH wie auch schon der OGH in seinem Prüfantrag zur Aufhebung der Beschränkung der muF auf heterosexuelle Paare hinsichtlich gleichgeschlechtlicher männlicher Paare und der Aufrechterhaltung des Verbots der Leihmutterschaft mit der biologischen Unmöglichkeit bzw zulässiger Diskriminierung.
Macht es also doch Sinn, im Hinblick auf das Rechtsinstitut Familie primär auf biologische Tatsachen abzustellen und nur ausnahmsweise die Überschreitung dieser Barrieren rechtlich zu stärken? Oder sollte die Betonung auf der sozial gelebten Verantwortung liegen? Dann dürften biologische oder genetische Grenzen keinerlei Beachtung finden. Hier würden vermehrt Konkurrenzsituationen zwischen biologischen Eltern und faktisch für das Kind Sorgenden entstehen. Juristisch für obsolet halte ich das Festhalten am Natürlichkeitsansatz, der von zwei Elternteilen ausgeht. Eine Verbindung der bestehenden Abstammungsregelungen mit der juristischen Erweiterung der Elternschaft für jene Personen, die tatsächliche Sorge und Erziehung leisten und (auch finanzielle) Verantwortung für ein Kind übernehmen, wäre eine für mich vorstellbare Lösung. Ein bis vier Elternteile könnten einen gangbaren Weg darstellen – so wie ja durch althergebrachtes Adoptionsrecht grundsätzlich schon akzeptiert. Ergänzt würden diese Elternrechte um gesicherte Kontaktrechte des Kindes zu ihm wichtigen Personen (§ 188 ABGB idF KindNamRÄG 2013, Großeltern, andere Verwandte, Ex-LebensgefährtInnen, Dritte). Was es zu verhindern gilt, ist ein beliebiger juristischer Wechsel zwischen biologischer, genetischer, sozialer oder vertraglicher Elternschaft. Die Flexibilität zur Anpassung an reale Gegebenheiten müsste die Rechtsordnung – so wie auch die Kinder – aber verkraften können.